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Ausgabe 49-1/1992

Zwischen Fernsehen und Kino

Gespräch mit Arend Agthe über seinen Film "Wunderjahre"

(Interview zum Film WUNDERJAHRE)

KJK: Was war für Sie der "Aufhänger" für die Geschichte von "Wunderjahre"?
Arend Agthe: "Vor allem wollte ich ein atmosphärisches Bild von den 50er-Jahren zeigen, das naturalistischer und realistischer ist als in anderen Filmen. Das Bewusstsein, das wir heute von jenen Jahren haben, ist ein total geschöntes. Ich wollte der Nostalgie, die die 50er-Jahre verklärt, etwas Realistisches entgegen setzen: ein Gefühl von Verklemmung, Kleinbürgertum, eine gewisse Gefühlskälte und eine Ohnmacht der kindlichen und jugendlichen Position den Erwachsenen gegenüber. Das Klima dieser Zeit sollte realistisch dargestellt werden."

Sehen Sie darin Parallelen zu heute, oder warum erzählen Sie diese Geschichte gerade 1991?
"Ich glaube, dass man die Geschichte nur vom heutigen Standpunkt erzählen kann. Der Film zeigt eine heutige, freiere Sicht auf die 50er-Jahre. Wir sind durch die Studentenbewegung gegangen, durch die pseudo-sexuelle Befreiung, durch eine Liberalisierung der sozialen Beziehungen und durch viele soziale Experimente. Der philologische, psychologische und pädagogische Bereich hat sich stark verändert. Von daher sieht man die 50er-Jahre stärker als Albtraum denn als Traum."

Haben Sie in diesem Film auch persönliche Kindheitserfahrungen verarbeitet?
"Ich denke, dass in die Darstellung der Gefühle zwischen den Geschwistern eigene Erfahrungen eingegangen sind. Die Aufbruchstimmung der 50er habe ich in meiner Familie hautnah mitbekommen, ohne selbst involviert zu sein. Meine eigene 'erwachsene Kindheit' lag in den 60er-Jahren. Aber trotzdem glaube ich, dass ich aus dieser Erfahrung etwas mit in den Film hineingebracht habe."

Sie haben diesen Film mit der DEFA produziert und auch in der Ex-DDR gedreht. Wie sind dabei Ihre Erfahrungen?
"Grundsätzlich gut. Es war schön, dort zu drehen, und es hat auch alles gut geklappt. Wir haben ein aufwändiges Motiv in einem der größten DEFA-Studios bauen lassen, ein Wasserturmmotiv, und das haben die grandios gut gemacht. Der Wasserturm taucht nur in der Serie auf, in der Kinofassung ist das Motiv aufgrund der Erzählweise dieses Handlungsstrangs nicht aufgenommen worden."

Sie haben mit "Wunderjahre" das zweite Mal einen Produktionsweg mit dem Fernsehen gefunden, bei dem unabhängig voneinander eine vierteilige Serie und ein Kino-Einteiler produziert wurden.
"Das stimmt formal, trotzdem sind die Wege anders. Im ersten Fall haben wir 'Flussfahrt mit Huhn' als Kino-Koproduktion produziert. Das Erstprodukt war dabei der Spielfilm, der mit 85 Prozent Förder- und freien Mitteln und dem Rest durch das Fernsehen finanziert wurde; das Sekundäre ist die Fernsehserie. Bei 'Wunderjahre' war es genau umgekehrt. Der Auftraggeber war das Fernsehen; das Hauptprodukt war die Serie und das 'Abfallprodukt' – natürlich in Anführungszeichen – der Kino-Einteiler. Insofern ist das eine ganz andere Herangehensweise. Mich reizt es grundsätzlich, für das Fernsehen Mehrteiler zu machen, mit kürzeren Sendezeiten. Meine Erfahrung ist, dass gerade im Kinder- und Jugendprogramm kürzere Sendezeiten besser angenommen werden. Einen 90-minütigen Film halte ich, im Nachmittagsprogramm den Kindern vorgesetzt, für relativ problematisch. Die Konzentration, die im Kino durch die Institution, das Licht und den zusammenhängenden Ablauf gegeben ist, fehlt im Privathaushalt. Deshalb halte ich dort kürzere Erzählbögen für günstiger."

Für den Film scheint es ein guter Weg zu sein, wenn beides – Fernsehen und Kino – bedient werden soll.
"Es ist ein gangbarer Weg. Ich würde den Weg nicht beschreiten, wenn ich das Gefühl hätte, inhaltlich zu viele Abstriche machen zu müssen. Bei meinem nächsten Filmprojekt 'Karakum' gehen wir auf das alte Modell von 'Flussfahrt mit Huhn' zurück, wieder mit dem Hessischen Rundfunk. Das Drehbuch und die Kamera sind auf den Spielfilm ausgerichtet und der Fernsehmehrteiler wird nur bei einigen Übergängen berücksichtigt."

Ihr Weg wäre vielleicht eine Möglichkeit, entgegen der gängigen Fernsehpraxis, die Kinofilme einfach in Serien zu splitten, beiden Medien gerecht zu werden. Spielfilme, die so behandelt werden, verlieren an Kraft.
"Das stimmt. Bei 'Wunderjahre' habe ich diesen Weg gewählt, weil der Film episch ist. Er basiert nicht auf einem eng erzählten, dramatischen Handlungsfluss. Er ist eher wie ein Reigen, ein Bilderbogen, in den man einsteigt in kleine Parallelgeschichten und wieder aussteigt. Insofern kam die Dramaturgie unserer Filmerzählung der Fernsehkonzeption sehr entgegen."

Heißt das umgekehrt, dass Sie einen Film, der sehr stark auf Spannungsbögen basiert, wie den "Sommer des Falken" nicht als Mehrteiler zeigen würden?
"Genau. Beim 'Sommer des Falken' besteht durch die dramatische Struktur der vier Hauptdarsteller die Gefahr, dass der Film zerfällt, und dass es für den Zuschauer an einer bestimmten Stelle uninteressant wird, weil die Erzählung zu lange an einer Person bleibt. Das war für mich eine Gradwanderung, die es notwendig machte, das Erzählte als Einteiler zu binden, damit man eine Spannungsklammer erhält."

Würden Sie die Produktionsweise von "Wunderjahre" anderen Regisseuren empfehlen?
"Nein, denn nach meinen jetzigen Erfahrungen ist es schwer, einen Verleih zu finden, wenn das Fernsehen das Sagen hat. Der Kinofilm hat ja nicht den Schutz des Filmförderungsgesetzes von zwei Jahren. Der Sendetermin im Fernsehen kann daher früh angesetzt werden. In diesem Fall hat 'Wunderjahre' im Kino nur eine Auswertungschance nach der Fernsehausstrahlung. Das bedeutet, dass damit ein ganz bestimmter kommerzieller Markt weg ist. Ich würde es nur unter der Bedingung wieder so machen, wenn das Fernsehen bereit ist, die Sperrfrist von zwei Jahren einzuhalten. Die müssten sagen: Wir finanzieren den Film vor und bezahlen einen Großteil des Kino-Einteilers und dafür geben wir dem Film auch noch zwei Jahre Kinovorlauf. Man müsste dann natürlich eine Regelung treffen, die das Fernsehen stärker an der Kinoauswertung beteiligt. Aber so ein Modell ist bisher noch nicht ausgehandelt worden."

Bedeutet dies das Aus für den Kinofilm "Wunderjahre"?
"Ich denke nicht. Wir haben den Film auf den Hamburger Kinotagen getestet. Dort treffen sich die Programmkinobetreiber aus dem gesamten Bundesgebiet und sichten die in Frage kommenden Filme des letzten Jahres. 'Wunderjahre' ist unter die ersten vier der Zuschauerbewertung gekommen. Das hat den Verleih der Programmkinos, die 'FiFiGe' in Hamburg, dazu bewogen, den Film herauszubringen."

Mit Arend Agthe sprach Susanne Berns

 

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