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Ausgabe 50-2/1992

"Der Elefant ist ja ein Symbol"

Gespräch mit Karola Hattop zum Film "Elefant im Krankenhaus"

(Interview zum Film ELEFANT IM KRANKENHAUS)

Karola Hattop hat sich seit mehr als zwölf Jahren zu einer Kinderfilmregisseurin profilieren können, deren Filme Engagement und Humor ausweisen. 1983 errang sie mit "Mein Vater in der Tinte" (Buch: Gert Billing) den Grand Prix beim Prix Danube in der Kategorie Dramatik. Dem Erfolgsmuster liebenswerter Unterhaltsamkeit blieb sie treu, wagte sich in der Darstellung des Wirklichen so weit vor, als es die im DDR-Fernsehen entstandenen Gegenwartsstoffe zuließen. Dokumentarischen Arbeitsprinzipien verpflichtet, verfiel sie nicht in Kindertümelei. Als angebotene Familiengeschichten immer ähnlicher wurden, brach sie aus in die satirische Märchenkomödie "König Phantasios" (Buch: Hans Hattop).

KJK: In einem unserer lernen Gespräche hast "König Phantasios" als denjenigen Deiner Filme bezeichnet, der Dir am meisten unter die Haut gegangen ist. Was reizte Dich am dann folgenden Gegenwartsfilm "Elefant im Krankenhaus"?
Karola Hattop: "Es hängt ja leider nicht nur von mir ab, ob ich weiter Märchenfilme machen kann. Natürlich hätte ich auch gern einen Märchenfilm gemacht, aber das Angebot zu 'Elefant im Krankenhaus' (Buch: Gabriele Herzog) bekam ich schon während der Dreharbeiten zu 'König Phantasios'. Gereizt hat mich wieder die Arbeit mit den Kindern und speziell die Figur des Robert, der angesichts der bedrohlichen Situation für seine Schwester über sich selbst hinauswächst. Als Anschluss an 'König Phantasios' fand ich wichtig, dass sich Kinder nicht dreinschicken in Lebenssituationen und Konventionen der Erwachsenen, sondern sich wehren."

Der Film entstand nach einem Hörspiel – in welcher Weise wurden Veränderungen für den Film vorgenommen?
"Wir haben versucht, die Geschichte, die sehr auf den Dialog abgestellt war, durch Szenen attraktiv zu machen. Das Hauptproblem bestand darin, dass über ein Drittel des Films das Mädchen Tilly im Krankenhaus liegt. Das nicht langweilig und statisch werden zu lassen, war schon eine Schwierigkeit. Wir haben uns bemüht, Roberts schwierige Wege, den Elefanten für Tilly zu besorgen, bis an die Grenze des Dramatischen, ja sogar des Bedrohlichen aus zu erzählen."

Darunter verstehst Du eine Szene wie die Bettenfahrt mit Claudia unter der bedrohlichen Verfolgung von Oberschwester Isolde?
"Noch zugespitzter ist die Szene im Affenkäfig angelegt, wenn Robert vom Tierparkdirektor in Schutz genommen werden muss. Das habe ich angeregt, um deutlich werden zu lassen: Man kann sein Versprechen geben, man muss es dann halten, aber es gibt Gefahrengrenzen. Der Titel weist ja schon darauf hin, wie die Geschichte ausgeht. Interessant ist deshalb vor allem, über welche Umwege und Hindernisse der Junge kommen muss, wie also der Konflikt ausgereizt wird. Wie weit geht Robert, an welche Leute gerät er, wie bewältigt er die sich immer neu auftürmenden Schwierigkeiten? Von Beharrlichkeit wollte ich erzählen und davon, dass man Misserfolge verkraften lernen muss. Da in unseren ehemaligen DDR-Verhältnissen Konflikte weggelogen wurden, können Kinder bei uns nicht gut mit Konflikten umgehen. Die Erwachsenen standen schützend um sie und haben verdrängt ..."

Außer Beharrlichkeit finde ich schön, dass ermutigt wird, ins Unmögliche hinein zu träumen. Auch Phantasiefähigkeit wurde nicht gerade gefördert. Es dominierte Pragmatismus.
"In diesem Sinn ist der Film ein Traum. Ich habe mich mit Kindern darüber unterhalten: Sie bewundern Robert, aber sie selbst würden nach dem ersten Gespräch mit dem Tierparkdirektor aufgeben. Um sie zu ermutigen, bedarf es eines solchen Films. Auf Argumente, so sei nicht das Leben, muss ich gefasst sein. Sie kommen im Übrigen oft von der Kritik. Aber so simpel will der Film nicht erfasst sein. Der Elefant ist ja ein Symbol."

Welche Gesichtspunkte waren ausschlaggebend für die Besetzung der schönen, aber für ein Kind natürlich schwer zu spielenden Figur des Robert?
"Ich kannte Andrej Jautze aus dem Fernsehspiel 'Die letzte Nacht zum Fürchten'. Normalerweise ist er der Typ von Kindern, die ich nicht besetze. Mir liegen mehr die sozialen Typen. Er ist zu niedlich mit seinen ausdrucksvollen Augen. Es reizte mich aber, darstellerisch noch mehr mit ihm zu versuchen. Für die Rolle des Robert ist außerdem wichtig, dass sich der Zuschauer völlig auf ihn einlässt und sich mit ihm identifiziert. Robert muss die Herzen der Kinder aufschließen. So habe ich mich bewusst auf das Klischee des außergewöhnlich sympathischen Kindertyps eingelassen. Aber nicht die Augen sind wichtig, sondern der Charakter und die Seele ..."

Die Besetzung der Mutter, die Interpretation der Figur durch die Regie war für mich eine erfreuliche Entdeckung. Mir schien sie neu im Reigen Deiner Frauenfiguren. Sie ist ein Single und als solche mit all ihren sinnlichen Sehnsüchten und durch den Alltag zerstückelten Stress-Gesten erzählt, auch ein bisschen clownesk im Ausdruck ...
"Schön beobachtet. Die Figur ist umstritten. Ich liebe sie auch. Viele Leute wollen aber andere Mutter- bzw. Frauenfiguren und neigen im Inneren wohl zum Klischee. Sie sagen: 'Das ist doch keine richtige Mutter.' Aber Frauen ihrer Art und ihres sozialen Umfelds sind anders als unsere Generation. Ihr Lebens- und Weltverständnis ist völlig anders. Dazu wollte ich mich als Regisseurin bekennen. Natürlich kann eine solche Frau heutzutage die Gewerbemieten in der Sophienstraße nicht mehr bezahlen ..."

Inwieweit habt Ihr etwas von den in der Nach-Wende-Zeit rasant stürzenden gesellschaftlichen Ereignissen einfangen können?
"Wir haben es weitgehend draußen gelassen. Natürlich haben wir nicht gedacht, dies sei ein Stoff, den man nach der Wende machen muss. Er war schon vorher geplant. Aber wir haben befunden: Trotz aller neuen Umstände sollte er sein. Die Botschaft ist wichtig, über alle Zeiten hinweg. Innerlich bin ich auch immer noch nicht drüber, zu sehr unter Druck, um die sich markierenden neuen Themen bereits verdichtet aufschreiben zu können. Ich merke ähnliches an anderen und guten Autoren. Ich denke, man muss jetzt eine neue Art des Filmemachens für sich entdecken, nicht eine, die sich sang- und klanglos anpasst an marktwirtschaftliche Aspekte. Wir haben in der DDR mit anderen Verschlüsselungen gearbeitet und so was wie eine Selbstzensur im Kopf gehabt. Es ist schwierig, mit der neuen Freiheit umzugehen und sich im Fabulieren zu üben. Es geht darum, Wirklichkeit anders und filmisch neu zu übersetzen."

Du bist Produzentin geworden, hast die Firma "Phantasios-Film" gegründet und produzierst zurzeit wöchentlich eine Sendung "Flimmerstunde" für den ORB. Und der Spielfilm?
"Wenn man einen Arbeitstag von vierzehn bis achtzehn Stunden hat, kann man nicht über Spielfilm nachdenken. Ich nutze die Zeit, um bestimmte Mittel und Erzählweisen für mich auszuprobieren. Ich hatte eine ähnliche Situation schon einmal, bevor ich in die Dramaturgie des Kinderfernsehens kam. Damals habe ich in der Kinderpublizistik gearbeitet. Ebenso wie damals trainiere ich jetzt die kleine Form, arbeite stärker mit assoziativen Bildern. Ich versuche, zurückzugehen zu den eigentlichen Gestaltungsmitteln – zu Bildern, Geräuschen, Atmosphären."

Und das Phantastische?
"Ich bin gerade dabei, es für mich zu entdecken. Kinder brauchen Träume und müssen sich in einer Welt, die ihnen ständig etwas vorsetzt, selber wiederfinden können. Träume können ihnen Orientierungen geben."

Das Gespräch mit Karola Hattop führte Katharina Steinke

 

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