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Ausgabe 82-2/2000

Kinder sind die wahren Helden

Gespräch mit Dana Vávrová, Regisseurin des Films "Der Bär ist los"

(Interview zum Film DER BÄR IST LOS)

Während der Dreharbeiten zu "Ein Stück Himmel" (1985, Regie: Franz Peter Wirth) lernte Dana Vávrová Joseph Vilsmaier, den damaligen Kameramann dieser Produktion, kennen. Ein Jahr später heirateten sie, inzwischen hat das Paar drei Töchter — Janina, Theresa und Josefina –, die alle drei in "Der Bär ist los" mitspielen. Während Dana Vávrová in vielen Filmen ihres Mannes mitwirkte ("Herbstmilch", 1988; "Rama Dama", 1990; "Stalingrad", 1992; "Schlafes Bruder", 1994; "Comedian Harmonists", 1997), war sie 1993 bei "Charlie & Louise – Das doppelte Lottchen" erstmals offiziell als Regieassistentin tätig. Zwei Jahre später inszenierte sie ihren ersten eigenen Film: "Wia die Zeit vergeht", eine Dokumentation über den Musiker Hubert von Goisern. Und 1996 folgte mit "Hunger – Sehnsucht nach Liebe" ihr Spielfilmdebüt. In ihrem zweiten Spielfilm "Der Bär ist los" setzt Dana Vávrová gekonnt auf eine fantasievolle Genre-Mixtur, bei der sie selbst in einer kleinen Rolle als stumme Briefträgerin, die Schwierigkeiten beim Radfahren hat, zum Running Gag wird.

KJK: War es eigentlich sehr schwierig mit einem Bären einen Film zu drehen?
Dana Vávrová: So schön die Zeit im Sommer auch war, es waren zwei Monate mit schlaflosen Nächten, denn heute ist mit dem Bären noch einmal alles gut gegangen, hoffentlich passiert morgen nichts. Die Verbindung Kind und Bär ist die dümmste, die man sich vorstellen kann, weil der Bär die Kinder nicht akzeptiert, zum Glück war er noch sehr jung, so dass er sehr verspielt war."

Ihr Film "Der Bär ist los" ist ein Genre-Mix: Abenteuerfilm, Kinderfilm, Familienfilm, volkstümliche Komödie und auch Zirkusfilm — und natürlich ein Liebesfilm. Welches Etikett von all denen ist Ihnen am liebsten und für Sie am treffendsten?
"Ich finde es schön, dass man soviel sagen kann über meinen Film. Ich sehe ihn auch so, denn ich würde keinen Film machen wollen, wo Kinder vielleicht Spaß haben, weil sie endlich ins Kino gehen können, aber die Eltern im Kino sitzen und sich zu Tode langweilen. Wenn ich mich an die Kinderfilme erinnere, mit denen ich groß geworden bin, dann sind die heute noch in Deutschland, Tschechien und der ganzen Welt im Fernsehen oder im Kino zu sehen. Damals hatten sich meine Eltern oder auch meine Tanten immer auf diese Filme gefreut, die man heute noch gerne ansieht. Warum also nicht wieder so einen Film machen, denn unser großes Vorbild Amerika macht es ja auch so: 'Mrs. Doubtfire' ist kein Film für Erwachsene, das ist ein Kinderfilm, wo es um die Rechte der Kinder geht, aber Kinder haben genauso ihren Spaß wie die Erwachsenen. In erster Linie ging es mir in meinem Film um die Kinder, denn es ist vor allem ihre Geschichte, weil Kinder nie die richtigen Eltern haben. Alle Eltern machen irgendwelche Fehler, aber das bleibt wohl immer das Problem aller Generationen."

Wie kam es zu diesem Filmprojekt? Wie haben Sie die Drehbuchautoren gefunden?
"Ursprünglich habe ich diese Geschichte, die mir einmal erzählt wurde, nur als Kurzfilm gesehen. So genial bin ich nicht, dass ich mir die Geschichte vom Bären ausgedacht hätte, der aus dem Zirkus geholt wird und auf den einer fürs Geld schießen soll. Nachdem ich die Geschichte zehn Jahre mit mir herumgetragen hatte und sie auch immer wieder gerne als Witz erzählt habe, dachte ich, das ist doch ein wunderbarer Kurzfilm, also habe ich ein Exposé geschrieben und dabei gemerkt, da steckt viel mehr Stoff drin. Dazu kam, dass ich es alles heute spielen lassen wollte und nicht im damaligen Sozialismus. Denn die Leute sind heute genauso geldgierig, wenn nicht noch mehr als damals – und zwar auf beiden Seiten der Grenze. Ich hatte beim Schreiben zwar viel Spaß, aber irgendwann hatte ich dann das Gefühl, da komme ich nicht allein weiter, andere Leute können das wunderbar bereichern. Ich habe Freunde, die an der Münchner Filmhochschule studieren und nebenbei Trailer schneiden oder andere Jobs beim Film übernehmen. Denen habe ich vorgeschlagen, zusammen mit mir ein Treatment für einen Spielfilm zu schreiben. Zuerst habe ich ihnen alle Motive gezeigt, da haben wir wunderschöne Ausflüge in den Böhmerwald gemacht. Bevor das Drehbuch fertig war, stand schon jede Ecke fest, an dem der Film gedreht werden sollte. Und weil meine Kinder immer mit von der Partie waren, wurden so auch die Charaktere der Mädels festgelegt, obwohl ich nicht wollte, dass meine Kinder in dem Film mitspielen."

Um für die Rolle der Julia das richtige Mädchen zu finden, haben Sie rund 1.000 Kinder gecastet, am Ende hat Ihre Tochter Janina die Rolle bekommen. Mussten Sie erst 1.000 andere Kinder ausprobieren, um ...
"... am Ende festzustellen, dass meine Kinder dann doch die größte Nähe zu den Rollen haben, weil sie eben ständig vor den Augen der Drehbuchautoren herumgeschwirrt sind und die sogar ihre Sätze wie 'Du riechst wie ein Mann' übernommen haben, denn das kann sich wohl kein Erwachsener ausdenken. Als wir nach einem Billardspiel aus der Kneipe kamen, hat meine jüngste Tochter an meinen Sachen gerochen und gesagt: 'Du riechst wie ein Mann.' So haben meine Kinder am ehesten den gesuchten Charakteren entsprochen, denn die Kleinste kann eben super nerven oder auch super süß sein."

Ist es eigentlich problematisch, mit den eigenen Kindern zu drehen?
"Zum eigenen Kind ist man schneller etwas lauter, bei fremden Kindern hat man wesentlich mehr Geduld. Alle sieben Kinder, wenn man Max und Janina noch dazu zählen kann, waren meine, denn die Eltern waren nicht dabei."

Ihre Tochter Janina ist 13 und musste vor der Kamera kleine Liebesszenen absolvieren: Für wen war es schwieriger, für Ihre Tochter oder für Sie?
"Das lief alles höchst professionell. Das war auch meine Ansage ans Team, dass sich da keiner drüber lustig machen darf. Wir haben uns dafür Zeit genommen, aber sie hat dann schon gefragt, wie oft muss ich ihn noch küssen? Meine Antwort war, so oft, bis es gut ist. Max ist uns da auch sehr entgegen gekommen, als junger Mann hat er die führende Hand gehabt, wie sich das gehört."

Sie haben Ihre eigene Karriere als Kind begonnen, in Ihrer Heimat waren Sie ein Kinderstar. Nicht alle, die so früh anfangen, schaffen es später, weiter Karriere zu machen. Sie haben es geschafft, sind aber eher eine Ausnahme. Welche Ambitionen haben Ihre Töchter Janina, Josefina und Theresa? Und wie stehen Sie dazu?
"Wenn ich Metzger wäre, dann würden meine Kinder in der Metzgerei groß und auch Metzger, ob man sie dazu zwingt oder nicht, das ist eben deren Milieu, wo sie sich auskennen. Bei uns ist das der Film und die Kinder kennen das von klein auf, das ist für sie nichts Neues oder etwas Besonderes. Die wissen ganz genau, wie viel Arbeit dahinter steckt, wie viele Tränen, aber auch wie viel Freude dahinter sein kann. Ich habe nie versucht, sie davon fernzuhalten oder gesagt, das darfst du nicht machen. Ich habe als Kind wirklich viel gearbeitet; da war mit meinen Eltern damals ausgemacht, solange die Schule funktioniert, darf ich weiter Filme drehen. Ich habe mir in der Schule besonders viel Mühe gegeben, weil die Dreharbeiten für mich die schönsten Ferien und die schönste Zeit der Kindheit waren. Ich gehöre nicht zu den verbrannten Filmkindern ..."

... vielleicht ist der Spaß wirklich entscheidend, nur so kann sich daraus auch ein Beruf entwickeln. Während Kinder, die es unter Druck tun ...
"... aber es war auch das Glück mit Leuten zusammen zu arbeiten, bei denen meine Eltern keine Angst haben mussten, dass ich etwa bei den Partys mittrinke. Denn das waren Leute, die Kinder sehr gemocht haben, für die Kinder haben sie ihre Filme gemacht. Meinen Kindern möchte ich nicht irgendwie einen Weg weisen oder ihnen die besten Rollen versprechen. Im Gegenteil bin ich da sehr kritisch, wenn sie zu anderen Castings gehen möchten, da will ich wissen, was das für Leute sind und ob der Stoff auch richtig ist. Auf der anderen Seite sind es sehr starke Persönlichkeiten, denen ich es nicht verbieten kann."

Bei den ersten Szenen Ihres Films mit Heinrich Schafmeister als Jäger habe ich einen Schreck bekommen, weil es so aussah, als würde Schafmeister so übertreiben, weil dies ein Kinderfilm ist. Oft müssen die Erwachsenen im Kinderfilm ja besonders kindisch sein, erst später wurde mir klar, dass der Jäger als blöder Ausländer wie auch die hinterfotzigen Dorfbewohner Parts in einem Volksstück spielen. Haben Sie dieses Klischee vom kindischen Erwachsenen bewusst eingesetzt?
"Es ist schon schwer zu erzählen, dass ein deutscher Jäger glaubt, im Böhmerwald gibt es Bären, wenn eine Ecke weiter der Zirkus gastiert. Wir wollten kein absolutes Klischee daraus machen, aber er sollte durchaus ein naiver Mensch sein, der seiner Jagdsucht verfällt. Deshalb konnte es kein normaler Mensch sein. Die Zirkusleute sind den Menschen vom Film sehr ähnlich, sie sind die wahren Komödianten, die jeden Tag ihr Bestes geben. Beim Armin Rohde, der den Zirkusdirektor spielt, habe ich darauf geachtet, dass er auch ruhige Seiten hat, aber er ist nun mal der Boss: Wenn der Direktor nicht sagt, wie es weitergeht, dann sagt es ja gar keiner, also muss er herumbrüllen und poltern. Das sieht wahnsinnig übertrieben aus, genauso ist es mit den Leuten im Dorf, die sich darum bemühen, Touristen ins Land zu holen, obwohl sie die Touristen eigentlich überhaupt nicht mögen ...

Warum lief Ihr Film "Der Bär ist los" nicht im Kinderfilmfest der Berlinale?
"Ich habe ihn angeboten, aber er wurde zurückgeschickt."

Das ist aber bitter ...
"Das finde ich auch. Berlin mit einem Film über Bären – das wäre doch eine feine Sache, zumal die Kinderjury beim Kinderfilmfest über die Qualität der Filme befindet. Weil ich an den Film glaube und weil ich ihn sehr mag, wollte ich es auch wagen, mit ihm vor die Kinderjury zu treten. Ich wollte unbedingt, dass er auf dem Kinderfilmfest läuft, aber dem war leider nicht so. Echt schade für die Berlinale."

Das Motiv vom Zirkus bestimmt den ganzen Film, beim Genre des Zirkusfilms muss es auch die Vorstellung in der Manege geben. Sie haben sich das für den Schluss aufgehoben, um noch einmal spielerisch die Läuterung des Jägers vorzuführen.
"Ich fand es auch sehr schön, besonders als es endlich fertig war. Es war immer das große Fragenzeichen, brauchen wir die Zirkusvorstellung, aber ohne geht es einfach nicht. Dass noch einmal nachgespielt wird, was man schon gesehen hat, ist die ideale Lösung. Das ist uns aber erst sehr spät eingefallen. Das Zirkuspublikum haben wir aus meinem Heimatdorf ankommen lassen, meine Familie und alle Freunde mussten mitmachen, die Begeisterung hielt nur nicht lange an, es war brütend heiß und die Szenen mussten oft wiederholt werden, obwohl wir mit zwei Kameras gedreht haben und auch ohne Publikum geprobt hatten, mussten sich doch alle Zuschauer die Nummern zweimal ansehen. Eigentlich hatten wir zwei Tage dafür, doch mir war klar, dass am nächsten Tag nur noch die Hälfte der Leute wiederkommen würde."

Ganz am Ende des Films gibt es Out-Takes mit allen möglichen Patzern und Dingen, die schief gegangen sind. Ich liebe Out-Takes. Wie sind Sie auf die Idee dazu gekommen? Gab es bei einem Film mit Kindern und einem Bären besonders viele Pannen?
"Bei jedem Film passieren Pannen, aber meist ist es nur für die Beteiligten witzig. Wir ließen allerdings oft auch die Kamera laufen, obwohl wir schon wussten, dass wir es nicht benutzen würden. Bei einem Film mit Kindern werden viele zusätzliche Filmmeter verdreht, so dass es auf ein paar mehr auch nicht mehr ankommt. Sonst landen diese Pannen nur zu Hause auf einer Videokassette, aber hier war es anders, zumal wir mit Tieren gedreht haben, wo ich immer schauen musste, ob die Ziege jetzt frisst oder nicht frisst. Wir hatten dadurch mehr Material, als wir am Schneidetisch verwenden konnten, ich fand viele Szenen so süß, dass es schade gewesen wäre, sie wegzuwerfen oder nur in der eigenen Videothek aufzubewahren. Ich habe inzwischen den Film auf tschechisch synchronisiert, die Übersetzung war nicht immer leicht, am meisten Spaß hat es auch den Sprechern gemacht, die Out-Takes zu synchronisieren."

Mit Dana Vávrová sprach Manfred Hobsch

 

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