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Ausgabe 58-2/1994

Die Entscheidung für den Filmschluss fiel in den Previews – nicht am Schneidetisch

Gespräch mit Joseph Vilsmaier zu "Charlie & Louise" im März 1994

(Interview zum Film CHARLIE & LOUISE – DAS DOPPELTE LOTTCHEN)

Die Entscheidung für den Filmschluss fiel in den Previews – nicht am Schneidetisch

KJK: Seit einem Monat läuft Ihr Film mit 220 Kopien in deutschen Kinos. Wie viele Menschen haben den Film bisher gesehen?
Joseph Vilsmaier: "Bis jetzt sind es 370.000. Das ist gut für einen deutschen Film. Wir haben uns eigentlich mehr erwartet, aber wir wissen, dass er in fünf Jahren auch noch seine Besucher bringt."

"Charlie & Louise"– ein Film für die ganze Familie. Ist die Rechnung aufgegangen?
"Wir sind in eine amerikanische Staffel geraten: 'Free Willy', 'Cool Running', 'Mrs. Doubtfire', 'Little Buddha' – Filme, die mit viel Geld aggressive Werbung betreiben. Dazwischen 'Charlie & Louise'. Für 'Free Willy' gab's allein 3 Millionen Werbeetat, das haben wir natürlich nicht."

Wer entscheidet, welcher Film gesehen wird – Eltern oder Kinder?
"Ich bin seit dem Start meines Films unterwegs, im Westen, im Osten. Stelle mich manchmal einfach in die Schlange an der Kasse von Kino-Centern, habe sozusagen mein Ohr am Volke. Die Kinder kommen mit Oma oder Tante, sehen das Filmangebot und entscheiden sich für das, was sie kennen – aus der Werbung, aus dem Radio ..."

Aber Kästner kennt doch jedes Kind?
"Ich habe erfahren, dass Kästner nicht mehr den Stellenwert hat, den er hatte, jedenfalls nicht im Westen, im Osten ja. Im Westen wird das 'Doppelte Lottchen' von manchen als Kinderkram abgetan. Das hat zur Folge, dass am Tage die Kinos voll sind mit Kindern und deren Begleitung, aber am Abend keine Erwachsenen reingehen. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass über 90 % der Kinder, die ich im Westen im Kino traf, Kästner nicht kannten."

Sie engagieren sich für Ihren Film auch nach der Premiere, gehen in die Kinos, reden mit den Kindern ...
"... ich gebe auch Interviews im Radio und Fernsehen vor Ort. Der Film ist praktisch auf die Beine gekommen durch Mundpropaganda. Wenn ich dort war, war immer ausverkauft, tolle Stimmung, die Reporter kamen, wollten mit mir sprechen, doch ich sagte denen, sie sollen mit den Kindern sprechen, die aus dem Kino kommen."

Und wie gefällt Ihnen dieser Film?
"Mir gefällt der Film auch, ich bin da ganz ehrlich. Es ist richtig mein Film. Hinzu kommt, dass für Kinder kaum was gemacht wird. Wenn ich mit meinen Kindern ins Kino gehen will, müssen wir schon lange suchen."

Gab es Zwänge bei der Produktion, Dinge, die Sie machen mussten und lieber gelassen hätten oder umgekehrt?
"Es gab drei Co-Partner. Man muss die Meinungen anderer mit berücksichtigen – ich bin ja kein streitsüchtiger Mensch."

Es gab Szenenfotos – der Vater (Heiner Lauterbach) als erfolgreicher Komponist auf der Bühne und Charlie und Louise lächelnd in der Loge mit ihrer Mutter – wo sind diese Filmszenen geblieben?
"Diese Szenen waren ursprünglich das Ende des Films, es gab bereits 40 Kopien, alles war gemischt. Dann haben wir Previews mit Kindern und Erwachsenen veranstaltet. Sie sollten die Noten 1-6 geben, der Notendurchschnitt war 1,26 und auf die Frage, was hat euch nicht gefallen und warum, kam immer wieder die letzte Szene im Musicaltheater, weil die Szene auf dem Bahnhof als das bessere Ende empfunden wurde. So entschlossen wir uns, zu schneiden. Es war überhaupt kein Kampf, ich war die treibende Kraft, obwohl diese Szene unser teuerster Drehtag war. Ich habe es mir lange überlegt und bin zu dem Schluss gekommen, dass die Kinder Recht haben, weil die Emotionen am stärksten sind, wo die vier am Bahnsteig zusammen sind."

Wie in letzter Zeit oft, wurde man auch bei "Charlie & Louise" mit einem Song aus dem Kino begleitet. Musste das sein?
"Die Premierenkopie hatte eine wunderschöne orchestrale Musik am Schluss. Doch der Bavaria-Musikverlag hat dann den Song produziert und damit viel für den Film getan, kostenlose Werbung, die auch im Radio zu hören ist."

Haben Sie sich um Ihre vorigen Filme ebenso gekümmert wie jetzt um "Charlie & Louise"?
"Ja, denn es ist mir nicht egal, was mit dem fertigen Film passiert. Wenn er dann irgendwo in die Ecke abgedrängt wird und man ist überzeugt, dass er schön geworden ist, ist das doch schade. Zum Beispiel in Berlin in einem Schachtelkino: die üblichen amerikanischen Filme mit riesengroßen Plakatwänden und ganz hinten – Pappkartons standen noch davor – unser Plakat von 'Charlie & Louise'. So pflegt man den deutschen Film! Aber das sind Ausnahmen, das muss ich dazu sagen. Ich habe guten Kontakt zu den Kinobesitzern, auch in der Provinz. Ich war natürlich auch bei der 80-jährigen Maria Stadler in Endorf, das Kino war ausverkauft. Sie ist eine tolle Frau, sie kämpft wie viele Kinobesitzer auf dem Land."

Wie erfolgreich liefen Ihre vorhergehenden drei Kinofilme
"'Herbstmilch' hatte in Deutschland 2,8 Millionen Zuschauer, wurde in 15 Länder verkauft, 'Rama Dama' 1,8 Millionen, vorwiegend in Süddeutschland, 'Stalingrad' hatte 1,5 Millionen Zuschauer bei uns und wurde in 38 Länder verkauft."

Und "Charlie & Louise"?
"Alle Rechte sind noch bei uns. Wir hatten bisher noch gar keine Zeit, uns darum zu kümmern, werden nach Cannes fahren und zu Weihnachten vielleicht schon die Videokassette herausbringen."

Wie gefällt Ihren eigenen Kindern der Film?
"Janina, die im September acht wird, hat ihn neunmal gesehen, und Theresa, im Juni fünf, gerade elfmal. Sie sieht ihn auch deshalb so gern, weil sie mitspielt, und zwar ist sie das kleine Mädchen in dem eingeblendeten Werbefilm. Die zweijährige Josefina spielt übrigens auch mit, als Zwilling in der Rückblende."

Und wie waren die Reaktionen der Kästner-Familie und des Nachlassverwalters?
"Wir trafen uns bei der Welturaufführung im Münchner Sendlinger-Tor-Filmtheater, Kästner-Sohn, Kästner-Enkel und Dr. Konstantin. Alle waren begeistert. Hinterher beim Essen im Augustiner sagte Kästners Sohn: 'Wenn Erich noch leben würde, hätte er auch die Rolle der Frau umgedreht.'"

Haben die Zwillinge Fritzi und Floriane Eichhorn Szenen beeinflusst?
"Manche Dialoge konnten sie nicht sprechen. Wir fragten sie, wie würdet Ihr das sagen, und so sagten sie's dann, das hat gut funktioniert. Wir besprachen die Szenen vorher ein wenig und drehten die Proben gleich mit, um die Spontaneität zu erhalten, nicht wie sonst üblich, fünf bis sechsmal probieren und dann erst drehen. Trotzdem war unser Drehverhältnis nur 1:10."

Der Schluss ist hektisch, die Kinder verschwinden durchs offene Fenster. Am Abend war die ganze Familie noch in Hamburg, in der Nacht kommt's zum dramatischen Geschehen bei Blitz und Donner auf dem schottischen Leuchtturm.
"Ja, das geht schnell und ohne Übergang. Aber die Kinder hatten null Einwände, sie sind die krassen Schnitte von der Werbung gewöhnt. Wir hatten extra danach bei den Previews gefragt: Sind die Schnitte zu langsam oder zu schnell? Die Antwort war: Die Schnitte sind genau richtig. Wir verteilten insgesamt 500 Fragebögen mit 50 Fragen zum Film."

Die Kinder haben offensichtlich bei diesem Film das Sagen ...
"Ja, für Kinder mache ich alles. Freunde sagten mir, ganz schön mutig, dass du einen Film drehst ohne action, wo nicht mal geschossen wird. Aber Kinder können auch anders. Ich hab's immer wieder erlebt im Kino, wie sie mit Spannung den Film verfolgt haben. Unruhe hat sich nicht breitgemacht, und das ist ein gutes Zeichen."

Wie waren die Kritiken?
"Es gab viele gute Kritiken von Kritikern, die alle den alten Kästner-Film von Josef von Baky kennen, und das hat mich besonders gefreut. Ich bekam gerade von der Zeitschrift Stern den "Stern der Woche". Nur eine Kritik war absolut haarsträubend, so etwas trifft mich grundsätzlich nicht, aber ich merke mir das, ich speichere schlechte Kritiken, denke darüber nach, denke auch, schade, dass man sich nicht mit dem Rezensenten darüber auseinander setzen kann. Aber bisher habe ich meistens alle erwischt ..."

Mit Joseph Vilsmaier sprachen Gudrun Lukasz-Aden und Christel Strobel

 

Bundesverband Jugend und Film e.V.Die Entscheidung für den Filmschluss fiel in den Previews – nicht am Schneidetisch im Katalog der BJF-Clubfilmothek unseres Online-Partners Bundesverband Jugend und Film e.V.

 

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