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Ausgabe 97-1/2004

25 KINDER UND EIN VATER

25 KIDS AND ONE DAD

Produktion: Beijing Oriental Time and Culture Communication Ltd. / Shanxi Film Studio; China 2002 – Regie und Buch: Huang Hong – Kamera: Wang Xiaolie – Schnitt: Zhou Xinxia – Musik: Zou Ye – Darsteller: Huang Hong (Zhao Guang), Li Lin (Liu Guiqing), Lei Kesheng (Dorfvorsteher), Siqin Gaowa (Tante Lin), Huang Zhaohan (NiuNiu), Yu Lan (Großmutter) u. a. – Länge: 90 Min. – Farbe – Weltvertrieb: BV International Pictures AS, e-mail: Eli@bvscandinavia.com – Altersempfehlung: ab 6 J.

Der Hühnerfarmer Zhao Guang, mit seiner Hühnerzucht zu Geld gekommen, verkündet im Fernsehen vollmundig, dass er allen Waisen ein Vater sein will. Prompt tauchen scharenweise verwaiste oder von ihren armen Familien fortgeschickte Kinder auf, um künftig bei ihrem "Papa" zu leben. Die Dorfbewohner verweigern dem "Großmaul Zhao" ihre Hilfe. Auch Zhao Guangs junge Verlobte Liu Guiqing stellt ihn vor die Wahl: Entweder sie oder die Kinder. Selber als Vollwaise aufgewachsen, will Zhao die 25 Kinder nicht im Stich lassen.

Den nicht unproblematischen Alltag organisiert Zhao einfallsreich mit Trillerpfeife und militärischer Disziplin. Nur für die schulische Unterrichtung der Kinder kann er nicht selbst sorgen und bittet die städtische Schulleitung um Unterstützung. Als die missgünstige Nachbarin das Essen für die Kinder verdirbt, wird die Lage kritisch: Die Kinder erkranken an Lebensmittelvergiftung, der Kleinste so schwer, dass eine Operation notwendig wird. Um diese finanzieren zu können, muss Zhao seine Farm verkaufen. Die Kinder sind derweil auf sich allein gestellt. Um nicht zu verhungern, erschwindeln sie sich mit einer List Vorräte von den Dorfbewohnern. Zhao und Guiqing, endlich versöhnt, kehren mit dem genesenen Jungen ins Dorf zurück. Und sie bringen zur Freude der Kinder eine Lehrerin mit, die sich fortan um ihren Unterricht kümmern wird.

In ausdrucksstarken Bildern erzählt "25 Kinder und ein Vater" die Geschichte des einfachen, großherzigen Hühnerzüchters Zhao, der einer Gruppe von (Waisen-)Kindern ein Zuhause gibt, gegen alle Widerstände seiner Umgebung. Ihr Alltag in der chinesischen Provinz ist geprägt von existenziellen Themen wie Hunger, Krankheit und Armut; Schulbildung ist ein seltenes, kostbares Gut. Vor allem aber wird vom Wert der Gemeinschaft erzählt, die schwierige und ausweglose Schicksale des einzelnen aufzufangen und abzuwenden vermag. Die Kinder erfahren in ihrer Ersatzfamilie fürsorglichen Zusammenhalt, viele von ihnen zum ersten Mal im Leben. In der Gemeinschaft untereinander entwickeln die Kinder dadurch zunehmend Selbstbewusstsein und Eigeninitiative und beweisen zuletzt einfallsreich Überlebensfähigkeit. Eine weitere Form von Gemeinschaft wird auch im Dorf unter seinen Bewohnern, mit Dorfvorsteher und Rat, gelebt. Jene lernen ebenfalls dazu. Lassen sie es zunächst an Hilfsbereitschaft bei der Versorgung der Kinder fehlen, erkennen sie am Schluss durch die List der Kinder, dass sie viel zu geben haben.

Regisseur Huang Hong, ein in China bekannter und beliebter Komiker, macht Schlichtheit zum Prinzip seines gelungenen Spielfilmdebüts. Er selbst spielt den gutmütigen Hühnerzüchter Zhao als ein großes Kind mit einem unermesslich großen Herzen, voller fröhlicher Zuversicht, das Leben improvisieren zu können. Sorgen setzen Zhao genauso unmittelbar zu, wie er sich an einfachen Dingen und den Späßen der Kinder erfreuen kann. In seiner naiven, unverfälschten Art ist er einer von ihnen, zumal er ihr Waisenschicksal teilt. Damit ist er nicht nur den Kindern viel näher als den erwachsenen Dorfbewohnern, denen ihr eigenes Auskommen zunächst wichtiger ist als praktizierte Nächstenliebe, er bietet sich den jungen Zuschauern auch als Identifikationsfigur an.

Schlicht und teilweise symbolträchtig ist die Bildersprache, die keiner weiteren "Übersetzung" bedarf und sich damit auch jüngeren Kindern erschließt. Der Humor funktioniert auf dieselbe unvermittelte Weise. Slapstick und Situationskomik vermögen die ernste Thematik aufzulockern. Dazu gehört auch das militärische Element – die "Abrichtung" der Kinderschar (und Hühner) per Trillerpfeife oder ihre Militärparade vor den Schulabsolventinnen – frei von jeglicher Ideologie.

Schwierig hingegen gestaltet sich das westlicher Sehgewohnheit fremde Massenphänomen: Bis auf wenige Ausnahmen wird das Schicksal der Waisenkinder nur als Gruppenschicksal geschildert – das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Hinzu kommen neunzig Minuten Filmlänge und ein mitunter etwas fehl am Platz wirkender, hektischer Schnitt; bleibt es zudem bei dem deutsch eingesprochenen Text, ist die Konzentrationsfähigkeit vor allem jüngerer Kinder schnell überfordert. Für ältere Kinder (ca. ab acht Jahren) bietet der Film jedoch eine seltene und unterhaltsame Gelegenheit, sich mit einem fremden Kinderalltag auseinander zu setzen.

"25 Kinder und ein Vater" preist den Zusammenhalt einer funktionierenden Gemeinschaft, deren Mitglieder einander unterstützen. Solidarität mit den Schwächeren und "Gemeinsam sind wir stark", so lauten die universell gültigen Botschaften dieses wunderbar humorvollen Films.

Ulrike Seyffarth

Zu diesem Film siehe auch:
KJK 96-1/2003 - Hintergrund - "25 Kinder und ein Vater"
KJK 96-1/2003 - Kinder-Film-Kritik - 25 Kinder und ein Vater

 

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