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Ausgabe 101-1/2005

AUS DER TIEFE DES RAUMES

Produktion: schlicht & ergreifend / d.i.e. Film / ZDF (Das kleine Fernsehspiel); Deutschland 2004 – Regie und Buch: Gil Mehmert – Kamera: Bella Halben – Schnitt: Bernd Schlegel – Musik: Alex Haas – Darsteller: Arndt Schwering-Sohnrey (Hans Günter), Eckhard Preuß (Kicker Günter), Mira Bartuschek (Marion), Sandra S. Leonhard (Hannelore), Christoph Maria Herbst (Trainer) u. a. – Länge: 88 Min. – Farbe – FSK: o. A. – FBW: besonders wertvoll Verleih: timebandits – Altersempfehlung: ab 12 J.

Irgendwann in den 60ern. Irgendwo in einer bieder-braven Kleinstadt im Rheinischen. Hans Günter, schlaksig, bebrillt und Mitte 20, hat eine große Passion in seinem sonst so sehr ruhigen Leben: Er spielt Tischfußball, Tipp Kick. Und eines schönen Tages steht ein Turnier an, es geht um die deutsche Meisterschaft. Dabei lernt er die gleichaltrige Marion kennen, die mit ihrer Freundin dort ist, um zu fotografieren – und landen, obwohl er ja die Unbeholfenheit in Person ist, schließlich in Marions Wohnung. Während die Auf-den-ersten-Blick-Verliebten sich näher kommen, braut sich in Marions Badewanne im wahrsten Sinne des Wortes etwas zusammen. Denn in die Wanne, die mit einigen Fotochemikalien gefüllt ist, kippt Hans Günters Tipp-Kick-Figur Nummer 10, die erst zu wachsen und dann ihr Eigenleben zu führen beginnt. So wird Günter geboren. Und Günter, der mit den langen wehenden Haaren, er soll einmal ein Fußballstar im Deutschland der 70er-Jahre werden – und im Jahr 2004 seinen 60. feiern können ...

Einen realen Fußballstar als Helden eines absurd-abstrus-absonderlichen Märchens zu machen, wie er von der artifiziellen Tipp-Kick-Figur zum Menschen aus Fleisch und Blut wird – das muss einem erst einmal einfallen. Dem Theaterregisseur Gil Mehmert (39) ist es eingefallen und so zeichnet er denn auch bei seinem gelungenen Langfilmdebüt "Aus der Tiefe des Raumes" für Regie und Drehbuch verantwortlich. Herausgekommen ist eine wunderbare, humorvolle, märchenhafte Groteske, die zudem eine Liebesgeschichte erzählt. Gil Mehmert gelingt es in seinem Leinwand-Erstling, mehrere Geschichten zu erzählen und dabei stets die dramaturgischen Fäden beisammen zu halten: Private Liebesgeschichte. Bundesrepublikanische Fußballgeschichte. Einzelbiografie. Dabei wirkt das eine in das andere hinein und niemals stört etwas, niemals bekommt etwas eine falsche Gewichtung, alles geht ineinander auf. Das spricht für ein starkes Drehbuch.

Die völlig groteske Menschwerdung der Tipp-Kick-Figur Nummer 10, sie geht mit der sehr naiv-anrührenden, liebenswerten Verbindung zwischen Marion und Hans Günter einher. Ein unschuldigeres Paar kann man sich wohl kaum auf der Kinoleinwand vorstellen. Und auf einmal muss sich Hans Günter eben auch noch um Günter kümmern, diesem großen Jungen in Mannesgestalt, und ihm die Welt und die Dinge des Lebens erklären. Den Darstellern glaubt man allesamt ihr Spiel, sowohl Eckhard Preuß als Günter, als auch Arndt Schwering-Sohnrey und Mira Bartuschek als frisch verliebtes Paar. Das Schöne bei alledem ist, dass diese so völlig unglaubwürdige Geschichte so leicht und schwungvoll daher kommt, so wenig gewollt wirkt, so wenig bemüht. Daraus entwickelt dieser kleine Film seine Kraft, entsteht seine Wirkung – sein Zauber eben.

Thilo Wydra

Zu diesem Film siehe auch:
KJK 101-1/2005 - Interview - "Wir haben unter den gegebenen Möglichkeiten das Optimale herausgequetscht"

 

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Ausgabe 101-1/2005

 

Inhalt der Print-Ausgabe 101-1/2005|

Filmbesprechungen

AUS DER TIEFE DES RAUMES| BIN ICH SEXY?| DER FAKIR| FELIX – EIN HASE AUF WELTREISE| FIA!| GROSSE HAIE, KLEINE FISCHE| HEFFALUMP – EIN NEUER FREUND FÜR WINNIE PUUH| IN 80 TAGEN UM DIE WELT| MALABAR PRINCESS| NAPOLA – ELITE FÜR DEN FÜHRER| NORTHERN STAR| NUSSKNACKER UND MÄUSEKÖNIG| DER POLAREXPRESS| SERGEANT PEPPER| SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN TAGE| STATUS YO!| TERKEL IN TROUBLE| DIE WILDEN KERLE 2|

Interviews

Hoffmann, Katrin - "Man muss nicht so tun, als würden Kinder bestimmte Dinge nicht verstehen"| Kvamme, Elsa - "Für Kinder darf diese Geschichte nicht tragisch enden"| Legrand, Gilles - "Generell glaube ich an ein Kino der Gefühle und nicht an eins des überwältigenden Spektakels"| Mehmert, Gil - "Wir haben unter den gegebenen Möglichkeiten das Optimale herausgequetscht"|

Hintergrundartikel

"Der Dolch des Batu Khan"|


KJK-Ausgabe 101/2005

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