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Ausgabe 108-4/2006

PAULAS GEHEIMNIS

PAULAS GEHEIMNIS

Produktion: Filmautoren AG / element e filmproduktion GmbH / ZDF; Deutschland 2006 – Regie und Buch: Gernot Krää – Kamera: Eeva Fleig – Schnitt: Sören Görth – Musik: Dirk Reichardt, Stefan Hansen, Max Berghaus – Darsteller: Thelma Heintzelmann (Paula), Paul Vincent de Wall (Tobi), Jürgen Vogel, Constanze Spranger, Alberto Berisa, Jülie Girisken u. a. – Länge: 95 Min. – Farbe – FSK: ab 6 – Weltvertrieb: Filmautoren AG, e-mail: info@filmautoren-ag.de – Altersempfehlung: ab 8 J.

Ihrem Tagebuch vertraut die elfjährige Paula, die in einem wohlhabenden Elternhaus mit italienischer Haushälterin aufwächst, ihre intimsten Geheimnisse an. Niemand darf erfahren, dass sie von einem Prinzen träumt, der sie in einer Kutsche abholt und im Gegensatz zu ihren gestressten Eltern genügend Zeit für sie aufbringt. Umso tiefer sitzt der Schock, als ihr in der U-Bahn neben ihrem Handy dieses Tagebuch aus der Rucksacktasche gestohlen wird. Ihr Klassenkamerad Tobi, der schon länger ein Auge auf Paula geworfen hat, beobachtete den Diebstahl aus dem Nachbarwaggon. Wie sich später herausstellen wird, war es ein Geschwisterpaar aus Rumänien, das vom brutalen Chef einer organisierten Diebesbande zu diesen Taten gezwungen wurde.

Tobi lebt mit seinen Eltern und der jüngeren Schwester in weitaus einfacheren Verhältnissen als Paula. Er ist zudem ungehobelt und faul und trotz eines verständnisvollen Lehrers so schlecht in Englisch, dass er die Klasse nur bestehen wird, wenn er in den gerade beginnenden Sommerferien eine Nachprüfung erfolgreich ablegt. Eigentlich hätte er unter all diesen Voraussetzungen kaum eine Chance bei Paula. Jetzt aber weiß er die Gunst der Stunde zu nutzen. Er will ihr helfen, die Diebe zu finden und das Buch wieder zu bekommen, wenn sie ihn dafür bei der Vorbereitung auf die Prüfung unterstützt. Doch vorher haben sie ein anderes Problem zu lösen. Tobis Eltern sind ohne ihre beiden Kinder in Urlaub gefahren und Paulas Eltern haben ihre Tochter auf einem Ferienhof auf Sylt angemeldet. So reist also Tobis Schwester an Paulas statt ans Meer und erfüllt sich damit einen Traum. Mit kriminalistischem Gespür und nicht ganz ohne Reibereien untereinander machen Paula und Tobi die Diebesbande ausfindig. Es gelingt ihnen am Ende sogar, die Geschwister aus den Fängen ihres Chefs zu befreien. Paula bekommt zwar ihr Tagebuch wieder, aber das ist ihr gar nicht mehr so wichtig, denn sie hat nun in Tobi einen echten Freund gefunden.

14 Jahre nach seinem Erfolg "Die Distel" konnte Gernot Krää nach einer eigenen Idee einen weiteren Kinderkrimi realisieren, in dem Kinder aus drei verschiedenen sozialen Schichten die Handlung vorantreiben. Das geht zwar nicht ohne Klischees, funktioniert aber gut bei Paula und Tobi, die weniger ihrer unterschiedlichen sozialen Herkunft wegen in Streit geraten, sondern vor allem wegen ihrer humorvoll in Szene gesetzten Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht. So findet Tobi seine Klassenkameradin zickig und Paula regt sich über seine schlechten Manieren auf, ekelt sich einmal gar vor ihm. Im Vergleich zu ihnen, die über liebende, wenn auch nur selten gesprächsbereite Eltern verfügen, deutet der Film mit dem Geschwisterpaar aus Rumänien an, dass die soziale Realität von Kindern und ihre Ausbeutung durch Erwachsene ganz anders aussehen können.

Dieser Handlungsstrang wirkt leider etwas schwach, nicht etwa, weil die Kinder schlechter spielen würden, sondern weil sie in ihren Rollen rein plakativ wirken, also in ihrer Gefühlswelt nicht wirklich ernst genommen werden. Ansatzweise erklärt der Film wenigstens noch, warum sie in Deutschland nicht einfach fliehen oder sich an die Polizei wenden, aber wenn sie sich auf dem Schiff in Hamburg ganz regulär ihre Tickets kaufen und nach Großbritannien einreisen können, muss das jedem Zuschauer aufstoßen, dem beispielsweise Michael Winterbottoms Film "In this World" in Erinnerung geblieben ist. Ein Kinderfilm muss und darf selbstverständlich nicht alles zeigen, aber er sollte die soziale Realität auch nicht so stark verbiegen, dass sie zur Lüge wird.

Zum Glück werden manche Schwächen des Drehbuchs, die ähnlich für die Urlaubsreise der Eltern gelten, wenn sie ihre minderjährigen Kinder für zwei Wochen alleine lassen, durch viele Stärken des Films wettgemacht. Da ist zum einen die behutsame Annäherung zwischen Paula und Tobi, die in ihrer sozialen Realität wie in ihrer Traumwelt (Tobi möchte später einmal Astronaut werden) tatsächlich ernst genommen werden, selbst wenn Paulas Traumszenen arg kitschig geraten sind.

Dazu zählt die insgesamt flotte und spannende Inszenierung mit vielen liebevoll eingestreuten Details vom allgegenwärtigen blinden Akkordeonspieler bis zum sympathischen Superlehrer, der sich dennoch pädagogisch herrlich unkorrekt in Gegenwart seines Schülers eine Zigarette dreht. Wunderbar gelungen ist auch die Nebenhandlung mit Tobis Schwester auf Sylt, die mit ihrer unverstellten und direkten Art bei den eitlen Töchtern aus gutem Hause aneckt und zu verzweifeln droht, dann aber doch noch einen Traumurlaub geschenkt bekommt. Als Verwechslungskomödie inszeniert, lockern diese Szenen zugleich die Krimihandlung in einer Parallelmontage auf. Nicht zuletzt dank seiner überzeugenden und bereits bühnenerfahrenen Hauptdarsteller mit ihren lebensecht wirkenden Dialogen und Reaktionen ist "Paulas Geheimnis" ein unterhaltsamer Film, den man sich nicht entgehen lassen sollte.

Holger Twele

Zu diesem Film siehe auch:
KJK 113-4/2008 - Interview - "Nur selten finde ich einen Film, den ich ins Kino bringen will"
KJK 108-4/2006 - Interview - Interview mit Gernot Krää zu "Paulas Geheimnis"

 

Bundesverband Jugend und Film e.V.PAULAS GEHEIMNIS im Katalog der BJF-Clubfilmothek unseres Online-Partners Bundesverband Jugend und Film e.V.

 

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Interviews

Krää , Gernot - Interview mit Gernot Krää zu "Paulas Geheimnis"| Palombo, Joel - "Ich möchte ein Kino, das zum Fragen herausfordert"| Proskar, Danielle - "Mit Kindern zu drehen ist sehr bereichernd – ein ständiger Sonnenschein am Set"| Rosslenbroich, Gabriele - "Wir sind überzeugt, dass man Kindern das Medium Film im Kino näher bringen muss"| Schardt, Andreas - "Für viele ist die Förderung durch das Kuratorium so etwas wie ein Gütesiegel"| Schwochow, Christian und Matthias Adler - "Man wacht morgens auf und dann ist eine Figur da – und die hieß ganz schnell Marta"| Stacke, Manuela und Katrin Milhahn - "Es gibt nicht viele Filme, die Kinder noch interessieren und trotzdem auch schön sind für Erwachsene" |


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