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Ausgabe 108-4/2006

VITUS

Produktion: VITUSFILM, in Zusammenarbeit mit Hugofilm & FMM / Koproduktion mit SRG SSR Idée Suisse, Schweizer Fernsehen, ARTE, Teleclub; Schweiz 2006 – Regie: Fredi M. Murer – Buch: Peter Luisi, Fredi M. Murer, Lukas B. Suter – Kamera: Pio Corradi – Schnitt: Myriam Flury – Musik: Mario Beretta – Darsteller: Fabrizio Borsani (Vitus, 6 J.), Teo Gheorghiu (Vitus 12 J.), Julika Jenkins (Mutter), Urs Jucker (Vater), Bruno Ganz (Großvater) – Länge: 120 Min.-Farbe – Verleih: Schwarz/Weiß Filmverleih – Altersempfehlung: ab 6 J.

Wir steigen zu Schumanns Klavierkonzert in einem kleinen Flugzeug – einem Pilatus-Porter – in die Lüfte empor, am Steuerknüppel unerlaubterweise der zwölfjährige Vitus. Diese Szene bildet den Rahmen für die Geschichte: Zwei Stunden später landen wir wieder sicher und wohlbehalten nach einem außergewöhnlichen Film über ein außergewöhnliches Kind. Es gibt nicht viele Regisseure, die sich des Themas Hochbegabung aus der Sicht des talentierten Kindes nähern und das mit so viel Humor und Verständnis, wie es Fredi M. Murer in seinem "Vitus" gelingt!

Rückblende vom Propellerflieger zum Modellflugzeug in einer Schreinerwerkstatt – hier arbeitet Vitus' Opa (Bruno Ganz) und auf der Werkbank sitzt Vitus als Sechsjähriger. Zunächst begleiten wir also das Kindergartenkind Vitus, das die Erzieherin auf die Palme bringt, weil es sie Obelix nennt und dauernd Schach spielt. Die Eltern wollen nur zögernd an die Besonderheit ihres Filius glauben, schließlich aber tun sie es mit Verve, die Mutter kündigt ihren Job und ist ab jetzt ausschließlich für die Pianistenkarriere ihres Sohnes da.

Erneute Blende nach einem Drittel des Films vom kleinen zum jugendlichen Vitus: Jetzt mit 12 Jahren (kurz vor dem Abitur!) ist Vitus ein arroganter Schnösel, leidet unter seiner Genialität und schlau wie er ist, findet er einen raffinierten Ausweg, seiner Vorbestimmung zu entfliehen. Der Opa ist ihm ein charmanter Verbündeter und steht Vitus mit Witz, Phantasie und sinnigen Alltagssprüchen zur Seite. Hier darf er sein wie er ist, zu ihm flüchtet sich Vitus immer häufiger, wenn er wieder einmal an der Welt und an seiner Mutter verzweifelt.

Murer hat für seinen Hauptdarsteller tatsächlich einen jungen Klaviervirtuosen gefunden und so gelingt dem Film die authentische Charakterisierung eines in vieler Hinsicht ganz besonderen Kindes. Die Grundstimmung des Films wird ganz wesentlich von der Musik geprägt und rhythmisiert, indem sie bemerkenswerter Weise nur sehr zurückhaltend eingesetzt wird. Vornehmlich klassische Musik, die Vitus liebt und seine Emotionen ausdrückt wie Bach, Scarlatti, Liszt und Schumann, die für den Jungen einerseits eine Last, andererseits aber seine Berufung ist. Wir sehen Vitus beim Üben zu und die jeweiligen Klavierstücke tragen noch die nächsten Bilder und lassen den Zuschauer zu einem Verbündeten des jungen Helden werden. Dessen trotziger Ausruf: "Ich will Tierarzt werden!" ist der halbherzige Versuch, seiner Vorsehung als Pianist zu entgehen. Wenn Vitus mit seinem Freund Fahrrad fährt, hört man abwechselnd und sich zeitweilig überschneidend die Rockmusik und die klassische Musik der beiden Jungs. Es macht Vitus Konflikt sinnfällig: einerseits ein normales Leben führen zu wollen, andererseits seinem Genie nicht entgehen zu können.

Trotz einer Länge von zwei Stunden ist "Vitus" ein sehr kurzweiliger, sehr poetischer Film, den man sich am besten mit der gesamten Familie anschaut!

Katrin Hoffmann

Zu diesem Film siehe auch:
KJK 109-4/2007 - Interview - "Kinder haben noch immer Hunger auf Märchen"

 

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Ausgabe 108-4/2006

 

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