Zum Inhalt springen

Ausgabe 110-2/2007

"Wir wollten einfach nur einen guten Film machen, der Kindern gefällt"

Gespräch mit den Regisseuren Janno Pöldma und Heiki Ernits zu ihrem Film "Lotte im Dorf der Erfinder"

(Interview zum Film LOTTE IM DORF DER ERFINDER)

Heiki Ernits, geboren 1953 in Talinn, absolvierte nach dem Studium der Kunstpädagogik mehrere Regieseminare in Moskau, arbeitete als Kunstlehrer, Fotograf, Artdirector und Regisseur, lebt jetzt als freischaffender Künstler in der Hauptstadt Estlands. Janno Pöldma, geboren 1950 in Talinn, arbeitet seit 1973 beim Talinnfilm Studio und gab 1991 mit einem Puppenanimationsfilm sein Regiedebüt. Ihre gemeinsame Filmografie weist bisher fünf Animationsfilme auf.

KJK: Sie zeichnen beide für die Regie an diesem Film verantwortlich. Wie haben Sie zusammengearbeitet?
Janno Pöldma: "Gewöhnlich bereden und diskutieren wir stundenlang alles gemeinsam, schreiben es auf und reden dann erneut darüber. Das ist wie eine Art künstlerische Buchhaltung. Natürlich teilen wir uns die Arbeit auf. Heiki ist künstlerisch vor allem für die Zeichnungen verantwortlich. Das ist trotz der Unterstützung durch einige Mitarbeiter sehr zeitaufwändig. Ich bin dagegen mehr mit dem filmischen Herstellungsprozess befasst. Wir geben uns aber ein tägliches Feedback.Heiki Ernits: "Wir sind sehr gut miteinander befreundet, sprechen dieselbe Sprache, haben den gleichen Humor und denken über vieles im Leben gleich. Das alles hilft uns sehr bei der Zusammenarbeit. Janno ist auch für die Arbeit mit den Schauspielern, also für die Vertonung zuständig. Wir suchen zwar gemeinsam die 'Stimmen' aus, aber die Arbeit im Studio ist Jannos Sache. Ich kümmere mich unterdessen um die Bildhintergründe, die meine ständige Präsenz erfordern."

Wie kam es, dass ein Hundemädchen und ein Katzenjunge zu besten Freunden wurden?
Pöldma: "Das ist eine etwas längere Geschichte. Als wir unseren letzten Film 'Tom & Fluffy' (2000) beendeten, machte der Verleih den Vorschlag, diese Geschichte fortzuführen, weil sie sehr erfolgreich war. Die Fernsehserie wurde weltweit etwa in 25 Länder verkauft. So machten wir uns also Gedanken darüber, wer der Held in unserem nächsten Film sein sollte und natürlich dachten wir zuerst an einen Jungen. Aber dann fanden wir, wenn wir stattdessen ein Hundemädchen als Hauptfigur nehmen, haben wir mehr Wahlmöglichkeiten bei der Gestaltung ihres Charakters. Ein Junge muss vor allem mutig und stark sein, ein Mädchen darf das auch, aber eben noch etwas anderes, und so entschieden wir uns für ein Mädchen. Wenn Lotte einen guten Freund braucht und der genauso stark wie Lotte ist, würde die Geschichte nicht mehr stimmen. Deshalb haben wir den Jungen etwas schüchterner gezeichnet und später auch eine Begründung dafür entwickelt: Sein Vater ist von zu Hause verschwunden und seine Mutter bestraft ihn dafür, indem sie ihm wenig Handlungsspielraum lässt. Alles hat also einen konkreten Grund, warum es so und nicht anders gemacht wurde."

Wie reagiert denn das junge Publikum auf Lotte?
Ernits: "Sie ist der Leim, der alle Teile zusammenhält und sie hilft ihren Freunden."
Pöldma: "Lotte ist in Estland sehr bekannt und beliebt. Wir konnten sie daher im Film auch nicht anders oder unvollkommen darstellen. Lotte ist einfach Lotte. Viele Kinder möchten so sein wie sie."

Ist das Dorf der Erfinder mehr ein Spiegel der Gesellschaft oder die Utopie einer besseren Gesellschaft?
Ernits: "Es ist schon eher das Bild einer idealen Gesellschaft, in der verschiedene Nationalitäten zusammenleben. Das wird zwar nicht deutlich gezeigt, dennoch hoffen wir, dass es ein idealistisches Modell der Welt ist."
Pöldma: "Wir wollten mit dem Dorf einen Ort entwerfen, an dem viele Menschen gerne leben. Das waren unsere erklärte Absicht und unser Wunsch. Vor allem Heiki entwarf hierzu viele liebevolle Details, die zu diesem Eindruck beitragen."

In Estland war der Film ein richtiger Blockbuster. Wie viele Zuschauer hatte er denn?
Pöldma: "Mit 56.000 Zuschauern war er erfolgreicher als der letzte James Bond-Film."
Ernits: "Für einen Animationsfilms ist das wirklich ein sehr gutes Ergebnis. Aber das lag auch daran, dass die Kinder bei uns alle gerne Filme sehen, die aus dem eigenen Land kommen, das ist wie bei einem selbst gebackenen Kuchen, der schmeckt einfach besser."

Haben Sie den Film nur für Kinder oder gleichermaßen für Erwachsene gemacht?
Pöldma: "Wir haben einfach nur versucht, den Film so gut wie möglich zu machen. Dabei denken wir nicht darüber nach, ob der Film mehr für Kinder oder für Erwachsene gut sein soll. Natürlich ist der Film für Kinder, aber das ist eher wie bei einem Spiel. Wir versuchen, es auch für die Erwachsenen interessant zu gestalten. Wenn Kinder sich diesen Film ansehen, gehen sie normalerweise mit ihren Eltern oder Großeltern ins Kino. Die Frage ist also wirklich schwer zu beantworten, wir haben einfach nur unser Bestes getan."

Sie arbeiteten vier Jahre an diesem Film. Ist es heute schwieriger für eine solche Produktion in Estland geworden?
Ernits: "Ganz und gar nicht, denn die Technik ist sehr gut und die Ausrüstung hat ein hohes Niveau. Wir können alle Zeichnungen in hoher Qualität herstellen. Es dauert nur deshalb so lange, weil wir in einem sehr kleinen Team arbeiten, ich habe für die Anfertigung der vielen Hintergrundzeichnungen nur drei Mitarbeiter und dann dauert das eben dreieinhalb Jahr für den Film selbst und noch einmal ein halbes Jahr für Nacharbeiten und Werbung."
Pöldma: "Die Finanzierung war sogar leichter als früher, denn Estland ist nun Mitglied in der Europäischen Union und kann damit auf verschiedene Fördertöpfe zugreifen. Unser Film wurde sowohl vom Programm Media plus als auch von Eurimages gefördert. Ich weiß zwar nicht, wie es in Zukunft aussieht, aber diesmal war es verhältnismäßig leicht, das Budget zusammenzubekommen, und damit hatten wir nicht gerechnet."
Ernits: "Es ist ein wirklich unabhängig produzierter Film und wir hatten freie Hand beim Arbeiten. Niemand sagte uns, wie wir was zu machen hätten, damit sich der Film besser verkaufen lässt. Das war auch nicht unser Ziel, wir wollten einfach nur einen guten Film machen, der Kindern gefällt."

Der Film hat eine sehr persönliche Handschrift. Wie viel Digitaltechnik steckt dahinter?
Ernits: "Das ist leicht zu beantworten, denn alle Innenräume sind in 3D hergestellt. Dennoch wurden alle Zeichnungen mühsam mit der Hand nachbearbeitet. Selbstverständlich nutzten wir alle zur Verfügung stehenden Vervielfältigungstechniken, aber der Film sieht dennoch wie handgemacht aus. Dafür mussten alle Hintergrundbilder eines Raumes per Hand nachbearbeitet werden und das aus allen Blickwinkeln, in denen der Raum zu sehen ist. Viel leichter wäre es gewesen, den Raum vorher vollständig zu entwerfen, die Einzelaufnahmen per Computer vom jeweiligen Standort zu machen und in der Nachbearbeitung nur noch ein wenig Licht oder Schatten hinzuzufügen. Wir haben jedoch alles von Grund auf neu entwickelt und mit vielen arbeitsaufwändigen Details versehen. Kein einziger Hintergrund ist ausschließlich im Computer entstanden."

Denken Sie, diese Produktionsweise hat noch eine Zukunft oder werden bald CGI-Filme den gesamten Markt beherrschen?
Pöldma: "Das ist nicht leicht zu beantworten, denn amerikanische 3D-Filme sind stark im Kommen und sogar die Disney-Studios hörten mit der Produktion von 2D-Animationen auf und machen nun ebenfalls alles in 3D. Wir haben in Estland weder die erforderlichen Fachkräfte noch die Ausrüstung, um alles computergeneriert in 3D zu drehen und selbst wenn wir sie hätten, würden wir alles ein bisschen anders machen."
Ernits: "In erster Linie muss man eine gute Geschichte zu erzählen haben. Viele der kommerziell gedrehten Filme erzählen jedoch fast die gleiche langweilige Geschichte.
Pöldma: "Bei der reinen 3D-Animation wirkt alles überdeutlich und perfekt. Handgemachte Filme haben dagegen alle einen kleinen menschlichen Fehler und das ist gut so. Andernfalls würden sie steril wirken wie diese 3D-Filme, die alle gleich wirken und sich auch inhaltlich sehr ähnlich sind."

Interview: Holger Twele, anlässlich der Berlinale 2007, wo der Film im Wettbewerb der Sektion Generation Kplus lief.

 

Permalink für Verlinkungen zu dieser Seite Dauerhafter, direkter Link zu diesem Beitrag


Filmtitel - "A":

 

AB DURCH DIE HECKE| DIE ABENTEUER DER KLEINEN GIRAFFE ZARAFA| DIE ABENTEUER DES BURATTINO| DIE ABENTEUER DES HUCK FINN| DIE ABENTEUER DES PRINZEN ACHMED| DIE ABENTEUER VON HUCK FINN| DIE ABENTEUER VON PICO UND COLUMBUS| DIE ABENTEUER VON TIM UND STRUPPI – DAS GEHEIMNIS DER EINHORN| ABGEROCKT| ABOUNA| DIE ABRAFAXE – UNTER SCHWARZER FLAGGE| ACHTZEHN – WAGNIS LEBEN| ADIEU PAPA| AFTERSCHOOL| AIR BUD – CHAMPION AUF VIER PFOTEN| ALABAMA MOON| ALADDIN| ALADINS WUNDERLAMPE| ALAN UND NAOMI| ALASKA| ALASKA.DE| DER ALBANER| ALFIE, DER KLEINE WERWOLF| ALI ZAOUA| ALICE IM WUNDERLAND| ALICE IN DEN STÄDTEN| ALIENS IN COLORADO| ALLE KINDER DIESER WELT| ALLEIN IN VIER WÄNDEN| ALLERLEIRAUH| ALLES IST MÖGLICH| ALMOST FAMOUS – FAST BERÜHMT| ALS DER WEIHNACHTSMANN VOM HIMMEL FIEL| ALS GROSSVATER RITA HAYWORTH LIEBTE| ALS HÄTTE ICH DICH GEHÖRT| AM ENDE EINES LANGEN TAGES| AM ENDE EINES VIEL ZU KURZEN TAGES| AM HIMMEL DER TAG| AME & YUKI – DIE WOLFSKINDER| AMY| AMY UND DIE WILDGÄNSE| ANASTASIA| DAS ANDERE UFER| ANDRÉ| ANNA ANNA| ANNA WUNDER| ANNE LIEBT PHILIPP| ANTBOY| ANTON| ANTONIA| DIE ARCHE IN DER WÜSTE| ARIELLE – DIE MEERJUNGFRAU| ARRIETTY – DIE WUNDERSAME WELT DER BORGER| ARTHUR WEIHNACHTSMANN| ASCHENPUTTEL – 1954| ASCHENPUTTEL – 1989| ASCHENPUTTEL – 1922| ASTERIX IN AMERIKA| ASTERIX UND OBELIX GEGEN CÄSAR| ATLANTIS – DAS GEHEIMNIS DER VERLORENEN STADT| ATMEN| ATTENBERG| AUCH SCHILDKRÖTEN KÖNNEN FLIEGEN| AUF DEM KOMETEN| AUF DEM WEG ZUR SCHULE| AUF DER JAGD NACH DEM NIERENSTEIN| AUF IMMER UND EWIG| AUF LEISEN PFOTEN| AUF WIEDERSEHEN KINDER| AUFREGUNG UM WEIHNACHTEN| DAS AUGE DES ADLERS| AUS DER TIEFE DES RAUMES| AUSFLUG IN DEN SCHNEE| DAS AUSGELASSENE TRIO UND DER GEHEIMNISVOLLE MR. X| AUSLANDSTOURNEE| EIN AUSSERIRDISCHER SOMMER| AVIYAS SOMMER| AZUR UND ASMAR|


KJK-Ausgabe 110/2007

PDF-Download Originalausgabe (PDF)

 

Anzeigen:

Einzelne Ausgaben:

Filmtitel nach Alphabet:

Zusatzmaterialien:

Volltext-Suche:

 

 


Sonderausgaben bestellen!