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Ausgabe 117-1/2009

"Wir setzen nicht auf den Lügner und Aufschneider, sondern auf die Schlauheit des kleinen Mannes"

Gespräch mit Regisseur Christian Theede

(Interview zum Film DAS TAPFERE SCHNEIDERLEIN – 2008)

Christian Theede, Jahrgang 1972, begann sein Studium in Tübingen mit Literatur und Theater, um es dann in Dortmund und Köln im Studiengang Film/Fernsehen fortzusetzen. Seine Ausbildung wurde ergänzt durch ein Auslandssemester in Barcelona. Seit dem Abschluss bei Adolf Winkelmann im Jahr 2000 arbeitet Theede als freier Autor, Regisseur und Cutter. Er hat dabei ein breites Spektrum von Formaten bedient: Comedys wie "Ladykracher", "Wochenshow" und "Axel!" ebenso wie Musikvideos, Kinokurzfilme und Krimi-Serien. "Das tapfere Schneiderlein" für die ARD-Reihe 'Sechs auf einen Streich' ist sein erster Märchenfilm.

KJK: Sie haben sich mit dem "Tapferen Schneiderlein" an der Märchenfilm-Serie 'Sechs auf einen Streich' beteiligt. Wie sind Sie zu diesem Projekt gekommen?
Christian Theede: "Ziegler-Film (Elke Ried) und ich hatten bereits früher Kontakt miteinander, ich hatte ein Drehbuch für den Kinderfilm 'Der Graf von Saint-Germain' entwickelt. Und so wurde ich gefragt, weil sie das Gefühl hatten, dass ich der passende Regisseur fürs 'Schneiderlein' sein könnte. Nachdem ich das Angebot bekommen hatte, war mir sofort klar, dass dies eine Chance war, die man nur selten hat. Erstens, einen Stoff zu verfilmen, zu dem man schon seit Kindertagen eine Beziehung hat, zweitens, einen Film zu drehen, der wahrscheinlich über Jahre hinweg immer wieder gezeigt wird, also auch eine große Verantwortung. Und drittens, eine Vorlage zu verfilmen, die vorher schon mehrfach umgesetzt wurde. Das hat man sonst ja eher beim Theater, wenn man seine Version von 'Romeo und Juli' oder 'Hamlet' inszenieren darf. Es hat mich sehr gefreut und ich habe es als große Herausforderung begriffen."

Sie sprachen von der Beziehung zum Stoff seit Kindertagen: Welche Rolle haben denn Märchen in Ihrer Kindheit gespielt?
"In erster Linie wurden mir die Märchen vorgelesen, wir hatten drei Märchenbücher aus einer Reihe, die hatten alle den gleichen Einband. Das ganz dicke waren die Märchen der Gebrüder Grimm, ein dünneres die Geschichten aus 1001 Nacht und dann noch irgendeine Märchensammlung. Ich weiß nicht mehr wie alt ich da war, aber aus diesen Büchern haben mir meine Eltern vorgelesen. Ich konnte die Märchen mal alle auswendig rauf und runter, heute ist davon ganz viel weg, auch den Schneider hatte ich auf Anhieb mit all seinen Einzelheiten nicht mehr so parat. Trotzdem verbinde ich mit dem Märchen eine bestimmte Stimmung und die war sofort wieder da."

Das waren Märchen aus dem Buch, welche Erinnerung haben Sie denn an Märchen im Film?
"Ich habe als Kind nicht so viel ferngesehen, aber entscheidend geprägt hat mich 'Drei Nüsse für Aschenbrödel', bei diesem Film bin ich hängen geblieben: Das war eine Aschenputtel-Version, die so ganz anders war. Ich habe sicher noch andere Märchenfilme gesehen, aber keiner hat mich so geprägt. Ich habe mir auch vor gar nicht langer Zeit noch einmal andere tschechische Märchenfilme ausgeliehen, weil die etwas Magisches haben, was gar nichts mit Spezialeffekten zu tun hat. Und da kann man sich eine Scheibe von abschneiden, denn Digitaleffekte sind oft beeindruckend, aber in den seltensten Fällen magisch. Wenn man Reales und Digitales mischt, merkt man schnell, dass das nie die Wärme eines echten Wesens hat. Märchenfilme habe ich nicht viele gesehen, aber Serien wie 'Die Märchenbraut' oder auch 'Pan Tau' und 'Luzie, der Schrecken der Straße' haben mich begeistert."

"Das tapfere Schneiderlein" ist ja schon mehrfach verfilmt worden: Haben Sie sich zur Vorbereitung auch andere Adaptionen angesehen?
"Ich habe mir alle angesehen, die ich bekommen konnte, z. B. einen alten Scherenschnittfilm."

War auch der DDR-Film aus dem Jahr 1956 dabei?
"Das ist für mich eine der künstlerisch gelungensten Umsetzungen, ich fand ihn aus heutiger Sicht teilweise ein wenig hölzern, aber das waren die DEFA-Filme häufig und er ist eben über fünfzig Jahre alt. Trotzdem fand ich ihn schlüssig: Der Schneider bekommt mit, wie die reichen Leute lügen und da sagt er sich, das kann ich auch, lügt sich zum König hoch und sagt, was soll ich mit der Prinzessin und nimmt die Magd. Eine in sich schlüssige Interpretation des Märchens."

Auch Sie haben den Stoff verändert ...
"Ja, aber der Kern des Märchens ist erhalten geblieben. Wir wollten nicht so sehr auf den Lügner und Aufschneider setzen, sondern auf die Schlauheit des kleinen Mannes und den alten Traum, wenn du an dich glaubst, dann kannst du es auch schaffen."

Aus der ARD-Märchenreihe kenne ich bis jetzt nur "Frau Holle" und "Das tapfere Schneiderlein", wenn ich die beiden Filme vergleiche, erscheint mir "Frau Holle" recht streng und Ihr Film dagegen arbeitet mit einem Augenzwinkern, mit einer leichten Ironie: Haben Sie das alles gar nicht so ernst genommen?
"Das ist auf jeden Fall ganz besonders ausgeprägt in den Szenen mit dem König, den es so im Original gar nicht gibt. Wir wollten, dass der Schneider die Prinzessin heiratet, weil er sie liebt. Im Original geht es dem Schneider darum, König zu werden und die Prinzessin muss er eben dafür heiraten, die ihn eigentlich gar nicht mag. Für die Abneigung des Hofes haben wir eine neue Figur erfunden: Klaus mag den Schneider nicht und will ihn loswerden, was im Original der König und die Prinzessin wollen. Dadurch war aber der König seiner ursprünglichen Funktion beraubt, trotzdem haben die Autoren es geschafft, daraus eine tolle Figur zu machen, bei der es Spaß macht, ihr zuzusehen. Ich glaube, dass der König für den erwachsenen Zuschauer so ein bisschen Identifikationsfigur ist, während es für die Kinder eindeutig der Schneider ist. Die Kinder gehen emotional mit."

Bleiben wir noch beim König: Axel Milberg ist einer der besten Märchenfilm-Könige, die ich kenne. Hatten Sie Einfluss auf die Besetzung des Films?
"Ich habe sehr viel mitreden dürfen, aber Axel Milberg war von vornherein ein Wunsch der Produktion, dem ich auch nichts entgegenzusetzen hatte, weil ich ihn schon lange ganz toll finde."

Wenn ich mir Ihre Filmografie ansehe, überwiegen da TV-Serien, Comedy und Action: Ein Märchenfilm für Kinder fällt da eher raus?
"Ich habe bisher sehr viele unterschiedliche Sachen gemacht, insofern fällt es nicht raus, sondern ist noch eine Sache mehr. Wenn ich die Möglichkeit habe, mal was Neues zu machen, sage ich erst mal ja, deshalb hoffe ich, dass sich auch in Zukunft in meiner Vita noch viele unterschiedliche Sachen finden lassen. Trotzdem habe ich mich beim Schneider viel eher zu Hause gefühlt als bei vielen Krimis, weil es beim Krimi oft eine sehr kopflastige Sache ist, um herauszufinden, wer wann wo war und den Mord begangen hat. Beim Märchen ist es viel emotionaler und das liegt mir eigentlich mehr. Generell finde ich es schade, dass man in Deutschland immer gleich einen Märchenfilm machen muss, um emotionale und fantastische Geschichten für Kinder zu erzählen."

Das Drehbuch stammt von Leonie und Dieter Bongartz: Haben Sie das Buch so inszeniert, wie es vorlag oder haben Sie Veränderungen vorgenommen?
"Das Buch stand fest, aber ich habe einzelne Szenen für mich noch einmal zurechtgelegt und kleine Textsachen geändert. Eine ganz wichtige Szene war: Warum zieht der Schneider überhaupt los? Im Märchen erschlägt der Fliegen und man könnte meinen, er denkt, was bin ich für ein toller Kerl, aber er wäre ganz schön dumm, wenn er das glauben würde. Ich wollte auch nicht, dass er als Lügner oder Blender durch die Welt geht. Irgendwann habe ich für mich erkannt, dass sieben auf einen Streich nicht wie im Märchen die Ursache sein kann, sondern nur der Auslöser, denn der Schneider will eigentlich schon die ganze Zeit weg. Und der Gürtel ist für meinen Schneider eigentlich nur die Erinnerung daran, dass er ein toller Kerl ist. Dadurch wird der Schneider sympathisch und ist kein Angeber oder Lügner."

Interview: Manfred Hobsch

 

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