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Ausgabe 124-4/2010

"In unseren Städten versteckt man den Tod"

Gespräch mit Eric-Emmanuel Schmitt, Autor und Regisseur des Films "Oskar und die Dame in Rosa"

(Interview zum Film OSKAR UND DIE DAME IN ROSA)

Eric-Emmanuel Schmitt (50) ist gewissermaßen eine Art Allround-Talent. Zumindest, seit er mit seinem Regiedebüt "Odette Toulemonde" (2006) auch das filmische Fach erstmals bediente. Bis dato hat der 1960 im französischen Lyon geborene Philosoph, Denker und Bestseller-Autor das literarische Fach mit Erfolgen wie etwa – dem ebenfalls verfilmten – "Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran" beliefert, nun hat er mit "Oskar und die Dame in Rosa" einen weiteren eigenen Roman für die Leinwand adaptiert und dabei erneut Drehbuch und Regie übernommen. Das Buch "Oskar und die Dame in rosa" – die Vorlage für den Film – wurde allein in Deutschland über eine halbe Million Mal verkauft.

Monsieur Schmitt, in Ihrer zweiten Regiearbeit "Oscar et la dame rose" ist der Tod ein zentrales Thema. Und, es wird deutlich, dass er noch immer ein gesellschaftliches Tabu zu sein scheint.
Eric-Emmanuel Schmitt: "Er ist erst ein Tabu geworden, das ist etwas, das zeitlich eher noch neu ist. Denn früher, über die Jahrhunderte, da hatte man sieben Kinder, und zwei überlebten vielleicht. Man lebte kürzer, man war weniger gut versorgt als heute. Heute, so glaube ich, denken viele Menschen, dass sie gewissermaßen unsterblich sind. Und dass weder Krankheit für sie bestimmt ist noch der Tod. In unseren Städten versteckt man den Tod. Man sieht die Toten nicht mehr. Man hält keine Trauerwache mehr für die Toten. Es ist also, als ob die moderne Welt den Tod habe verschwinden lassen wollen. Aber er ist nicht verschwunden."

In Ihrem Buch, wie auch in Ihrem Film über den kleinen zehnjährigen Oskar, geht es um das Sterben.
"Vielleicht schreibe ich, um gegen die Angst zu kämpfen. Wissen Sie, ich bin Philosoph. Und wie die Philosophen der Antike auch, geht es einem auch heute nicht darum, mehr oder alles zu wissen, da es viel zu viele Dinge gibt, die man nicht wissen kann, sondern darum, weiser zu werden, weniger Angst zu haben. Für mich haben meine Bücher und nun auch meine Filme dies als Ziel. Sich zu öffnen für Fragen und für Gefühle – ich glaube, es ist nützlich, manchmal zu weinen – und dass am Ende steht, das Leben so zu akzeptieren, wie es nun einmal ist. Dass es flüchtig ist, dass es immer fragil ist. Das Leben zu lieben, obgleich es nicht andauern wird."

Das erscheint wie ein Widerspruch ...
"Ja, viele Menschen werden zynisch: Warum das Leben lieben, wenn es nicht anhält? Also wertschätzen sie es nicht."

Auch zu trauern scheint heute ein Tabu. Die Trauer zieht sich, auf spezielle und latente Weise, auch durch Ihren Film.
"Die Trauer anderer macht die Leute verlegen, verunsichert sie, stört sie. Man muss Trauer leben können: Die ‘condition humaine’ leben mit der Tatsache, dass man an der Ausgangs-Pforte ankommen wird. Das Leben bis zum Schluss zu lieben, das ist das, was mit Oskar geschieht. Dank der Imagination, der Phantasie, des Spiels, der Liebe der Dame in Rosa – dank all dessen ist er bis zum Schluss lebendig."

Ist Oskar Ihr Alter ego?
"Das wäre schön, ich wäre gerne so, ja. Und ich habe in meinem Leben eine Situation erlebt, mit einer schweren Krankheit. Und eines Tages hat man mir mitgeteilt, ich sei geheilt und ich könne das Krankenhaus verlassen. Dieser Tag war ein Tag der Freude und ein Tag der Traurigkeit. Der Freude, weil ich aufs Neue eine Zukunft hatte. Der Traurigkeit, weil ich Menschen verlassen musste, die nicht geheilt waren und die sterben würden. Und ich sagte mir, es ist im Grunde anstößig, geheilt zu werden, in Bezug auf jene, die es nicht werden. Und so wollte ich das nie vergessen, was ich da erlebt habe, als das Leben fragil wurde und schwach. Aus diesem Grund habe ich ‘Oskar und die Dame in Rosa’ geschrieben."
Nachdem Sie nun diverse Bücher geschrieben und zwei Kinofilme realisiert haben – was liegt Ihnen mehr, die Literatur oder das Kino? Zumal, als Philosoph.
"Spontan würde ich sagen, dass meine Ausdrucksform das Theater ist. Denn wie Sie sagen, bin ich eigentlich Philosoph und das Theater bedeutet Dialog, Sprache auch. Wenn ich zum Film gegangen bin, dann wahrscheinlich, weil ich vom Theater komme, nicht, weil ich Romanautor bin."

Dann der Unterschied zwischen dem Schreiben am Schreibtisch und dem Inszenieren am Set …
"... man ist ganz allein beim Schreiben. Man ist über Monate allein, manchmal Jahre. Man hat nur sein Schreibtalent, sonst nichts. Man kreiert alles allein. Und man weiß nicht, ob es gut ist oder nicht, ob richtig oder nicht. Irgendwann, nach sechs Monaten, bekommt man eine Rückmeldung vom Lektor aus dem Verlag – ich mag es, ich mag es nicht. Am Set ist man umgeben von Leuten, man hat wie hier Max von Sydow, man hat den kleinen Amir, der Oskar spielt. Das sind Geschenke. Man kann kommunizieren, sprechen, Lösungen finden. Und, es ist eine große Verantwortung, all das Geld."

Wie lange haben Sie denn gedreht, wie teuer war Ihr zweiter Film?
"Die Dreharbeiten dauerten drei Monate und wir hatten ein Budget von ungefähr acht Millionen Euro. Ich finde es jedoch weniger beängstigend, einen Film zu drehen, als ein Buch zu schreiben. Ein Buch zu schreiben ist viel komplizierter. Es ist alles ein Weg. Wie das Leben. Man geht durch das Leben, versucht das Beste, auch wenn man vielleicht immer denkt, dass es nie gut genug ist …"

Interview: Thilo Wydra

 

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