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Ausgabe 130-2/2012

KAUWBOY

KAUWBOY

Produktion: Waterland Film Amsterdam, NTR Television; Niederlande 2012 – Regie: Boudewijn Koole – Buch: Boudewijn Koole, Jolein Laarman – Kamera: Daniël Bouquet – Schnitt: Gys Zevenbergen – Musik: Helge Slikker – Darsteller: Rick Lens (Jojo), Loek Peters (Ronald), Hüseyin Cahit Ölmez (Deniz), Susan Radder (Yenthe), Ricky Koolen (July), Nikki Sampimon (Buurmeisje) – Länge: 81 Min. – Farbe – Weltvertrieb: Delphis Films, Montreal/ Kanada, E-Mail: xiao@delphisfilms.com – Altersempfehlung: ab 8 J.

"Mit seiner klaren und tiefgreifenden Art hat uns der Film schnell gepackt, und in dem Kummer, mit dem der kleine Junge kämpft, auch sehr bewegt", schreibt die Internationale Jury von Generation Kplus in ihrer Begründung, als sie am Ende der Berlinale 2012 das Debüt des niederländischen Regisseurs Boudewijn Koole mit dem Großen Preis des Deutschen Kinderhilfswerks für den besten Spielfilm auszeichnet. Außerdem heißt es darin: "Wunderschöne visuelle Momente, ein kleiner schwarzer Vogel und ein blauer Kaugummi sind weitere Zutaten dieses besonders originellen Films. Eine Geschichte über Liebe und Zuneigung, über dunkle und lichte Momente zwischen einem Vater und einem Sohn."

"Kauwboy" war einer der wohl berührendsten Filme in dem diesjährigen, äußerst anspruchsvollen Programm von Generation Kplus. Er begeisterte nicht nur das Publikum und die Internationale Jury, sondern auch die Berlinale-Jury für den besten Erstlingsfilm, die dieser Produktion ihren mit 50.000 Euro dotierten Preis zusprach.

Im Mittelpunkt von Boudewijn Kooles Film steht der zehnjährige Jojo, der gern durch die Natur streift und Tiere beobachtet. Meistens ist er allein unterwegs, denn sein Vater Ronald, Wachmann bei einer Security-Firma, hat oft Dienst und seine Mutter, eine Country-Sängerin, ist nicht da. Ob sie für längere Zeit auf Tournee durch die USA unterwegs ist oder ob sie gar die Familie verlassen hat, bleibt zunächst im Dunkeln. Auf jeden Fall vermisst Jojo sie sehr, vor allem dann, wenn der Vater wieder einmal ausrastet und die frisch gekochten Spaghetti auf den Küchenboden wirft. Zum Trost hört sich Jojo in solchen Situationen die Songs seiner Mutter an, erzählt heimlich am Telefon von seinen Sorgen oder davon, wie toll er hier alles meistert. Eines Tages findet Jojo ein zerzaustes, schwarzes Vogelküken. Die kleine Dohle ist aus dem Nest gefallen und hat nun keine Mutter mehr – so wie er. Voller Mitleid nimmt Jojo das Vogelkind mit nach Hause, versteckt es in einer Kiste unter dem Bett und päppelt es wieder auf. Die Dohle dankt es ihm, indem sie nicht mehr von seiner Seite weicht. "Kleinchen", wie JoJo den Vogel nennt, will er seiner Mutter zum Geburtstag schenken. Doch Ronald weigert sich, überhaupt ein Fest zu organisieren. "Sie ist nicht da, um ihren Geburtstag zu feiern", brüllt er seinen Sohn an. Trotzdem schmückt Jojo an ihrem Geburtstag die Wohnung, bäckt einen Kuchen, legt Mutters CD ein und will feiern. Wütend reißt der Vater die Dekoration ab und verlangt, dass sich Jojo endlich der Tatsache stellt, dass die Mutter tot ist und nie wieder zurückkommen wird. Doch erst als Jojo gezwungen ist, von seiner Dohle Abschied zu nehmen, kann er sich diesem schmerzlichen Prozess stellen. Eine große Hilfe ist ihm dabei die gleichaltrige Yenthe mit dem blauen Kaugummi, den die Internationale Jury als wichtige Zutat dieses Films erwähnt hat. Sie steht mit ihrer Sachlichkeit wie Fürsorglichkeit und Zuneigung an seiner Seite, gibt ihm Kraft.

Regisseur und Drehbuchautor Boudewijn Koole, der sich – als Autodidakt – bisher hauptsächlich mit Dokumentarfilmen hervorgetan und dabei oft mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet hat, erzählt in seinem bewegenden Spielfilmdebüt vom schwierigen Prozess des Abschiednehmens und wie ein Vater und sein Sohn damit umgehen. Ganz ruhig, ohne große Action und mit wenig Dialog, beschreibt er, wie Jojo den Tod seiner Mutter nicht akzeptieren kann und einfach verdrängt. Jojo, von Rick Lens auf eine ganz besondere Weise gespielt, steht im Fokus des Films; die Trauer seines Vaters wird nur am Rande gezeigt. Umso wichtiger aber ist es dem Regisseur, Ronalds Unvermögen darzustellen, in dieser schwierigen Situation für seinen Sohn da sein zu können. Sensibel und äußerst behutsam fängt die Kamera Jojos Gefühlsleben ein.

Barbara Felsmann

Zu diesem Film siehe auch:
KJK 130-2/2012 - Interview - "Ich konnte und kann das immer noch nicht glauben"

 

Bundesverband Jugend und Film e.V.KAUWBOY im Katalog der BJF-Clubfilmothek unseres Online-Partners Bundesverband Jugend und Film e.V.

 

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Ausgabe 130-2/2012

 

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Interviews

Çelik, Reis - "Weil so viele Menschen unter der Zwangsverheiratung leiden"| Francken, Sander - Gemeinsamkeiten in den Kulturen entdecken| Genz, Sabine - Medienkonsum braucht Kompetenz – Filmbildung durch die SchulKinoWochen| Herrmann , Jörg - "Krabat" in Silhouetten-Tricktechnik mit einem Bezug zur Lausitz| Koole, Boudewijn - "Ich konnte und kann das immer noch nicht glauben"| Schmid , Alice - "Keine Erklärungen, kein Kommentar"| van Kilsdonk, Nicole - "Ganz dicht an die Hauptfigur heran"|

Hintergrundartikel

DIE KINDER VOM NAPF|


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