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Ausgabe 140-4/2014

Stoffe entwickeln, Regisseure wählen, bei der Besetzung mitreden und Geld einsammeln

Gespräch mit dem Produzenten Philipp Budweg

(Interview zum Film RUBINROT und zum Film AFTERSCHOOL)

Philipp Budweg, 1972 in München geboren, gründete nach erfolgreichem Abschluss seines Studiums der Germanistik und Kunstgeschichte gemeinsam mit Johannes Schmid im Jahr 2000 die Filmproduktion schlicht und ergreifend. Der 2003 produzierte Kinofilm "Aus der Tiefe des Raumes" (Regie: Gil Mehmert) erhielt den VGF-Preis als bester Film eines Nachwuchsproduzenten beim Bayerischen Filmpreis. 2006 folgte – nach den Kurzfilmen "Flügelfisch" und "Merle" – zusammen mit Kinderfilm GmbH die Produktion des Spielfilmdebüts "Blöde Mütze!" von Johannes Schmid. Mit der HFF München produzierte Budweg die Abschlussfilme "Die Kurve" (2002), "Gefühlte Temperatur" (2004), "Vier Fenster" (2005), "Hinter den Dünen" (2008) und "Totem" (2009). Als Produktion der  neu gegründeten Lieblingsfilm GmbH entstand der Spielfilm "Wintertochter" (Regie: Johannes Schmid), ausgezeichnet als Bester Kinderfilm beim Deutschen Filmpreis 2012. Philipp Budweg ist Mitglied der Deutschen und Europäischen Filmakademie.

KJK: Wir kennen Dich schon lange, trafen Dich auf diversen Kinderfilmfestivals, eine tolle Entwicklung, die Du da innerhalb der letzten Jahre gemacht hast, für uns bist Du der Eichinger des Kinderfilms … (Philipp Budweg lacht schallend). „Aus der Tiefe des Raums“, „Blöde Mütze“ bis hin zu den Großproduktionen „Rubinrot“, „Saphirblau“ und jetzt die Rico-Oskar-Filme. Hattest Du von Anfang an Produzent als Berufsvorstellung?
Philipp Budweg: Das war eher Zufall. Es gibt dieses Medienzentrum an der Donnersberger Brücke (Medienzentrum München JFF, Rupprechtstraße). Da machte ich von Anfang an neben meinem Studium mit. Das ist meine Brutstätte, eher eine dokumentarische. Dort lernte ich auch Martin Noweck kennen, der später bei unseren Kinofilmen immer wieder mitgearbeitet hat. Ich habe Beiträge erstellt für das monatliche Magazin MAZ im Offenen Kanal. Das war Ende der 90er-Jahre. Ich war Moderator bei "flimmern und rauschen", dem jährlich stattfindenden Festival der jungen Filmemacher, und bei der bayerischen "Jufinale". Was mir dabei am Herzen lag, so unterschiedlich diese Filmbeiträge waren – es war mir ein Anliegen, nicht den Inhalt des Films zu verraten, sondern eher das Filmschaffen einzuordnen. Es ging auch immer darum, die Filmemacher auf die Bühne zu holen, mit ihnen darüber zu reden, zu fragen: Seid ihr zufrieden oder würdet ihr noch etwas anders machen? Bei einer dieser Jufinalen in Weiden in der Oberpfalz lernte ich Johannes Schmid kennen, der mit seinem Kurzfilm "Sternenzug" dort war. Er war mein erster Talk-Gast. Nach diesem Wochenende trafen wir uns wieder im Hörsaal der LMU, er hatte einen Brief vom Medienzentrum JFF bekommen, dass sein neuestes Projekt "halb drei" gefördert wurde, mit einer geringen Geldsumme zwar, aber man bekommt dazu auch das technische Equipment und hat die Verpflichtung, innerhalb eines Jahres den Film fertigzustellen. Der Film wird bei einer Abschlusspräsentation vom Förderprogramm "in eigner Regie" präsentiert und darüber wird eine MAZ-Sendung gedreht. Ich sagte Johannes, dass ich gern mal bei den Dreharbeiten dabei sein würde. Er hatte zwar keinen Posten für mich, aber die MAZ-Redaktion konnte ich dafür begeistern, das neue Kurzfilmprojekt von Johannes zu begleiten. Wie entsteht ein Film, wie ist es bei den Dreharbeiten – das habe ich dann gemacht.

Eine Vorstufe zum Produzenten?
Johannes kam mit seiner nächsten Idee und Herausforderung zu mir. Durch "halb drei" und die Regensburger Kurzfilmtage hatte er Kontakt zum Bayerischen Rundfunk bekommen, zu Claudia Gladziejewski, Redakteurin für Kurzfilme und Debütfilm. Er präsentierte mir seine Idee zu "Flügelfisch", in Farbe, auf 35 mm, und sagte noch: Ich will den BR dabei haben und Nachwuchsförderung beim FilmFernsehFonds Bayern.

Ist das die Stunde des Produzenten Philipp Budweg?
Johannes hat mich gefragt, ob ich ihn dabei irgendwie unterstützen will. Und damit begann unsere Zusammenarbeit in "schlicht und ergreifend", unserer gemeinsamen Firma. Die Idee für diesen Namen kam von ihm.

Ist das nicht ein bisschen übertrieben, für einen Kurzfilm unter zehn Minuten gleich eine Produktionsfirma zu gründen?
Nein, denn du musst eine Firma haben und ein Firmenkonto einrichten für die Förderung. Du kannst ja nicht dein eigenes Konto angeben.

Und wie ging’s dann weiter?

Wir machten einen Antrittsbesuch bei Gabriele Pfennigsdorf, damals im Bayerischen Filmzentrum für den Nachwuchs und das First Movie Programm sowie im FilmFernsehFonds Bayern ebenfalls für die Nachwuchsförderung zuständig. Da saßen wir nun beide und sagten, wir brauchen zehntausend Mark. Sie hat uns zwei angeschaut und gesehen, die kommen zwar nicht von der Filmhochschule, aber die wollen unbedingt den Kurzfilm machen. Dann fragte sie uns: „Habt ihr ein Büro? Man kann doch nicht von zu Hause aus arbeiten.“ Machte die Schublade auf und gab uns einen Antrag fürs Stipendium und sagte, „ich erwarte eure Einreichung für den Sommer (2000)“.

Soviel Glück zum Start …
Weil Johannes aber noch seinen Abschluss an der Uni machte – ich war schon fertig mit dem Studium – konnten wir erst im Februar 2001 mit unserer gemeinsamen Filmarbeit beginnen.

Und was hast Du in der Zwischenzeit gemacht?
Ich wirkte bei verschiedenen HFF-Abschlussfilmen mit, habe meine Hilfe angeboten bei allem, was so anfällt. Ich bin überall mitgelaufen, war am Set, habe bei einem TV- Film Jürgen Zarda bei der Kamerabühne geholfen, hielt manchmal absichtlich ein Kabel in der Hand, um nicht das Set verlassen zu müssen und habe alles genau beobachtet.

Wie ging es mit dem Büro weiter?
Wir waren erst mal drei Jahre lang im Bayerischen Filmzentrum und mussten nur für die laufenden Kosten aufkommen. Durch die Lage auf dem Gelände der Bavaria in Geiselgasteig war man an den Leuten dran, ging in die Kantine, traf immer jemanden, man war gut eingebunden. Ein sehr guter Start, es ist ein Geschenk, Kontakt zu haben.

Nach "Flügelfisch" kam die obligatorische Frage: Was macht Ihr als Nächstes?
"Merle", nach einer Kurzgeschichte von Andreas Steinhöfel. Der BR-Redakteurin Claudia Gladziejewski gefiel unser Drehbuch, sie brachte auch ein bisschen Geld von ARTE ein, und wir beantragten noch einmal FFF-Nachwuchsförderung. Im September 2001 begannen wir zu drehen, im gleichen Jahr wie "Flügelfisch". Dann wollten wir Spielfilme machen. Johannes hatte Kontakt zum Theatermann Gil Mehmert, so kam das Projekt "Aus der Tiefe des Raums" zu uns, bei dem Johannes ausschließlich Produzent war. Da merkte er, dass ihm die Position des Produzenten überhaupt nicht liegt, wenn er einem fremden Regisseur ausgeliefert ist.

Im Gegensatz zu Johannes bist Du offensichtlich der geborene Produzent. Was machen Produzenten?
Wir entwickeln Stoffe, wählen Regisseure und die Head of Departments aus, wir reden bei der Besetzung mit und sammeln Geld ein. Wenn das alles stimmt, wird ein Produktionsleiter – das ist ein eigener Beruf – beauftragt. Er muss nun den Film mit diesen Vorgaben umsetzen und uns berichten, wie es läuft, muss immer das Budget im Auge haben.

Waren die ersten Spielfilme mit schmalem Etat ausgestattet – gleichwohl immer mit Kinderfilmförderung von BKM und Kuratorium – so waren die Koproduktionen mit Concorde, "Rubinrot" und jetzt "Saphirblau", sowie "Rico, Oskar und die Tieferschatten" mit der 20th Century Fox ein Quantensprung. Eine beachtliche Entwicklung. Im Foyer der Firma Lieblingsfilm haben wir die aktuellen Besucherzahlen auf den Filmplakaten gesehen…
"Rico" hat bis jetzt über 630.000 und wird weiterhin in den Kinos gespielt.

Zurzeit entsteht der zweite Teil, "Rico, Oskar und das Herzgebreche"; Regie führt diesmal nicht Neele Vollmar, sondern Wolfgang Groos. Wird die Kontinuität gewahrt?
Ja und nein. Regisseur Wolfgang Groos hat auch "Vorstadtkrokodile 3" gedreht und die "Vampirschwestern 1 und 2". Er ist bei uns in ein bestehendes Produkt eingestiegen. Die Welt von Rico und Oskar ist schon sehr vorgegeben, die adaptiert er; natürlich macht er ein paar Sachen neu, es wird ein bisschen humorvoller, vielleicht mehr Slapstick. Es hat aber trotzdem die Zwischentöne, die leisen Momente, die emotionalen Sachen, die der Film auch unbedingt braucht. Das ist der Eindruck, wenn man die Muster anschaut.

Du bist gerade von den Dreharbeiten gekommen. Was machst Du da? Bist Du immer dabei?
Nein, nicht immer. In der ersten Hälfte war ich eher abwesend, später hin und wieder in Leipzig und zum Abschluss in Berlin. Die Sache ist aber die – wir, mein Kollege Robert Marciniak und ich, haben alles angeschoben und am Ende können die das am Set viel besser. Jeder hat da seine Funktion. Und wir bekommen ein, zwei Tage später die Muster und können uns das alles ansehen.

Und kommen dann die Einwände des Produzenten? Einwände, über die manche Regisseure klagen?
Nein, das wäre ja auch zu spät. Ich sehe, was gedreht wurde, aber ändern lässt sich nichts mehr. Wir haben immer zwei Kameras, die parallel drehen, und man bekommt einfach sofort einen Eindruck und sieht, wenn etwas super gelungen ist, insbesondere die tolle Arbeit der Schauspieler. Du kriegst ein Gespür für das Material, du siehst das Licht, die Farben, aber der Rhythmus des Films entsteht erst im Schnitt.

Es ist also wichtig, dass der Produzent anwesend ist …
Ich glaube, das bringt insofern etwas, weil man Präsenz zeigt, als Ansprechpartner da ist. Es sind kürzere Wege, die Leute können zu dir kommen, du setzt dich dazu, hörst, was Thema ist, wo die Bedürfnisse liegen. Dass es beispielsweise super war, wenn die Kinder am Wochenende daheim geschlafen haben. Dann gibt es Setbesuche, einen Pressetag. Natürlich wollen alle Journalisten Henry Hübchen und Moritz Bleibtreu kennen lernen. Da bin ich es, der die Wartezeiten überbrückt. So ein Setbesuch hat ja auch viel Wartezeit, da kann ich Hintergrundinformationen einfließen lassen, denn nur in der Umbaupause kann man kurz reingrätschen.

Wie ist es zur Koproduktion mit 20th Century Fox gekommen?

Ich hatte alles darangesetzt, um die Filmrechte an den Rico-Oskar-Büchern von Andreas Steinhöfel zu bekommen. Er war seinerzeit in der Jury beim Kinderfilmfest der Berlinale, als unser Film "Blöde Mütze" dort lief. Das war der erste Kontakt, der sich gut entwickelt hat. Mit meiner Begeisterung konnte ich offensichtlich die Leute von Fox überzeugen, die ich in Cannes getroffen hatte, mit dem Wissen, ein paar Wochen später ein sehr gutes Drehbuch vorlegen zu können. In der darauf folgenden Vorproduktionsphase gab es einen großen runden Tisch, wo es darum ging: Wie wird dieser Film? Rückblickend kann ich sagen: Wir haben es hinbekommen. Man vertraut uns; ein großes Stück Überzeugungsarbeit. Fox ist ein starker Produktions- und Verleihpartner, der "Rico, Oskar und die Tieferschatten" zur Hälfte finanziert hat – die andere Hälfte des Vier-Millionen-Etats haben wir über die Länderförderungen sowie BKM / Kuratorium und FFA plus DFFF hinbekommen. Fox wird auch die beiden anderen Teile finanzieren.

Warst Du bei "Rubinrot" (bis jetzt 487.000 Besucher) und "Saphirblau" (535.000) – denen nun noch "Smaragdgrün" folgt – genauso engagiert wie bei den "Rico, Oskar"-Filmen, allein schon zeitlich?
Ich war viel am Drehort, weil ich das alles nicht kannte: Dreharbeiten zum Beispiel auf der Wartburg, in Aachen vor dem Dom oder in Coburg und Bayreuth, um am Ende England zu erzählen. Für den dritten Teil gibt’s eine erste Drehbuchfassung. Nächstes Jahr beginnen die Dreharbeiten für "Smaragdgrün" ebenso wie für "Rico, Oskar und der Diebstahlstein". Das wird parallel laufen, da muss man sich aufteilen.

Oder zerteilen … Ist man erstmal im Geschäft, entwickelt sich eine Dynamik. Die 2008 gegründete Lieblingsfilm GmbH, hervorgegangen aus der Produktionsfirma schlicht und ergreifend GbR (2000) ist eine Erfolgsgeschichte der besonderen Art …
Ja, tatsächlich? Das war uns nicht so bewusst. Meine Kollegen Robert Marciniak, Tom Blieninger und ich haben letztes Jahr vier Filme produziert: "Doktorspiele" (Regie: Marco Petry), dann "Rico, Oskar und die Tieferschatten", "Saphirblau" und ganz zum Schluss Rosenmüllers "Beste Chance". Wir sind ein mittelständisches Unternehmen und hängen nicht am Tropf. Da sind wir schon stolz drauf.

Das ist bemerkenswert und spricht für Filmleidenschaft, Beharrlichkeit, charmante Überzeugungsarbeit und Glück!

Mit Philipp Budweg sprachen Gudrun Lukasz-Aden und Christel Strobel

 

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