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Ausgabe 140-4/2014

Rico, Oskar und die Tieferschatten

(Hintergrund zum Film RICO, OSKAR UND DIE TIEFERSCHATTEN)

Filmdokumentation
Neele Leana Vollmar, nach dem gleichnamigen Roman von Andreas Steinhöfel, im Verleih von Fox, Altersempfehlung: ab 8 J.
Dokumentation der Vorstellungen am 3. und 4.7.2014 im Rahmen des 32. Kinderfilmfestes München sowie einer regulären Nachmittagsvorstellung im Kant-Kino Berlin am 12.7.2014

Inhalt
Unterschiedlicher könnten die beiden neuen Freunde nicht sein: Rico ist tiefbegabt, seine Gedanken wirbeln oft wie Bingokugeln in der Trommel durcheinander und da fällt auch schon mal einer raus. Oskar wiederum ist hochbegabt und trägt, weil er sich mit den Gefahren des Lebens auskennt, zur Vorsicht immer einen Helm. Als Oskar nicht zur Verabredung erscheint, schwant Rico, dass sein Freund dem berüchtigten Schnäppchen-Entführer „Mister 2000“ zum Opfer gefallen ist. Ganz allein muss Rico herausfinden, wer der unheimliche Kidnapper ist und wie er Oskar aus den Tieferschatten befreien kann …

Reaktionen während der Vorstellungen
Zum Eingangssong „Mein Kopf spielt Bingo“ schlägt ein Mädchen den Rhythmus begeistert mit. Auch die anderen Songs werden sichtbar angenommen, etwa das Freundelied „Ich und Du“. Insgesamt geht das junge Publikum interessiert mit dem Filmgeschehen mit und springt deutlich auf witzige Szenen an. Ricos Fundnudel löst hie und da begeisterte Abscheu aus („Bääh!“, „Igitt!“; „Ich kotze gleich“, als Fitzke sie sich in den Mund steckt), die animierte Schwerkraft-Erläuterung („womöglich für Busen gefährlich“) erntet vielstimmiges Gekicher. Die Eisszene ist vielen durch den Filmtrailer bekannt, da geht ein wiedererkennendes Raunen durch die Reihen. Diese Szene erntet in allen drei Vorstellungen die meisten Lacher, sogar kurzen Applaus.

Die Aufmerksamkeit lässt ein wenig nach in den ruhigeren (und sentimentaleren) Sequenzen, etwa wenn Rico von seiner Mutter ein italienisches Schlaflied vorgesungen bekommt und wenn Rico bei Frau Dahling oder „dem Westbühl“ zu Besuch ist.

Ganz anders bei den spannenden und mitunter dunklen Sequenzen des Detektivplots, die teilweise von einem an Hitchcock-Klassiker erinnernden Soundtrack begleitet werden und in ihrer Suspense-Wirkung Erwachsenenkrimis kaum nachstehen. Als Rico auf der Suche nach Oskar dem schlafenden Marrak die Schlüssel entwendet, werden zwei Mädchen sichtbar nervös, ziehen schützend die Knie an, die eine kaut gar an ihrem T-Shirt. Willkommen ist da das Geräusch von Marraks Furz, der nicht nur von diesen beiden Schülerinnen mit erlöstem Lachen quittiert wird. Diskussionen unter den Mädchen und Jungen löst die TV-Nachrichten-Szene aus, die Oskars Vater zeigt, der das Leben seines Sohnes in den Händen des Kidnappers um des Prinzips willen gefährdet. Helle Aufregung herrscht bei der Verfolgungsjagd von Rico, Oskar und Marrak im Treppenhaus. Marraks Äußerung gegenüber Oskar („Missgeburt“) wird lautstark abgestraft. Das Mitfiebern erreicht seinen Höhepunkt bei Ricos Versuchen, Marrak körperlich aufzuhalten und Simon Westbühl mit gezogener Waffe aus dem Fenster zielt. Da wird gejohlt und schließlich applaudiert, wenn Fitzkes Steinwurf den Marrak außer Gefecht setzt –  gefolgt von einem einstimmigen „Iiih“, als Fitzke aus dem Fenster spuckt.

Reaktionen nach den Vorstellungen
Direkt nach den Vorstellungen dazu befragt, was am besten gefallen hat, wurden vor allem zwei Szenen mehrfach genannt: zum einen die Szene mit der Eisverkäuferin, zum anderen Ricos rasante Autofahrt quer durch Berlin. Weiterhin beeindruckt hat Oskars Art, sich von Erwachsenen nichts gefallen zu lassen (z.B. die Treppenhausbegegnung mit Fitzke). Ein weiterer Liebling: das Anstarrduell zwischen Oskar und Ricos Mutter. Die Kidnapper-Geschichte und vor allem die Szenen im Haus mit den Tieferschatten wurden als „sehr spannend“ bewertet; erst ein Junge, dann noch zwei weitere Jungen äußerten Unverständnis darüber, dass die Freunde nicht schnell das Weite suchen, nachdem Rico Oskar von den Handschellen befreit hat. Ansonsten sei aber alles „ganz echt“ rübergekommen.

Erstaunlich viele Kinder kennen das Buch von Andreas Steinhöfel – teilweise als Schullektüre, die meisten jedoch privat und „freiwillig“; manchmal wurden die Bücher von älteren Geschwistern weitergegeben. Einige haben auch schon die Folgeromane gelesen ("Rico, Oskar und das Herzgebreche", "Rico, Oskar und der Diebstahlstein"). Der Wissensvorsprung wurde bei beiden dokumentierten Filmfest-Vorstellungen dazu genutzt, anderen (Kindern) z.B. früh die Identität von „Mister 2000“ zu verraten. Es war aber nicht festzustellen, dass die „wissenden“ Kinder weniger bei der Sache gewesen wären.

Die Berliner Nachmittagsvorstellung am Startwochenende wurde kurioserweise fast ausschließlich von Erwachsenen besucht. Nach den Motiven für den Filmbesuch befragt, wurden „der Trailer“ (die Eisszene mit Anke Engelke) und vor allem „Berlin“ angegeben.

Eine Frau nennt die real in Berlin-Kreuzberg existierende Dieffenbachstraße, in der die Figur Rico wohnt, da sie dort ihre Kindheit verbracht hat. Sie ist zwar enttäuscht, dass es bis auf die Mohren-Apotheke nur wenig wiederzuerkennen gab (Anmerkung: Es wurde nicht in der echten Dieffenbachstraße gedreht), ist aber dennoch begeistert, weil „die Atmosphäre von dort stimmt“.

Eine Berliner Buchhändlerin war neugierig auf die Verfilmung des mit dem Jugendliteraturpreis ausgezeichneten Romans von Andreas Steinhöfel und schwärmt von der Adaption, die „den Geist und den Charme des Buchs ganz wunderbar erhalten hat“. Alle befragten Zuschauer würden den Film Kindern und Eltern weiterempfehlen und/oder ihn sich mit Freunden oder der Familie nochmal ansehen.

Verwendbarkeit des Films für die Kinderkulturarbeit
Selten ist die Meinung der befragten Gäste (aller drei Vorstellungen) durch alle Altersstufen so einhellig: "Rico, Oskar und die Tieferschatten" wird nicht nur seiner originellen Buchvorlage mehr als gerecht, er ist vor allen Dingen ein ganz besonders gelungenes Beispiel für einen Kinderfilm, der auf hohem Niveau gleichermaßen unterhält und zum Nachdenken anregt. Weit davon entfernt, coole Helden zu sein, sind die beiden Hauptfiguren auf unterschiedliche Weise Außenseiter. Aber sie haben Mittel und Wege gefunden, mit den Herausforderungen des alltäglichen Lebens zurechtzukommen: Rico mit seinem Merkrekorder, Oskar mit seinem Schutzhelm. Der Film vermittelt unaufdringlich Werte wie Freundschaft und Vertrauen; dass man sehr wohl anders sein und auch Angst haben darf, dass man aber über sich selbst hinauswachsen kann, wenn es drauf ankommt. Familie muss nicht einer Bilderbuchidylle entsprechen, um Geborgenheit zu geben und Selbstvertrauen zu schaffen: Das beweist Ricos alleinerziehende, nachts in einer Bar arbeitende Mutter, die ihren Sohn mit Liebe und Zutrauen quasi überschüttet. Dass es auch anders sein kann, macht das distanzierte und gleichgültige Verhältnis von Oskars Vater zu seinem Sohn deutlich. Eine bittere Realität, die der Film so stehen lässt und auch so stehen lassen kann, weil Ricos Mitgefühl für seinen Freund der einzige glaubwürdige Trost ist.

Fazit: Eine gute Mischung aus Spannung und Humor, mit viel Wortwitz und originellen (visuellen) Einfällen, die geniale Besetzung bis in die kleinste Nebenrolle, ein mitreißender Soundtrack mit Songs von Sportfreunde Stiller – das alles begeistert nachhaltig Groß und Klein. Für die Kinder- und Jugendkulturarbeit ist der Film sehr, sehr, sehr empfehlenswert.

Ulrike Seyffarth

 

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KJK-Ausgabe 140/2014

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