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Ausgabe 66-2/1996

"Es war eine große Freude zu beobachten, welche Kraft in den kleinen Menschen steckt"

Gespräch mit Kai Wessel, Regisseur des Films "Die Spur der roten Fässer"

(Interview zum Film DIE SPUR DER ROTEN FÄSSER)

KJK: In der Stabliste des Films "Die Spur der roten Fässer" steht: Drehbuch und Regie Kai Wessel, nach einer Geschichte von Ursula West. Von wem stammt die Idee zum Film?
Kai Wessel: "Ursula West ist Drehbuchautorin. Es ist ihre Geschichte, und sie wollte daraus ein Drehbuch schreiben. Wegen Krankheit konnte sie das Projekt nicht zu Ende führen. Wir sind übereingekommen, dass ich es weiterführe."

Der Film spielt in Brandenburg. Wo haben Sie gedreht?
"Der Drehort ist aus vier verschiedenen Orten im Umkreis von Berlin zusammengesetzt. Unter anderem drehten wir am Teuplitzsee im Süden von Berlin."

Woher kommen die Kinderdarsteller, die ja keine besondere Dialektfärbung in ihrer Sprache haben?
"Die kommen alle aus Berlin. Es gab Aktionen in Schulen, in der Zeitung, aber letztendlich wurden alle kleinen Darsteller über Casting-Agenturen vermittelt."

Ursprünglich hieß der Film "Taina". Warum wurde der Titel geändert?
"Das war eine rein pragmatische Entscheidung, Taina ist ein poetischer Name, unbekannt für viele. Und dann fragen die Leute: Wie schreibt man das? Was heißt das? Das ist für einen Film nicht gut. Hinzu kam, dass Taina, ein Schäferhund, in dem Film nicht mehr die Präsenz hatte wie in der frühen Fassung."

Der Verleih wirbt mit "Umwelt-Abenteuer" + "Ökokrimi". Waren das auch Ihre Intentionen?
"Es ist ein angenehmer Nebeneffekt, dass der Verleih auf den ökologischen Aspekt setzt, denn es war ja auch von Anfang an die Absicht, dieses Abenteuer in der Umweltkriminalität anzusiedeln. In gar keinem Fall sollte es ein didaktischer Film sein. Er sollte Spaß und Mission verbinden, ein unterhaltender Abenteuerfilm für Kinder, vielleicht auch für Erwachsene, die ihre Kinder ins Kino begleiten."

Ist die Geschichte nicht etwas kompliziert für Kinder?
"Sie hat etwas Brisantes und ist, das muss man sehen, für Kinder im Detail nicht immer nachvollziehbar. Aber das finde ich gar nicht so wichtig. Die Kinder fühlen, was richtig ist und was falsch."

Die BUNDjugend (Bund für Umwelt und Naturschutz) begleitet den Film mit einer eigenen Kampagne.
"Ich finde es gut, dass sie auf diese Weise versuchen wollen, die Energie, die hoffentlich in den Kindern beim Sehen des Films entsteht, in eine Richtung zu lenken. Denn es ist ja auch bei allem vordergründigen Spaß die Absicht des Films gewesen, auf Schwierigkeiten in Gegenwart und Zukunft aufmerksam zu machen."

Wie sieht Ihre persönliche Beziehung zum Kinderkrimi aus?
"Kalle Blomquist hat mir Spaß gemacht, das muss ich zugeben. Und man weiß ja auch um die Kraft von 'Emil und die Detektive', dieser altmodisch erzählte Film fasziniert nach wie vor die Kinder."

"Die Spur der roten Fässer" ist Ihr erster Kinderkrimi, ein in Deutschland vernachlässigtes Genre ...
"Krimi ist eine Form von Unterhaltungsfilm. Ich fand es einfach spannend, meine Erfahrung, die ich bei mehreren Krimis für Erwachsene machen konnte, auf Kinder zu übertragen. Es gibt bestimmte Mechanismen, die ähnlich sind. Aber der Kinderkrimi hat mehr Platz für Phantasie und Überzeichnung von Typen. Otto Schlange zum Beispiel und seine Freundin Iris von Kufstein könnte man im Erwachsenenfilm so nicht inszenieren. In einem Kinderkrimi kann man sehr viel wilder und freier Sachen behaupten unter dem Motto: Was Spaß macht, ist erlaubt. Das war eine sehr schöne Abwechslung."

Wie haben Sie mit den Kindern gearbeitet? Bekamen die vorher das Drehbuch?
"Die Kinder haben ihren Text gelernt, allerdings Tag für Tag, immer erst am Drehort. Es ist ja so, dass der Drehablauf anders ist als im Drehbuch. Für Kinder wie für Erwachsene ist es schwierig, der Geschichte während des Drehens zu folgen. Also arbeitet man täglich von Situation zu Situation."

Haben die Kinder Dialoge verändert, die Geschichte in irgendeiner Form beeinflusst?
"Wenn man merkt, dass Kinder die Texte so nicht sprechen können, verändert man sie. Die Geschichte haben sie nicht beeinflusst. Alle haben sich auf bestimmte Momente gefreut: Meike Fellinger (Julia) auf den Frisiersalon, Florian Schön (Jonas) auf die Szenen in der Bar, Evren Sahin (Tekin) auf seine Actionrolle am Boot und im Wasser, und Florian Bamberg (Roman) war sowieso immer vorn dran."

Von wem zum Beispiel stammt die Idee, der Gangsterfreundin die Haare abzuschneiden?
"Das steht schon so in der Urgeschichte von Ursula West."

Man schreibt gern in Filmkritiken: Dieser Sommer hat die Kinder verändert. Haben die Dreharbeiten auch die Kinderdarsteller verändert?
"Ich denke in jedem Fall. Denn so eine Arbeit geht nicht spurlos an einem vorbei. Man ist so viele Tage intensiv zusammen."

Haben Sie auch zusammen gewohnt wie die große Familie im Film?
"Nein, wir sind jeden Tag raus gefahren zu den Drehorten, das heißt jedes Kind kam abends in sein Privatleben zurück. Es war eine intensive Zeit: Arbeit und Ferien, Disziplin und das Erlebnis Team. Das verändert bestimmt in irgendeiner Form."

Konnten Sie vorher testen, ob die vier Kinderdarsteller zusammenpassen, "miteinander können"?
"Ich glaube nicht, dass man das im Vorfeld testen kann. Wir haben es probiert. Es gibt natürlich aufgrund des Alters Strukturen zwischen Jüngeren und Älteren, kleine Rivalitäten, die auch im Film sichtbar sind."

Gab es ernste Spannungen?
"Egal, was auch war – es hat nie zu wirklichen Verletzungen geführt. Alles blieb im normalen Bereich. Da wir ein starkes Team hatten, das immer wieder daran erinnerte – nicht verbal, sondern durch eigene Arbeit -, dass man nur zusammen etwas schaffen kann, gab es keine Probleme. Die Kinder haben sehr schnell gemerkt, dass jeder seine Aufgabe hat, ob man Lust verspürte oder nicht. Es ist toll, wie diszipliniert Kinder sein können. Es lief nie mit Druck, es kam aus ihnen selbst heraus. Es war eine große Freude zu beobachten, welche Kraft in diesen kleinen Menschen steckt."

Haben die Kinder während der Dreharbeiten die Muster gesehen?
"Nein, denn ich weiß aus eigener Erfahrung, dass das eine Katastrophe ist. 1974 spielte ich als Dreizehnjähriger eine Rolle im Film 'Der Lord von Barmbek' von Ottokar Runze. Man findet sich selbst ganz furchtbar. Damit kann man sich nicht anfreunden. Mir war das ausgesprochen peinlich."

Haben die Kinder schon "Die Spur der roten Fässer" gesehen?
"Ja, aber leider bisher nur auf Video. Sie waren fasziniert und mucksmäuschenstill bei der Vorführung, die ganzen Erinnerungen der Dreharbeiten kamen zurück. Gegenseitig fanden sie sich alle toll, aber sich selbst nicht. Im Kino wird das noch mal ein neues Erlebnis für sie werden, Gefühle wie Peinlichkeit oder Stolz auslösen. Der Freundeskreis kommt da noch verschärfend hinzu."

Im Presseheft steht, dass Kinder für Sie ein dankbares Publikum sind.
"Für mich war die Premiere meines Films 'Das Sommeralbum' 1992 beim Kinderfilmfest Berlin eine aufregende Situation. Ich wusste nicht, ob dieser Film überhaupt für Kinder funktioniert. Die größten Erfahrungen sammelt man in der Tat bei der Kinder-Berlinale, da sitzen in der Urania hunderte von Kindern, da bekommt man sehr genau mit, auf was sie achten, was sie zu ihren Freunden, zu ihren Eltern sagen. Beim 'Sommeralbum' konnten sie mit so wenigen Worten so Treffendes zum Ausdruck bringen, wofür Erwachsene Seiten brauchen. Sie haben sich eingelassen und viel verstanden von den Menschen, von tiefen Gefühlen. Von daher können Kinder ein sehr dankbares Publikum sein."

Und auch ein gnadenlos ehrliches?
"Wenn sich etwas im Kreis dreht, die Aufmerksamkeit schwindet, sind sie gnadenlos, stehen im Kino auf, erzählen sich Witze, kloppen sich. Auch das ist wiederum eine Reaktion, über die man dankbar sein muss. Denn Kinder sind offen, nicht gemein und hinterlistig, sagen nur: Finde ich langweilig. Das reicht als Aussage. Dann weiß man, dass man etwas falsch gemacht hat."

Basis-Film Verleih startet "Die Spur der roten Fässer" am 25. April mit 60 Kopien.
"Das ist sehr gut, und es scheint ja zu klappen, dass viele Kinos, auch Ketten, den Film zeigen wollen. Vielleicht wird er sich zwei, drei Wochen im Kino halten. Das wäre toll."

Hatten Sie Lieblingsbücher in Ihrer Kindheit?
"Ich habe als Kind nicht viel gelesen, bin mehr mit Fernsehen, Platten und Kino aufgewachsen, ein Kind der 60er und der modernen Medien. Otfried Preußler, ja, den habe ich gern gelesen."

Und welcher Kinderfilm hat Sie geprägt oder beeinflusst?
"Obwohl ich relativ viel gesehen habe, ist nichts dabei, woran ich mich jetzt erinnere. Außer daran, dass jeder Kinobesuch an sich ein einschneidendes Erlebnis war. Da ich auf dem Lande bei Hamburg groß geworden bin, musste man relativ weit fahren, um ins Kino zu kommen. Das war immer außergewöhnlich."

War Ihre Kindheit ein bisschen so, wie die Ferien der Kinder in Ihrem Film?
"In diesem Film sind viele Gefühle meiner Kindheit enthalten. Wenn man Platz hat zum Spielen, nutzt man das gerne aus, ist man bei jedem Wetter draußen."

Wer ist der kleine Kai?
"In allen vier Kindern ist etwas von mir. Da auch ich das älteste Kind war, liegt mir Roman natürlich am nächsten. Ich erinnere mich noch gut an den Zwiespalt, als Ältester Verantwortung tragen zu müssen und doch Kind sein zu wollen."

Haben Sie eigene Kinder?
"Nein, aber ich war Kind. Und es gibt viele Filme, wo man sich gut vorstellen kann, wieder Kind zu sein."

Mit Kai Wessel sprach Gudrun Lukasz-Aden

 

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