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Ausgabe 10-2/1982

Markenzeichen "Bananen Paul"

Gespräch mit Regisseur Richard Claus

(Interview zum Film BANANEN PAUL)

KJK: Als wir uns während der Dreharbeiten zu "Bananen Paul" unterhalten haben, wolltest du nicht auf Teufel komm raus einen Kinderfilm machen, wie schätzt du jetzt den fertigen Film ein?

Richard Claus: "Ich sehe das mittlerweile anders. Ich halte diese Kategorisierung Kinderfilm – insbesondere dann, wenn sie pädagogisch gemeint ist – für falsch. Wir haben in den letzten Jahren mit den Kinderfilmen, die hier gemacht wurden, eine Menge dazugelernt. Das Groteske ist, dass in den USA ein Kinderfilm nach dem anderen gedreht wird, für ein Publikum, dass wir auch erreichen wollen, so um die zehn Jahre herum: 'Krieg der Sterne', 'Superman' und 'Jäger des verlorenen Schatzes' – auch ein ganz typischer Märchen- oder Kinderfilm – die nicht im Gewand des Kinderfilms daherkommen, sondern als ganz normale Kinofilme. Das hängt damit zusammen, dass das Publikum immer jünger wird: In den USA sind 75 Prozent des Kinopublikums unter 18 Jahren alt. Und wir lassen uns hier in so ein Reservat drängen, sozusagen als 'Kinderfilmer'. Was die Amis machen, um das größtmögliche Publikum zu erreichen, das machen wir hier nicht ..."

Die Amerikaner produzieren das eben nicht mit dem Etikett Kinderfilm ...
"Die Filme sind schon anders, aber im Prinzip ist es so, dass man, wenn man Filme für das Kino machen will – mag das gut oder schlecht sein – gar nicht anders kann, als Filme für junge Leute zu machen, von der Tendenz her für immer jüngere Leute. Wenn die Menschen erst mal verheiratet sind, stellen sich ganz andere Lebensformen ein, wo Kino viel weniger eine Rolle spielt."
Der Film 'Bananen Paul' hat sich – und deshalb ist das auch kein Wunder, dass ich das jetzt anders sehe als damals – in der Arbeit auch geändert: Der Figur des Bären – eine weitgehend synthetische Figur – ist die Sprache nachträglich gegeben worden und auch was der Bär sagt, ist nicht mehr das, was im Drehbuch steht. Wir haben mit dem Film viel stärker auf Kinder gezielt, als wir es ursprünglich vorhatten. Der Ansatz während der Dreharbeiten war, mehr einen fantastischen Film mit einer fantastischen Figur zu machen; daraus ist jetzt auch nicht was anderes geworden, aber wir versuchen, mit dem Bären eine Figur zu schaffen, mit der speziell bei Kindern und damit natürlich auch das, was bei den Erwachsenen 'Kind' ist, bewegt werden kann."

Ich habe mit einem Berliner Kinobesitzer gesprochen, der den Film hier herausbringen will. Er will ihn nicht nur in der Kinderschiene spielen, sondern auch Erwachsene erreichen.
"Mir wäre es das Liebste, wenn mir jemand zutrauen würde, Filme zu machen, wie Walt Disney es getan hat. Ich bin vorsichtig geworden mit diesem Anspruch, weil ich gesehen habe, wie schwierig das ist. Es geht darum – was der Disney 'universal appeal' nennt – Filme so zu machen, dass jeder, der ins Kino geht, auch was mit dem Film anfangen kann. Das ist keine schlechte Voraussetzung, wenn man Kino machen will, denn was früher mal Zielgruppenfilm geheißen hat, ist Blödsinn; man kann nicht sagen, dieser Film nur für Rentner, der für Polizisten, der für Kinder und der nur für Frauen. Wenn man Filme machen will, soll man versuchen, ein möglichst breites Publikum anzusprechen. Wenn ein Kinobesitzer den Film ähnlich wie einen Disney-Film herausbringen will, nachmittags speziell für Kinder, aber abends auch für die Erwachsenen, dann finde ich das toll. Ich bin bescheidener geworden – ich habe in Remscheid immer noch gerufen, wir sollen solche Filme machen wie Disney und wir müssen den jetzt mal in die Knie zwingen, aber ich sehe, dass das doch sehr schwierig ist. Aber Geschichten, die Kinder verstehen, sind nicht falsch, weil sie die Erwachsenen auch verstehen, wobei man die Kinder gar nicht unterschätzen darf, die meisten können die Geschichten schon verstehen, das sieht man am Fernsehverhalten der Kinder. Für Kinder sind die Filme am interessantesten, wo die Eltern sie ins Bett schicken wollen."

Im "Bananen Paul" spielen sich ja durchaus Sachen ab, die nicht unbedingt von allen Kindern (jüngeren) verstanden werden, trotzdem haben sie Spaß am Film: Hätte man – ohne den Film zu überfrachten – die Ebene, die von Kindern nicht verstanden wird, nicht noch mehr verstärken können?
"Mit dem Film 'Bananen Paul' haben da bei uns viele Denkprozesse angefangen, es ist müßig darüber nachzudenken, ob man es mehr in Richtung Slapstick macht ..."

... oder eben mehr satirisch, diese Richtung habe ich gemeint, aber nicht im Sinn von "geschwätzigen" Dialogen ...
"Diese beiden Möglichkeiten sind da drin und wir haben auch Überlegungen angestellt, aber nicht im Bezug darauf, was hätten wir jetzt alles anders machen können, sondern auf unser Vorhaben, weitere 'Bananen Paul'-Filme herzustellen. Wir werden garantiert viele Dinge anders machen, unter anderem noch konsequenter ein Angebot an alle Altersstufen."

Wird das eine Serie für das Kino oder fürs Fernsehen?
"Vielleicht beides, wir sind im Augenblick noch in der Phase der Überlegungen. Wir haben uns mit unserem Verleih, Filmwelt, mit einem Exporteur, Exportfilm Bischoff, und mit einer Münchner Werbeagentur zusammengetan und uns vorgenommen, mit den Erfahrungen, die wir gesammelt haben und den Fähigkeiten, die wir haben, zu überlegen, wie können wir mit bescheidenen Mitteln – ohne dem Herrn Disney am Zeug flicken zu wollen – etwas ähnliches auf die Beine stellen. Ohne extreme Anstrengungen sind wir hier nicht in der Lage, was ich unter Kinderfilmen oder besser Kinderkino verstehe, zu etablieren. Kinderkino heißt für mich, in Kindern das Bedürfnis zu wecken, freiwillig ins Kino zu gehen. Das sind Strukturen, die verloren gegangen sind. Es wird in letzter Zeit so viel von Strukturverbesserung gesprochen und mit der Kampagne, die wir bei 'Bananen Paul' vorhaben, könnten wir – wenn uns das wirklich gelingt – eine Strukturverbesserung leisten, nämlich wieder neu aufzubauen, dass Kinder ins Kino gehen."

Das Problem dabei ist, wenn man die ganze Bundesrepublik nimmt, dass es da regional gesehen mitunter schwierig ist, denn die Spielstellen sind einfach verloren gegangen: Es ist heute gar nicht mehr so einfach wie vor zehn oder zwanzig Jahren, mal eben schnell ins Kino zu gehen.
"Deshalb ist es auch was ganz anderes, wenn wir den Film 'Bananen Paul' herausbringen, dann müssen wir nicht nur Plakate drucken und Anzeigen in die Zeitungen setzen, sondern wir müssen eine Arbeit leisten, die bis in die Kinos direkt wirksam wird. Wir müssen dafür sorgen, dass es wieder Matineevorstellungen gibt, dass Ferienprogramme und Nachmittagsvorstellungen wieder aufgenommen werden, wo sie abgeschafft worden sind. Da müssen wir zum Teil auch gegen die Trägheit der Kinobesitzer ankämpfen. Wenn alle Kinos, die keine Nachmittagsprogramme mehr spielen, gerade die auf dem flachen Land, wieder anfangen würden, bin ich sicher, dass da für Kinos Umsätze von Millionenbeträgen warten. Wir haben damit zu tun, dass unsere Konkurrenten, das ist nun mal Disney oder auch die Gebrüder Lucas/Spielberg, mit eingeführten Figuren arbeiten. Disney ist ein derartiges Markenzeichen, dass man eigentlich kein Plakat mehr zu drucken braucht."

 

Oder man unternimmt einen Kraftakt und etabliert solche Figuren, wie die aus "Krieg der Sterne".
"So ist es. Die Kinder lesen keine Kritiken, das wird nur über Mundpropaganda gemacht. Wir wollen das Markenzeichen 'Bananen Paul' aufbauen, wie gemein und kommerziell sich das auch immer anhört, aber es ist so gemeint. Die Vorstellung von diesem Bären soll zu einem Trademark werden, und wir möchten dieses Trademark soweit wie möglich vor dem Start von 'Bananen Paul' etablieren. Wir denken dann daran, eine kleine Fernsehreihe zu machen und wenn die letzte Folge 'Bananen Paul' im Fernsehen gelaufen ist, 'Bananen Paul II'(oder wie er immer heißen mag) in die Kinos zu bringen, denn wir haben nicht das Geld wie Lucas und Spielberg, um Fernsehspots und bezahlte Promotion zu machen. Wir nutzen auf diese Weise das Fernsehen aus, die Kinder gleichzeitig wieder vom Fernsehen weg in die Kinos zu bringen – das hört sich in Bezug auf die Fernsehredakteure so böse an, da ist natürlich auch ein Nutzen für die Fernsehleute, weil die so auch ein interessantes Programm kriegen, das nicht so in den eingefahrenen Schienen von Kinderfernsehprogramm läuft. Wir würden auch mit neuen Leuten zusammenarbeiten, die noch nie was mit Kinderfilm zu tun hatten. Leute aus dem Umkreis und auch direkt von der Zeitschrift 'Titanic' werden an der Entwicklung von Stoffen mitarbeiten. Was wir mit 'Bananen Paul' lernen, wird in jede Richtung analysiert, für uns ist das schon so eine Art Modellversuch."

Dafür braucht Ihr doch auch finanzielle Unterstützung?
Wir versuchen der Filmförderungsanstalt gegenüber deutlich zu machen, dass es hier nicht darum geht, lediglich einen Film wie üblich zu starten, um dann zu sehen, wie viele Zuschauer kommen und das Geld zurückzuzahlen, dass man dafür eine Vertriebsförderung erhalten hat. Wir versuchen wirklich etwas Neues, was auch nicht dadurch überflüssig wird, dass es jetzt schon den 'Roten Strumpf' und 'Rosi und die große Stadt' gegeben hat, denn die haben das nicht gemacht, die haben gerade diese Schwierigkeit unterschätzt. Wir versuchen eine Aufbauarbeit, die natürlich von uns für 'Bananen Paul' geleistet wird, aber wir allein können diese Struktur gar nicht halten. Wenn andere diesen gleichen Weg nicht auch gehen, bricht das wieder zusammen. Deshalb haben wir ein Interesse daran, das aus eigennützigen Interessen entwickelte gleichzeitig gemeinnützig zu machen, damit diese Wege begangen werden können und für alle begehbar sind. Wir wollen diese Dinge veröffentlichen und unsere Erfahrungen öffentlich machen. Das ist eine Struktur verbessernde Maßnahme, ohne die der Film nicht laufen wird. Man sollte auch nicht zu hochgespannte Erwartungen haben, wir wollen nicht Zuschauerzahlen erreichen, die irgendwie an die Grenze kommen, dass der Film seine Produktionskosten einspielt, aber wir möchten schon – auch wenn wir diese Schwierigkeiten sehen – einen Achtungserfolg erzielen. Wir wollen nicht so sang- und klanglos wieder in der Schublade verschwinden, wie es das Schicksal unserer Vorläufer war."

Zusammen mit Petra Haffter hast du die Firma C&H Film, die auch den "Bananen Paul" produziert hat. C&H Film plant ja schon den nächsten Kinderfilm "Der Zappler". Kannst du zu diesem Projekt etwas sagen?
"Wolfram Deutschmann ist ein Absolvent der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin, und wir werden im Sommer diesen Jahres drehen. Das ist ein Abenteuerfilm, bei dem es um einen Jungen im Rollstuhl geht, der von seinen Freunden Zappler genannt wird. Das ist eine Geschichte, an der wir immer noch arbeiten, wo wir auch schon wieder aus dem Film 'Bananen Paul' Lehren ziehen, obwohl das ein ganz anderer Film ist."

Aber er könnte eben von der Strukturverbesserung im Kinoabspiel, von der du vorher gesprochen hast, profitieren?
"Das will ich sehr hoffen. Ich bin ja auch nicht der Meinung, dass man nur noch Bären-Filme machen sollte und C&H Film wird auch nicht mehr nur Kinderfilme herstellen. Ich mache z. B. im Mai einen Dokumentarfilm für das Kino. Ich glaube, dass es weder für die Filme noch für Kinder gut ist, wenn die immer von solchen Spezialisten oder Pseudo-Spezialisten oder Berufskindern bearbeitet werden. Ich finde es besser, wenn noch mehr Regisseure des deutschen Films, die über große handwerkliche Fähigkeiten verfügen, auf die Idee kämen, Filme für ein jugendliches Publikum zu machen. Das finde ich wichtiger, als dass sich drei, vier Spezialisten herausbilden, die einen Kinderfilm nach dem anderen drehen – damit es da nicht zu Verblödungstendenzen kommt."

Das Gespräch führte Manfred Hobsch

 

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