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Ausgabe 53-1/1993

DIE DUMME AUGUSTINE

Produktion: R.S. Media GmbH im Auftrag des ZDF, Bundesrepublik Deutschland 1992 – Regie: Juraj Herz – Buch: Juraj Herz, Boris Hybner, nach dem Bilderbuch von Otfried Preußler und Herbert Lentz – Kamera: Dodo Simoncic – Schnitt: Jan Svoboda – Musik: Zdenek Merta – Darsteller: Therese Herz (Augustine), Bernhard Paul (August), Juraj Herz (Zauberer), Jan Preucil (Zirkusdirektor) u. a. – Länge: 87 Min. Farbe – FSK: o. A. – Verleih: Progress (35mm) – Altersempfehlung: ab 5 J.

In Zlín (vormals Gottwaldow, Schauplatz des jährlichen nationalen Kinderfilmfestivals der Tschechoslowakei und Heimstätte eines namhaften Filmstudios), beginnt die Geschichte um die Zirkusfamilie August. Regie in dieser deutschen Produktion führt der tschechische Regisseur Juraj Herz ("Das neunte Herz", 1978, "Galoschen des Glücks", 1986), und sein Herz – das merkt man – hat er im Film "Die dumme Augustine" dem Zirkus verschrieben: dem Zirkus Luna, der sich grad' so präsentiert wie der berühmte Zirkus Roncalli, verträumt, sanft und voller Poesie. Star dieses außergewöhnlichen Spektakels ist der "Dumme August", der Liebling der Kinder und der seiner Familie. Das sind Guggo und Gugga, Guggilein und die süße kleine Augustine, mindestens ebenso begabt wie ihr Mann. Aber sie ist, so will es nun mal ihre Rolle, ans buntbemalte Heim im Zirkuswagen gebunden. August bedauert es selbst, dass der größte Wunsch seiner Frau, "einmal ein richtiger Clown sein" in der Manege unerfüllt bleiben wird. Denn: "Du hast keine Zeit, du musst waschen, du musst kochen, du musst meine Kostüme reinigen, du hast einfach keine Zeit."

Trotzdem lässt sich Augustine ihren Traum nicht nehmen, sondern arbeitet täglich daran – beim Waschen, beim Kochen, beim Kostümereinigen. Und auch die Kindererziehung, das Zähneputzen, Köpfewaschen, ist ein clownesker Slapstick. Das Schicksal spielt ihr eines Tages in Form eines heftigen Zahnschmerzes des Gatten in die Hände. Die Zeit verrinnt, die Spannung steigt, wo ist August? Der war zwar schon beim Dr. Tunichtweh, der ihm wirklich nicht weh getan hat, aber beim Rückweg tut sich August mehr als schwer. Pannen, Umwege, Abwege. Die Kündigung droht der ganzen Familie, der Zirkusdirektor flucht, der rivalisierende Zauberer triumphiert, und Augustine lässt sich etwas einfallen, nutzt ihre Chance. Mit eigenen Ideen und Charme erobert sie nicht nur das Zirkuspublikum, sondern auch die Kollegen und ihre Familie. Das Ende ist ebenso schön wie der ganze Film. In Zukunft wird die Familie August alles nur noch gemeinsam machen, in der Manege wie im Haushalt.

"Die dumme Augustine" nach dem Bilderbuch von Otfried Preußler und Herbert Lentz ist eine Liebeserklärung an die Welt des Zirkus, naiv und professionell zugleich. Dem können sich selbst Menschen, die kein ausgesprochenes Faible für Zirkus haben (wie die Rezensentinnen) nicht verschließen. Es ist eine Freude, in dieses himmelblaue Silbersternchen-Ambiente einzutauchen, im Wohnwagen dabei zu sein ebenso wie in der Manege. Spiellust und Lebensfreude der Darsteller überzeugen. Bernhard Paul, der echte Clown aus dem Zirkus Roncalli, stand zum ersten Mal vor einer Filmkamera: "Im Zirkus machst du deine Nummer, und die Leute lachen an den richtigen Stellen oder nicht. Du hast die Kontrolle. Beim Film spielst du, wenn es nach Drehplan sein muss, das Ende vor der Mitte und dem Anfang. ... Da geht jeder Witz verloren. Ob du gut bist, erkennst du erst Monate später im Kino."

Er ist gut. Genauso gut aber ist Therese Herz als Augustine, theater- (u. a. Solotänzerin der "Laterna Magica") und filmerfahrene Ehefrau des Regisseurs, ein wahres Zirkustalent, in einem Film, der mit wenigen Worten auskommt, mit einfühlsamer wie schwungvoller Musik und liebevoll-witzigen Details – vom Mäusetheater bis zum mahnenden Uhrgeist – Atmosphäre schafft, eine Atmosphäre im Übrigen, die in bester Tradition zu den Filmen aus dem Heimatland des Regisseurs steht. Eine einfache Geschichte, knallbunt und poetisch, die Phantasie beflügelnd, geeignet auch für ganz kleine Zuschauer.

Gudrun Lukasz-Aden / Christel Strobel

Zu diesem Film siehe auch:
KJK 54-1/1993 - Interview - "Ich wollte keinen Problemfilm machen"

 

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Ausgabe 53-1/1993

 

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"Honigkuckuckskinder"|


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