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Ausgabe 9-1/1982

KLEINER MANN, WAS TUN

Produktion: Colorama, BRD 1981 – Regie und Buch: Uschi Madeisky, Klaus Werner – Kamera: Gerard Vandenberg, Jochen Radermacher – Ton: Gunter Kortwich, Jochen Schwarzert – Schnitt: Inge Schneider, Gisela Landsberg – Musik: Hans Artur Wittstatt – Darsteller: Savasch Ali Aykol, Janina Kinsky, Hilmar Hoffmann – Länge: 81 Min. – Farbe – 35 mm Breitwand: Colorama, Wolfsgangstr. 94, 6000 Frankfurt 1

"Kleiner Mann, was tun" – deutscher Beitrag beim Kinderfilmfestival in Frankfurt 1981 – greift sehr eindringlich, aber auch fröhlich und phantasievoll eine Situation auf, die bestimmt für viele Ausländer schnell zum Albtraum werden kann: die Ausweisung aus der Bundesrepublik Deutschland.

Savasch, siebenjähriger Türkenjunge in Berlin, erfährt zufällig, dass seine Familie in ein paar Tagen zurück in die Türkei muss. Vater und Mutter haben sich mit diesem Schicksal ohne Widerrede abgefunden, den Geschwistern ist der Ernst der Lage noch nicht bewusst. Aber Savasch kann und will diese Entscheidung nicht akzeptieren. Er weiß, dass alle Entscheidungen auf der Behörde und dort von dem Behördenobersten Remplingeling getroffen werden. Also macht er sich auf die Suche nach Remplingeling. Sein Weg führt ihn durch endlos lange, mit Menschen überfüllte Behördengänge und durch Amtszimmer, in denen die Sachbearbeiter nur noch ans Spielen denken. Alle sind mit sich selbst beschäftigt, niemand nimmt Savasch ernst. Ein Trick hilft ihm schließlich weiter. Ipek, seine kleine Schwester, die mittlerweile auch in die Behörde gekommen ist, freundet sich mit der Tochter des Behördenobersten, Janina, an. Und als Remplingeling Ipek nach Hause fahren will, schmuggelt sich Savasch ebenfalls ins Auto.

Das ist die Chance für Savasch. Remplingeling, der an jeder roten Ampel noch schnell ein paar Briefe ungelesen unterschreibt, setzt endlich auch seine Unterschrift unter den zugeschobenen Widerruf der Ausweisung. Die Einladung der türkischen Eltern, doch zum Essen zu bleiben, kann Remplingeling dann natürlich nicht mehr ablehnen. Er ist beeindruckt von der Gastfreundschaft der Türken.

"Kleiner Mann, was tun" ist ein Film, der sich ganz auf die Seite von Kindern stellt, der ihre Wünsche und Träume aufgreift und sie ernst nimmt. Hier wird Phantasie zur Wirklichkeit, das Unerreichbare erreichbar. "Was der Savasch erlebt oder was er tut, das lässt sich sehr leicht übertragen. Verwirklicht wurde in dem Film der Wunsch von Kindern, durchzuhalten gegen alle Widerstände der Umwelt, auch gegen die Widerstände, die ihnen von Erwachsenen entgegen gebracht werden. Dagegen anzutreten, den Mut haben, daraus noch als Sieger herauszukehren, das wollen wir vermitteln", so Klaus Werner. Mut machen für eigenes Handeln ist denn auch die Intention, die durchgängig in allen Sequenzen des Films erfolgreich umgesetzt wird. Savasch hat am Ende Erfolg, weil er mutig und unerschrocken ist, und weil er an sich selbst glaubt. "Wenn man etwas wirklich will und auch fest daran glaubt, dann klappt es auch meistens, genau wie beim Savasch", waren die Kommentare der Kinder nach dem Film. Dieses positive Gefühl wird noch verstärkt durch die vielen Spielszenen, Gageinlagen und komischen Situationen, die Pfiff und Leichtigkeit in die an sich ernste Handlung bringen.

Als Attraktivität für Erwachsene treten Altstars wie Gerhard Wendland, Nero Brandenburg, Heidi Brühl und der Frankfurter Kulturdezernent Hilmar Hoffmann auf. Für Kinder aber haben sie keinerlei Bedeutung. Der Witz ihres Auftretens bleibt daher allein den älteren Zuschauern vorbehalten. Wie schnell solch eine Besetzung auch ins Gegenteil umschlagen kann, zeigt sich, als Hilmar Hoffmann als schwer beschäftigter Behördenleiter unendlich lang, aus den verschiedensten Blickwinkeln gefilmt, auf der Leinwand erscheint. Eine Szene, die die Kinder durchweg langweilig und uninteressant fanden.

"Kleiner Mann, was tun" möchte aber auch auf Behördenwillkür und auf Schwierigkeiten im Umgang mit einer Behörde aufmerksam machen. Ausländer haben es ja besonders schwer, sich in dem Behördenwirrwarr zu behaupten. Doch inwieweit diese Problematik auch für Ausländerkinder wirklich von Relevanz ist, bleibt fraglich. Frankfurter Türken-Kinder, die ich gefragt habe, waren jedenfalls noch nie in einer Behörde und konnten die spezielle Problematik um den Brief und die Ausweisung nur schwer nachvollziehen. Wohl aber wollten auch sie nicht aus Deutschland fort, verstanden also den Wunsch von Savasch sehr gut. Für sie war der Gang durch Behörde ein Abenteuer, das manchmal ein wenig zu langatmig und farblos geraten ist.

Wirklich gelungen ist den beiden Frankfurter Filmemachern Uschi Madeisky und Klaus Werner dagegen die Darstellung des Lebens in einer türkischen Familie. Die beiden haben für ihre Recherchen zwei Monate lang in einer türkischen Familie gelebt, ihre Gewohnheiten und Lebensweisen studiert und diese Erfahrungen dann in den Film einfließen lassen. "Das ist genauso wie bei uns zu Hause", freute sich ein kleiner Türken-Junge. "Kleiner Mann, was tun" hilft vielleicht Vorurteile ab- und Offenheit und Zutrauen aufzubauen. Er trägt aber ganz sicher dazu bei, dass Kinder wieder voll Optimismus und Zuversicht aus dem Kino herauskommen.

Andrea Scherell

 

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