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Ausgabe 72-4/1997

DAS ERSTE MAL

Produktion: SWF / WDR / MDR / DFFB; Deutschland 1996 – Regie: Connie Walther – Buch: Connie Walther, Anke Schenkluhn – Kamera: Peter Nix – Schnitt: Carola Hülsebus – Musik: Reinhold Heil – Darsteller: Lavinia Wilson (Fili), Benno Fürmann (Ike), Hannes Jaenicke (George), Eva Hassmann (Nina) u. a. – Länge: 89 Min. – Farbe / s/w – Information: Deutsche Film- und Fernseh-Akademie Berlin, Heerstr. 18-20, 14052 Berlin, Tel. 030-3009040 – Altersempfehlung: ab 12 J.

Während ihre Freundinnen für irgendeinen Typ in ihrer Umgebung schwärmen, himmelt die 15-jährige Fili den Hollywood-Star Johnny Depp an. Seit fast einem Jahr schreibt sie ihm jeden Tag einen Brief und spricht ihre Erlebnisse auf Kassetten. Doch kurz bevor Fili in den Ferien zu ihrem Idol nach Los Angeles fliegen will, erfährt sie zufällig durch einen Bericht in einer Zeitschrift, dass Johnny nur auf Frauen "mit Erfahrung" steht. Natürlich will sie nun schnell das erste Mal hinter sich bringen. Doch die Entjungferung erweist sich schwieriger als gedacht, denn gleichaltrige Jungs sind ihr zu unerfahren und erfahrene Liebhaber kneifen, als sie Filis Pläne durchschauen. Übereifrig wie sie ist, lässt sich Fili von ihren ebenfalls größtenteils noch unerfahrenen Freundinnen zu einer Wette überreden, dass sie die Defloration innerhalb einer Woche schafft. Nun fängt der Stress erst richtig an ...

Dass es sich bei "Das erste Mal" um ein Spielfilmdebüt handelt, lässt sich in dem Pubertätsdrama von Connie Walter nicht übersehen, das als einziger deutscher Beitrag im Wettbewerb des Kinder- und Jugendfilmfestivals Lucas '97 in Frankfurt lief. Unbekümmert pendelt die 1962 geborene Regisseurin zwischen Phantasie und Realität hin und her, lässt einen neckisch kostümierten Schauspieler als Idol durchs Jungmädchenzimmer schweifen und gute Ratschläge geben, verkantet häufig die Kamera und packt Filis Träume und Visionen in körnige Schwarzweißszenen, die locker in das ansonsten farbige Filmgeschehen eingestreut werden. Nicht zuletzt die hohe Schnittfrequenz erinnert – wie auch bei der aktuellen österreichischen Techno-Komödie "Tempo" (siehe KJK Nr. 70-2/1997) – an die Videoclip-Ästhetik der Musikkanäle MTV und Viva.

Dialoge und Verhaltensweisen von Fili und ihren Freundinnen wirken in dem flott inszenierten Abschlussfilm der Berliner Film- und Fernsehakademie durchaus authentisch. Auch wenn die Story um die Irrungen und Wirrungen rund ums erste Mal manche melodramatischen Kapriolen schlägt, so kann man dem unterhaltsamen Film nicht absprechen, dass die starke Heldin ein hohes Identifikationspotenzial entfaltet, zumal sie von Lavinia Wilson ausdrucksstark gespielt wird. Benno Fürmann sieht als erster Kandidat fürs erste Mal zwar durchaus gut aus, bleibt aber als Johnny-Depp-Ersatz doch allzu holzschnittartig typisiert.

Im Bestreben zu zeigen, dass die Protagonistin trotz der schmerzlichen Erfahrungen bei der harten Konfrontation mit der schnöden Realität an ihren Ansprüchen festhält und ihre Träume so weit wie möglich zu bewahren versucht, schießt Walther am Schluss jedoch übers Ziel hinaus. Sowohl der plötzliche Unfalltod des Lovers als auch die überzogen stilisierte Urlaubsstrandszene mit der bis dahin praktisch bedeutungslosen Mutter wirken wie angepappt und lassen den ansonsten schlüssig inszenierten Film leider ins Sentimentale abkippen.

Beim Frankfurter Festival erhielt Walthers Film eine lobende Erwähnung. Der Jury gefiel besonders "die Direktheit und Offenheit, mit der er die ersten sexuellen Erfahrungen eines fünfzehnjährigen Mädchens schildert". Außerdem lobte die Jury die Schwarz-Weiß-Szenen, "weil sie Einblick geben in das Gefühlsleben des Mädchens". Wenige Tage danach wurde "Das erste Mal" auf dem Filmfest Hamburg mit dem Nachwuchspreis ausgezeichnet, den das Studio Hamburg zum 50-jährigen Bestehen des Unternehmens erstmals für Absolventen deutscher Filmhochschulen vergab. Der erste Preis ist mit 10.000 Mark dotiert.

Reinhard Kleber

Zu diesem Film siehe auch:
KJK 72-4/1997 - Interview - "Leitfiguren braucht man immer"

 

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