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Ausgabe 34-2/1988

IN DER ARCHE IST DER WURM DRIN

Produktion: MS-Film / Paramount Filmproduction GmbH München / United International Pictures / Artemis Film GmbH Berlin / ZDF, BRD / USA 1988 – Regie und Storyboard: Wolfgang Urchs – Creativ-Team: Armin Becker, Hal Clay, Harald Kraut, Ulrich Meyer, Miki Muster, Ferenc Rofusz, Wolfgang Urchs, Harold Whitaker – Hintergründe: Juan Japl, Bernd Deventer – Kamera: P. Salvagnac, H. Müller, C. Beyer, S. Schwerte, R. Coulon – Musik: Frank Pleyer – Titelsong: Karel Gott – Laufzeit: 81 Min. – Farbe – FSK: o. A., ffr. – Verleih: UIP (35mm)

Auf dem Berg Ararat sitzt in einem Stück Holz ein Holzwurm und erzählt von seinem Urahn Willi, der versehentlich mit auf die Arche Noah kam, eine weit verzweigte Familie gründete und mit dieser ein Komplott der mit bösen Funkelaugen versehenen Termiten vereitelt, die Arche mit einem Bomben-Ei in die Luft zu sprengen. Da ist viel an aktuellen Anspielungen auf Ost und West mit verbraten und einiges ist auch ganz hübsch gemacht und ausgedacht. Dennoch fehlt der Geschichte der richtige Zug, weil die Figuren zu wenig runde Charaktere haben und weil von manchem zuviel, von anderem aber zuwenig in diesem Film enthalten ist. Man kann diesen Film eigentlich nur empfehlen, weil einiges daran gut gemeint ist. Stilistisch ist er jedoch zu uneinheitlich und zu sehr mit Nebenthemen befrachtet. Die Termiten-Gefahr wird zudem nie greifbar, während man den Eindruck hat, dass die Holzwürmer diese Arche eigentlich längst zum Zerfallen bringen müssten, ehe der Film zu Ende ist. Da man die Termiten nie Löcher bohren sieht, sondern sie – wieso eigentlich? – ein Bomben-Ei legen, fragt man sich unwillkürlich, ob nicht die ins Tausendfache vermehrten Holzwürmer daran schuld sind, dass hier ein Balken, dort ein Zwischendeck bricht.

Doch gehen wir ein wenig ins Detail: Der Anfang ist interessant gemacht. Wir nähern uns aus dem Weltall der Erde in einer Kamerafahrt, bei der quasi Stück um Stück aneinander geblendet ist, weil jede Illustration nur ein bestimmtes Maß an Details aufweist. Um die Kamerafahrt ins Detail weiterführen zu können, muss also währenddessen jeweils in die nächste Illustration überblendet werden. Das sieht ganz gut aus und weckt Erwartungen, die der Film dann leider nicht einlöst. Wie sehr da an manchen Ecken und Enden gespart wurde, zeigt am Ende des Films die gleiche Kamerafahrt in umgekehrter Richtung. Die Kamera entfernt sich dabei mit größerer Geschwindigkeit von der Erde, als sie am Anfang darauf zugefahren ist. Aber leider funktionieren da die Überblendungen nicht mehr so gut; die Fahrt fängt zu holpern an. Das sieht nach 'Jetzt-nur-endlich-schnellfertig-werden-wollen' aus.

Auch an anderen Ecken musste offensichtlich gespart werden. Das Wasser der großen Flut ist mal animiert, mal gefilmt und graphisch bearbeitet. Die Arche sieht in Nahaufnahmen – in Relation zu den Figuren – groß aus. In anderen Szenen scheint sie als Realmodell gefilmt und wie das Wasser umkopiert zu sein; da wirkt sie dann auch wie ein Spielzeug und nicht wie ein riesiges Schiff, weil sie in Relation zu den Wellen zu klein ist. Aus Ersparnisgründen (finanziellen wie zeitlichen) hat man sich wohl entschlossen, die stilistischen Diskrepanzen des Films in Kauf zu nehmen und zu riskieren, dass von Szene zu Szene andere optische Aussagen getroffen werden. Der kindlich-naive Gottvater als Noes Bauherr (etwas sehr dem Wein zugetan) und Noe sind in einem anderen Stil animiert als die Sklaven. Willis Wurmfamilie wird anders animiert als die großen Tiere. Bei Bären und Elefanten wird man geradezu an Disneys Dschungelbuch erinnert, bei anderen Tierfiguren eher an die Animation im Stil der Biene Maja.

Das grundlegende Problem um den Aufbau der Geschichte und die nie wirklich verständlich werdende Gefahr, die von den Termiten ausgeht, wurde schon angedeutet. Böse leuchtende Augen und die Tatsache, dass sie Ameisenausdünstungen schnüffeln, genügen da einfach nicht. Nicht einmal die Gefangennahme von Willis Frau macht dramatisch wie dramaturgisch sehr viel her. Etwas befremdlich wirkt auch, dass manche Dinge einfach ohne Erklärung in den Raum gestellt sind, oder dass manche Szenen im Nichts verpuffen, aus denen man noch wesentlich mehr hätte machen können. So erfährt man nie, weshalb Noe so viele verschiedenartige Söhne hat. (Das Argument, das könne man ja in der Bibel nachlesen, lasse ich nicht gelten, auch deshalb nicht, weil gegen Ende des Films die Taube den Ölzweig als Zeichen für den Rückgang der Flut zur Arche bringt, ohne vorher von Noe weggeschickt worden zu sein.) Und selbst die aktuellen politischen Anspielungen sind so verkürzt, dass sie kaum noch ins Gewicht fallen.

Um es auf einen Nenner zu bringen: Für einen deutschen Zeichentrickfilm dieser Länge ist das ganze Projekt sicher so etwas wie ein Kilometerstein (Meilenstein wäre doch etwas zuviel gesagt). Im Vergleich mit der internationalen Zeichentrickproduktion, aber auch in seiner Erzählung, hält der Film aber nicht das, was man sich davon versprach. Das ist schade, weil so viele gute Ideen in dieser Arbeit stecken, die letztendlich jedoch von den vorhandenen Mängeln verdeckt werden.

Das intensive Bemühen, einen guten Film zu machen, hat leider nur einen Wald von Bemühen, aber keinen stattlichen Baum zuwege gebracht. Kein Wunder: Es ist ja von Anfang an der Wurm drin!

Wolfgang J. Fuchs

Zu diesem Film siehe auch:
KJK 75-2/1998 - Interview - "Der Zeichenfilm ist ein modernes Medium"

 

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