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Ausgabe 40-4/1989

DER KRIEG IST AUS

APRÈS LA GUERRE

DER KRIEG IST AUS

Produktion: G.P.F.I., Caméra Noire, TF1 Films Production, Gemini Filmproduktion, Frankreich 1989 – Regie und Drehbuch: Jean-Loup Hubert – Kamera: Claude Lecomte – Schnitt: Benedicte Brunet – Musik: Jürgen Knieper – Darsteller: Richard Bohringer, Antoine Hubert, Julien Hubert, Martin Lamotte, Isabelle Sadoyan u. a. – Laufzeit: 105 Min. – Farbe 35mm – Intern. Vertrieb: Präsident Films, 2, rue Lord Byron, F-75008 Paris – Vertrieb BRD: Gemini Filmproduktion, Mehlemer Str.6, 5000 Köln 51

Der Film spielt 1944, kurz vor Kriegsende, in der französischen Provinz. Die Einwohner eines Dorfes erwarten sehnsüchtig die amerikanischen Truppen, und die Brüder Antoine und Julien kündigen einen anrückenden Militärkonvoi als Befreier an. Doch es sind deutsche Truppen auf dem Rückzug, die den Bürgermeister, der noch das Sternenbanner hochhält, erschießen. Die beiden Jungen laufen davon. Unterwegs ernähren sie sich von dem, was ihnen in die Hände fällt. Dabei schließt sich ihnen der Schäferhund Tex an. In einer verfallenen Mühle treffen sie einen verletzten deutschen Soldaten, dem sie zweimal das Leben retten. Gemeinsam mit dem Deserteur, einem gebürtigen Elsässer, wandern sie auf abenteuerlichen Wegen weiter. In einem verlassenen Dorf essen sie sich im Wirtshaus erst einmal satt. Danach macht der Soldat auf seinem nächtlichen Streifzug eine furchtbare Entdeckung in der Kirche: Die gesamte Dorfbevölkerung ist von Deutschen hingemetzelt worden. Als US-Soldaten einrücken, stellt sich der geschockte Deserteur und wird standrechtlich erschossen. Die Kinder sehen ohnmächtig zu. Für sie ist der Krieg aus.

Dem Regisseur Jean-Loup Hubert ist mit seinem vierten Film das Kunststück gelungen, zum zweiten Mal nach 1987 einen Hauptpreis beim Internationalen Kinderfilmfestival in Frankfurt gewonnen zu haben. Die Kinderjury begründete die Vergabe ihres 'Lukas' damit, dass sie den Film "spannend, aufregend und witzig" fand.

Hubert hat ein Gespür für kindliche Bedürfnisse nach Abenteuer und Unterhaltung. Das liegt nicht zuletzt daran, dass er seine Familie eng in die Filmarbeit einbindet. Seine beiden Söhne Antoine und Julies spielen hier die gleichnamigen Hauptrollen. Auch in Huberts vorherigem Film "Am großen Weg" (1987) spielte Antoine eine Hauptrolle. Gegenüber diesem Film zeigen sich Huberts Stärken umso deutlicher, so vor allem sein Sinn für Situationskomik und für die differenzierte Zeichnung von skurrilen Figuren. Beim rundum gelungenen "Am großen Weg" profitierte Hubert von autobiografischen Erfahrungen. In "Der Krieg ist aus" wendet er sich einem eher konventionellen Thema zu: den kindlichen Erlebnissen in der französischen Provinz im Zweiten Weltkrieg. Hier hat Louis Malle mit "Auf Wiedersehen Kinder" (1987) bereits Maßstäbe gesetzt. Selbst im Vergleich zu Jacques Monnets unterschätztem Film "Großes Ehrenwort" (1987), in dem man sich auch nicht gerade langweilt, wirkt Huberts Film geradezu gehetzt, ja voll gepackt mit abenteuerlichen Anekdoten.

Ein Hauptmanko des Films liegt darin, dass eigentlich zwei Geschichten erzählt werden. Über weite Strecken sieht das Ganze nach einer spannenden Lausbubengeschichte aus; doch am Ende kommt plötzlich ein Soldaten-Melodram heraus. Paradigmatisch mag hierfür eine Sequenz kurz vor Filmende stehen: Während der von dem Massaker erschütterte Deserteur sich gegenüber den amerikanischen Soldaten unschuldig als schuldig bekennt und standrechtlich erschossen wird, schauen die beiden Jungen aus einem Wirtshausfenster hilflos zu. Als Akteure sind sie aus dem Zentrum des Geschehens buchstäblich als Voyeure an den Rand des Geschehens gedrängt worden.

Überdies wirkt dieser tragische Schluss mit seinem Pathos auf mich unglaubwürdig. Der Deutsch-Elsässer war als positiver Held angelegt – er hatte sich aus Überzeugung vom Krieg losgesagt. Dass er ohne Schuld für die Verbrechen ehemaliger Kameraden die Verantwortung übernimmt, bleibt dramaturgisch unmotiviert. Schade drum. Die Kinder der Frankfurter Festivaljury haben sich von diesem seltsamen Schluss bei ihrer Preisentscheidung allerdings nicht beeinflussen lassen. Sie fanden den Film "überzeugend, weil er kein Happy End hat".

Reinhard Kleber

 

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