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Ausgabe 34-2/1988

HASENHERZ

Produktion: DEFA-Studio für Spielfilme, Gruppe 'Johannisthal', DDR 1987 – Regie: Gunter Friedrich – Szenarium: Anne Goßens – Dramaturgie: Gerd Gericke – Kamera: Hans Heinrich – Schnitt: Ilona Thiel – Ton: Wolfgang Höfer, Helga Kadenbach – Musik: Bernd Wefelmeyer – Darsteller: Bettina Hohensee (Janni), Charlotte Bastian (Sabine), Clemens Ziesenitz (Sebastian), Volkmar Kleinert (Regisseur), Jaecki Schwarz (Kameramann) u. a. – Laufzeit: 80 Min. – Farbe

Janni, grazil, mit ganz kurzen Haaren und ganz großen Augen, ist in einer schwierigen Lebensphase: nicht mehr Kind und noch nicht Frau. Zudem – schlaksig, staksig und immer in Jeans – wird sie schon mal für einen Jungen gehalten. Sie ist scheu, 13 Jahre und den Hänseleien der Mitschüler ziemlich hilflos ausgesetzt. Die wiehern vor Vergnügen, wenn Janni beim Schwimmunterricht, zitternd vor Angst, nur einen Bauchklatscher zustande bringt. Sie liebt Verse von Heinrich Heine, die sie oft von ihrer Mutter gehört hat:

"Ein Jüngling liebt ein Mädchen, die hat einen andern erwählt;
der andre liebt eine andre, und hat sich mit dieser vermählt.
Das Mädchen heiratet aus Ärger den ersten besten Mann,
der ihr in den Weg gelaufen; der Jüngling ist übel dran.
Es ist die alte Geschichte, doch bleibt sie immer neu;
und wem sie just passierte, dem bricht das Herz entzwei."

Während Jannis robuste Mitschüler noch kein Gespür haben für ihren fragilen "Elisabeth-Bergner-Charme", ist der DEFA-Regisseur, der für einen Spielfilm einen zarten Prinzen sucht, von ihrer knabenhaften Erscheinung bezaubert. Er bittet sie zu Probeaufnahmen. Aber das tolle Angebot ist für Janni nichts weiter als eine schmerzliche Kränkung. Sie ist doch ein Mädchen! Wie kann ihr dieser Regisseur vor der ganzen Klasse eine Jungenrolle anbieten! Feixen die nicht schon genug über sie? Janni verlässt weinend das Klassenzimmer.

Zum Glück hat sie eine prima Mutter, der sie vertraut und die da ist, wenn man sie braucht, die zuhören kann und im entscheidenden Moment eben auch mal nichts sagt, sondern Janni einfach in die Arme nimmt. Schließlich – der Regisseur hat sich förmlich entschuldigt – ist Janni doch zu Probeaufnahmen bereit, aber nur, um sich absichtlich so ungeschickt anzustellen, zum Beispiel ganz mutig zu agieren, obwohl der Filmprinz ein "Hasenherz" sein soll, um nur nicht mit der Rolle besetzt zu werden. Es kommt alles anders: Aus der schüchternen Janni wird ein zauberhafter Märchenprinz mit Pagenkopfperücke, Samthosen und besticktem Wams, Spitzenkragen, Degen und Federbarett. Die neue Aufgabe belebt, und die blonde Sabine, der sie "ritterlich" bei einem kleinen Missgeschick zur Seite steht, verliebt sich dann auch prompt in den vermeintlichen, hübschen Jungen. Köstliche Situationen ergeben sich, die an Shakespeares Viola denken lassen, die ja auch in Männerhosen schlüpfte, und der dann die reizende Olivia nachstellte.

Und weiter geht's, verzwickt wie bei Shakespeare: In Sabines sympathischen Bruder Sebastian, der Janni für einen "Jean" hält, verliebt sich das Mädchen Janni! Liebeswirren von der schönsten Sorte.

Auch wer "Film im Film" mag, kommt auf seine Kosten, denn die Dreharbeiten zu 'Hasenherz' mit Janni in der Titelrolle werden vorgeführt: höchst amüsant, nicht unkritisch und fast immer mit einem Augenzwinkern. Eine Fülle gelungener Szenen bis zum Höhepunkt: Prinz Hasenherz überwindet seine Angst und kämpft gegen den Feuer speienden Drachen.

Janni, die nun zu einem richtigen Mädchen "erblüht" ist, verbeugt sich inmitten der Crew; die 'Hasenherz'-Premiere ist ein großer Erfolg, viel Beifall, auch von den vormals hämischen Mitschülern. Nur Sabine braucht noch eine Weile, bis sie es verwunden hat, dass sie sich in einen "falschen" Jungen verliebte. Janni und Sebastian sind zum Happy End wunderbar kitschig vereint – eine Liebeserklärung an die Traumfabrik!

Handwerklich ist alles erster Klasse, und die Schauspieler überzeugen, allen voran Charlotte Bastian als Sabine und Bettina Hohensee als Janni.

Dorothea Holloway

 

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