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Ausgabe 111-3/2007

Gespräch mit der erfolgreichen Münchner Kinderfilmproduzentin Uschi Reich

Reich, Uschi

(Interview zum Film DIE WILDEN HÃœHNER UND DIE LIEBE)

Mit Verfilmungen populärer Kinder- und Jugendbücher von Erich Kästner, Elfie Donnelly und Cornelia Funke hat sich Uschi Reich zur erfolgreichsten deutschen Kinder- und Familienfilmproduzentin emporgearbeitet. Zuletzt kam im April 2007 im Verleih Constantin der Jugendfilm "Die Wilden Hühner und die Liebe" in die deutschen Kinos, der inzwischen mehr als 850.000 Zuschauer gelockt hat. Zwar denkt die Münchner Produzentin nun doch schon über einen dritten Teil nach, zugleich warnt die Geschäftsführerin der Bavaria Filmverleih- und Produktions GmbH aber auch vor einem umsatzschädlichen Überangebot an Family Entertainment in den Kinos.

KJK: Wird es auch einen dritten "Hühner"-Film geben?
Uschi Reich: "Ja, sicher. Voraussetzung war, dass der zweite gut läuft und die Mädels noch mal mitspielen wollen. Sie wissen, wenn man in die Pubertät kommt und schon zwei Mal seine Sommerferien für die Dreharbeiten hergegeben hat, dann will man seine Ferien auch mal wieder anders verbringen. Bei den 'Wilden Kerlen' ist das auch nicht anders. Cornelia Funke wollte ursprünglich nur zwei Filme haben, so waren auch die Buchrechte verkauft worden. Aber jetzt gefallen ihr die Filme so gut und sie mag die Mädchen auch so gerne, dass sie sich sehr gut vorstellen kann, dass wir noch einen dritten Film machen. Allerdings müssen wir eine neue Story schreiben, weil die verbliebenen Bücher keine filmreife Geschichte mehr hergeben."

Würde Cornelia Funke denn am Drehbuch mitarbeiten?
"Ja, ich glaube schon. Wir haben uns in London zu einem Brainstorming getroffen und haben auch sofort etwas gefunden. Sie würde bei der Entwicklung der Handlung mitarbeiten und sicher an den Dialogen mitschreiben, weil ihr das sehr wichtig ist."

Stichwort "Wilde Kerle": Bei den Filmen dieser Reihe gehen ja auch viele Mädchen ins Kino. Wie sieht denn die Resonanz der Jungen bei den "Hühner"-Filmen aus?
"Ich glaube, Jungs gehen da freiwillig kaum rein, so wie auch Männer nicht freiwillig und allein in eine Komödie wie 'Der Teufel trägt Prada' gehen. In erster Linie kommen Mütter und Töchter, Mädchen und Frauen zu den 'Hühner'-Filmen. Damit stecken sie natürlich hinter den 'Wilden Kerlen' zurück, weil diese Filme auch von Mädels angeschaut werden, die die Filmjungs so toll finden. Im Kern sehe ich die 'Hühner'-Filme schon als Mädchen-Programm, was ja nicht schlecht ist. 'Bibi Blocksberg' war auch ein reiner Mädchenfilm und extrem erfolgreich. Wie man weiß, sind im Schnitt 53 Prozent der Kinobesucher weiblich, von daher also keine schlechte Zielgruppe."

Sie haben viele erfolgreiche Kinder- und Familienfilme hergestellt. Würde es Sie reizen, zur Abwechslung mal einen Film für Erwachsene zu produzieren?
"Ich habe mich schon ein ganzes Jahr darauf eingestellt. Ich führe mit Martin Moskowicz die Produktion zu 'Im Winter ein Jahr', den neuen Film von Caroline Link, durch. Den Film mache ich mit der Constantin, das wird meine Sommerbeschäftigung 2007. Das Drehbuch beruht auf der amerikanischen Novelle 'Aftermath' von Scott Campbell. Außerdem gehöre ich zu dem Vierer-Team, das Thomas Manns 'Buddenbrooks' fürs Kino und als TV-Mehrteiler verfilmen wird. Da ist es wichtig, frühzeitig die Weichen in die richtige Richtung zu stellen. Bei dem Projekt habe ich bei der Besetzung und am Drehbuch mitgewirkt. Außerdem habe ich die Verleihverhandlungen geführt."

Heißt das, dass Sie sich vorerst aus dem Family Entertainment-Bereich zurückziehen?
"Ich liebe es nach wie vor, Kinderfilme zu machen. Die Begeisterung, die Sie bei einem Kinderpublikum mitbekommen, werden Sie bei einem erwachsenen Publikum nie erleben. Das ist einfach irre, wenn die Kinder so glücklich aus dem Kino kommen und das auch zeigen. Leider muss ich jedoch feststellen, dass der Markt überfüllt ist, so dass nur noch die ganz starken Marken erfolgreich sind. Der 'Gesamtkuchen', das sind nur etwa 2,5 Millionen Zuschauer. Und wenn acht Filme gleichzeitig auf dem Markt sind, dann teilt er sich eben in kleinere Stücke, das heißt, die einzelnen Filme haben dementsprechend weniger Zuschauer. Ich bin nicht länger bereit, mit acht Filmen auf dem Markt zu konkurrieren, die sich alle um die wenigen Termine in den Ferien drängeln. Wenn ein Film dann nur 300.000 oder 400.000 Zuschauer erreicht, ist das frustrierend angesichts des großen persönlichen Einsatzes, den ein Kinderfilm erfordert."

Das klingt nach Rückzug vom Kinderfilm ...
"Das alles ist ausgesprochen schade, denn das macht Risikoprojekte in diesem Bereich fast nicht mehr möglich. Wenn weniger Zuschauer in die Kinderfilme gehen, dann wird auch das Engagement der Verleiher kleiner und damit die Finanzierung schwieriger. Wir wissen ja alle, dass Kinderfilme teuer sind. Lange Drehzeiten, aufwändige Betreuung. Ohne das geht es nicht. Und dann braucht man viel Geld, um die Filme herauszubringen. Das Genre, vor ein paar Jahren erst erfolgreich gemacht, wird in Deutschland auf eine ähnliche Art zerstört werden, wie es in den 80er-Jahren mit der deutschen Komödie passiert ist. Damals hat man ja häufig gehört, ich kann das nicht mehr sehen. So etwas Ähnliches passiert jetzt auch. Die Zuschauerzahlen zeigen es, die gehen längst nicht mehr in die Höhen, wie wir sie mit unseren Filmen vor Jahren erlebt haben.
Es wird einfach produziert, ohne wirklich darauf zu achten, wie viel Film der Markt überhaupt aufnehmen kann. Man ist ja schließlich in diesem Genre immer sofort mit starken amerikanischen Produktionen konfrontiert. Wenn der Markt so überfüllt ist wie zurzeit, muss man sich eben vorausblickend umsehen, auf welchen anderen Feldern man arbeiten kann."

Würden Sie denn bei aussichtsreichen Projekten zu den Kinderfilmen zurückkehren?
"Natürlich würde ich ausgewählte Stoffe noch machen. Ich habe vor einigen Monaten die Rechte zu 'Stoffel fliegt übers Meer' gekauft, dem einzigen Kinderbuch von Erika Mann. Das wird aber ein teurer Abenteuerfilm, denn die Geschichte spielt 1932 und erfordert viele Trickszenen. Es geht um einen Jungen, der als blinder Passagier mit dem Zeppelin allein nach New York fliegt und seinen reichen Onkel sucht, denn die Eltern sind so arm, dass sie ihr Leben kaum noch fristen können.
Außerdem denke ich über 'Bibi Blocksberg 3' nach. Da reizen mich die digitalen Effekte, mit denen man so eine eigene Welt erschaffen kann. Allerdings müssten wir dafür eine neue Bibi suchen, denn unsere Bibi – Sidonie von Krosigk – ist inzwischen 18 Jahre alt."

Interview: Reinhard Kleber

 

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