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Ausgabe 124-4/2010

DIE WILDE FARM

LA VIE SAUVAGE DES ANIMAUX DOMESTIQUES

Produktion: Les Films d'Ici / Looks Films / Studio Canal / Vie Des Hauts Prod. / France 2 Cinéma; Frankreich / Deutschland 2009 – Regie und Buch: Dominique Garing, Frédéric Goupil – Kamera: Jérôme Peyrebrune – Schnitt: Julie Pelat – Musik: Max Richter – Länge: 89 Min. – Farbe – FSK: o. A. – FBW: besonders wertvoll – Verleih: Polyband – Altersempfehlung: ab 6 J.

Die Dokumentarfilmer Dominique Garing und Frédérique Goupil schildern in ihrem Film, der auf einem Kinderbuch beruht, kenntnisreich und detailliert das Leben der Tiere auf einem Bauernhof in der französischen Provinz. Die angepeilte Zielgruppe der kleinen Kinder erfährt anschaulich, wie es auf einem solchen Hof zugeht, wie die einzelnen Tiergattungen miteinander auskommen und was passiert, wenn zahme auf wilde Artgenossen treffen. Als der alte Bauer ins Krankenhaus muss, bleiben seine Tiere allein zurück. Ohne Aufsicht genießen die zahmen Haustiere, die Katzen, Schweine, Hühner, Pferde, Enten und Gänse, die neue Freiheit und erkunden den Hof und seine Umgebung. Da tanzen auch schon mal die Mäuse auf den Tischen. Bei einigen der Haustiere erwachen sogar verschüttete animalische Instinkte, etwa wenn ein neugieriges Hausschwein im benachbarten Wald auf ein Wildschwein trifft. Notgedrungen müssen die Hofbewohner sich nun selbst ihr Futter suchen. Doch bevor auf dem Hof das Chaos ausbricht, treffen die Kinder des Bauern ein und sorgen für etwas Ordnung. Sie bringen neue tierische Hofbewohner mit, die sich mit den alteingesessenen arrangieren müssen. So muss zum Beispiel ein neu eingetroffenes schwarzes Huhn lange suchen, bis es endlich ein ruhiges Fleckchen gefunden hat, wo es seine Eier legen kann.

In einer Zeit, in der viele Kinder in westlichen Industriestaaten zwar aus dem Zoo oder dem Fernsehen alle möglichen exotischen Tiere kennen, aber aus eigener Anschauung keine Hausschweine, Hühner oder Gänse mehr, kommt ein putziger Naturfilm wie "Die wilde Farm" gerade recht. Die halbdokumentarische Produktion dürfte bei den kleinen Zuschauern vor allem mit vielen Aufnahmen von Tierbabys wie zum Beispiel verspielten Katzenjungen punkten. Dominique Garing und Frédérique Goupil kombinieren durchaus geschickt dokumentarisches Material mit nachgestellten Szenen, die den erzählerischen Rahmen bilden. Sie konnten dabei aus dem Vollen schöpfen, standen ihnen doch 200 Stunden Bildmaterial zur Verfügung, das sie in zwölf Wochen aufgenommen haben. Das 89-minütige Resultat wartet denn auch mit vielen hübschen Beobachtungen auf.

Zentrales Strukturelement ist der ewige Kreislauf des Lebens von der Paarung über Geburt und Aufzucht bis zum Tod. Der filmische Bilderbogen reicht dabei von Tieren, die im Frühling in Paarungslaune kommen, bis zum mörderischen Angriff eines Fuchses auf ein Huhn. Das Erzähltempo ist so bedächtig, dass sich vor allem im Mittelteil einige Längen einschleichen. Die nötigen Informationen über Lebensweise und Eigenheiten von Kuh und Igel, Truthahn und Schwein, Pferd und Eule liefert ein betulich-rührseliger Off-Kommentar, den in der deutschen Synchronfassung die Schauspielerin Luise Bähr ("Der Landarzt") spricht. Leider beschränken sich die Texte nicht aufs sinnvolle Erläutern, sondern paraphrasieren oft das, was man im Bild ohnehin schon sieht, oder verfallen in Plattitüden über die Schönheit der Natur oder den Kreislauf von Leben und Vergehen. Die niedliche Diktion soll wohl Vorschulkinder ansprechen, wirkt auf erwachsene Zuschauer aber unecht und anbiedernd. Erfreulicherweise verzichtet die deutsch-französische Koproduktion, deren deutscher Verleihtitel den falschen Eindruck erweckt, als ginge es auf dem Bauernhof drunter und drüber, weitgehend auf die naheliegende Vermenschlichung der Tiere. Sie zeigen oder erwähnen vielmehr auch, dass viele der Tiere eines natürlichen Todes sterben oder früher oder später ihrer Bestimmung als Fleischlieferant zugeführt werden wie fast alle Ferkel. Gewaltszenen sind allerdings auf ein Minimum reduziert. Insgesamt ein ebenso anschaulicher wie lehrreicher Naturfilm, der Lust macht, sich selbst einmal auf einem Bauernhof umzusehen.

Reinhard Kleber

 

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Ausgabe 124-4/2010

 

Inhalt der Print-Ausgabe 124-4/2010|

Filmbesprechungen

BAL – HONIG| BIS AUFS BLUT – BRÜDER AUF BEWÄHRUNG| GOETHE!| HARUN – ARUN| I KILLED MY MOTHER| ICH BIN KALAM| KONFERENZ DER TIERE| MEIN LIEBSTER FEIND| OSKAR UND DIE DAME IN ROSA| SKELLIG| THEMBA| DIE WILDE FARM|

Interviews

Gaviria, Carlos - "Ich wollte ein Porträt von Kolumbien drehen"| Schmitt, Eric-Emmanuel - "In unseren Städten versteckt man den Tod"| Tirard, Laurent - "Das Parfüm der Kindheit"|

Hintergrundartikel

IEP!| WEIL DER MENSCH EIN MENSCH IST|


KJK-Ausgabe 124/2010

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