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Ausgabe 26-2/1986

LIEBE MICH!

ÄLSKA MEJ!

Produktion: Svensk Filmindustri / Esselte Video / Swedish Television-SVT 2 / Svensk Filminstitutet, Stockholm, Schweden 1985 – Buch: Kay Pollak, Binnie Kristal-Andersson, in Zusammenarbeit mit Johanna Hald, Ola Olsson – Regie: Kay Pollak – Kamera: Roland Sterner – Schnitt: Thomas Holewa – Ton: Owe Svensson, Bo Persson – Musik: Allan Pettersson, Gustav Mahler, Antonin Dvorak, Aston Reymers Rivales u. a. – Darsteller: Anna Lindén (Sussie), Tomas Fryk (Tomas), Lena Granhagen (Martha), Tomas Laustiola (Gunnar) u. a. – Laufzeit: 124 Minuten – Farbe – Weltvertrieb: Svensk Filminstitutet, P.O.Box 27 126, S-10 252 Stockholm

Ohne Kontakt zu ihrer alkoholabhängigem Mutter und in Heimen aufgewachsen, bekommt die 15-jährige Halbwaise Sussie eine letzte Chance: Sie wird, zunächst für ein Wochenende, in die Obhut von Pflegeeltern genommen. Sussie, das einsame Großstadtkind, mit den ihres Milieus entsprechenden harten, nicht nur verbalen, Umgangsformen, aber auch das sich nach Liebe, Zuneigung und Wärme sehnende, hilflose Mädchen, wird in ein scheinbares Idyll – Sussie bekommt ein Zimmer mit Blümchentapete – hineingepflanzt. In ihrer gespaltenen Situation – erwachsen und unabhängig, aber auch als liebesbedürftiges Kind behandelt werden zu wollen – ruft Sussie im Haus ihrer Pflegeeltern einen schonungslosen Machtkampf zwischen ihr und den Erwachsenen hervor. Verbale Attacken, Handgreiflichkeiten und der Sprühdoseneinsatz an Wänden und Mobiliar, lassen die Geduld des Pflegevaters Gunnar, im Gegensatz zu seiner Frau Martha, schnell zu Ende sein. Ungewollt rüttelt Sussie auch an die nur noch äußerlich funktionierende und gefühlskalte Ehebeziehung von Gunnar und Martha. Sie zwingt die beiden, sich noch einmal emotional zu engagieren, sich noch einmal miteinander auseinander zu setzen.

Nicht permanent ist Sussie auf Hochtouren. Es gibt Momente, die für das verhärtete Mädchen so etwas wie Hoffnung und Zukunft versprechen. Mit dem scheuen Tomas, dem 18-jährigen Sohn der Pflegeeltern, verbringt Sussie bei einem Ausflug eine zärtliche, liebevolle Nacht. Aber Stunden später erfasst sie nüchtern und kühl wieder die Situation und kann nicht glauben, dass einer wie er und sie zusammenpassen können und verschwindet dort, wo sie sich auskennt: in ihrem Milieu. Erneut beginnt der Kreislauf von Ausreißen, Aufgegriffenwerden und diesmal Sussies freiwilliger Rückkehr. Ein wirklich erstes minimales Zeichen, sich verständigen zu wollen, das von Gunnar zunächst abgewiesen wird. Er benachrichtigt die Behörden, um dann, nach einer offenen Auseinandersetzung mit seinem Sohn und seiner Frau den Entschluss rückgängig zu machen – vielleicht zu spät, denn Sussie ist nicht mehr im Haus auffindbar.

Sussie ist nicht nur eine Herausforderung an die (Film-)Pflegeeltern! Der Zuschauer wird gleichermaßen gefordert. Er wird in seinem Kinosessel unweigerlich auf seine eigenen Toleranzgrenzen gegenüber einem "Sozialfall", wie dem der Sussie, stoßen und diese für sich klar erkennbar machen können. "Liebe mich!" prüft jeden, ob er zu lieben bereit ist.

Dem Film hätte allerdings nicht geschadet, wenn Kay Pollak sich in seiner Geschichte auf die Entwicklungen im Pflegeelternhaus beschränkt und die Episode des psychopathischen Katzenliebhabers oder die des imaginär Gitarre spielenden Dorftrottels weggelassen hätte. Die Inszenierungen in der Umgebung der Pflegeeltern beinhalten alles, um dem Zuschauer, den Charakter und die Situation des verletzlichen und zwiespältigen Mädchens und das Aufbrechen des scheinbaren Familienidylls zu vermitteln.

"Liebe mich!", der schwedische Wettbewerbsbeitrag der diesjährigen Berlinale und nach "Elvis, Elvis" (1977) und "Heimliche Ausflüge"/"Insel der Kinder" die dritte Spielfilmarbeit von Kay Pollak, stellt sich erneut unmissverständlich auf die Seite der Kinder und Jugendlichen. "Liebe mich!" fordert unüberseh- und unüberhörbar Erwachsene auf, sich ihrer/aller Kinder anzunehmen.

Arnold Hildebrandt

 

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