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Ausgabe 26-2/1986

NATTY GANN

THE JOURNEY OF NATTY GANN

Produktion: Walt Disney Productions / Silver Screen Partners II, USA 1985 – Buch: Jeanne Rosenberg – Regie: Jeremy Kagan – Kamera: Dick Bush – Schnitt: David Holden – Ton: Leslie Shatz – Musik: James Horner – Darsteller: Meredith Salenger (Natty Gann), Ray Wise (Sol Gann), John Cusack (Harry) u. a. – Laufzeit: 101 Minuten – Farbe – 35mm-Verleih: TCF

"Braunkäppchen und der liebe Wolf"

Es war einmal ein Mädchen, das Natty hieß und in Chicago aufwuchs, zu einer Zeit, da Arbeitslosigkeit und Depression das Leben der Menschen in den Vereinigten Staaten von Amerika bestimmten, der armen jedenfalls. Und Natty war arm, weil ihr Vater keine Arbeit hatte. Die reichen Leute hingegen konnten sich ihre Arbeiter aussuchen und sie überall hinschicken. Nattys Vater wurde fortgeschickt, zum Holzfällen ins ferne Seattle. Er hatte nicht einmal mehr Zeit, seinen Brotbeutel zu packen und seiner Tochter Lebewohl zu sagen, da sie, wie so oft, nicht zu Hause war, sondern durch die Straßen stromerte, wie ein Junge aussehend: lange Hosen, Joppe, Ballonmütze, alles aus derbem braungrauem Stoff, so derb wie das Leben um sie herum.

Der Vater beschwor eine Freundin, auf das Kind aufzupassen, bis er genügend Geld zusammenhätte, um Natty nachzuholen. Doch die Frau war böse wie eine Stiefmutter. Deshalb riss Natty aus und machte sich auf die Suche nach dem verlorenen Vater, sprang auf fahrende Züge, nächtigte im Freien, unterdrückte ihre Angst. Auch die vor einem Wolf, der ihr mit blutrünstigem Maul gegenüber stand und sich an ihre Fersen heftete. Der Abstand zwischen Mensch und Tier wurde immer kleiner. Aber der Wolf war kein böser, sondern ein lieber Wolf. Mit ihm – der so treu wie kein Mensch zuvor zu ihr gewesen war – durchquerte Natty den Kontinent. Er bewachte jeden ihrer Schritte, ihren Schlaf, knurrte oder biss Angreifer weg. Zusammen bestanden sie alle Gefahren. Eine Traum-Freundschaft, die nicht ewig währen kann: Angelockt durch das Heulen seiner Artgenossen geht der Wolf zurück in die Wälder. Doch Natty bleibt nicht lang allein. Sie findet ihren Vater, sinkt ihm in die – wenn auch verletzten – Arme. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.

Das ist der Stoff, aus dem "Natty Gann" gemacht ist, ein Film von Walt Disney Picture im Märchenformat, in dem alles perfekt in Szene gesetzt ist: das Lebensgefühl jener Zeit, das Lebensumfeld, die Schauspieler, ganz besonders der Wolf. Auch das Ambiente, die Kostüme, Frisuren, stimmen. Und so grandios die Landschaften – so herzergreifend die Freundschaft zwischen Mädchen und Wolf. Zyniker könnten das Ganze als Kitsch abtun, aber in jedem Fall: Es ist ein Kitsch vom Feinsten, ein Fantasy-Film der Gefühle.

Gudrun Lukasz-Aden

 

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