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Ausgabe 38-2/1989

KAI AUS DER KISTE

Produktion: Fernsehen der DDR, hergestellt im DEFA-Studio für Spielfilme, DDR 1988 – Regie: Günter Meyer – Drehbuch: Günter Meyer, nach dem gleichnamigen Kinderbuch von Wolf Durian – Dramaturgie: Anne Goßens – Kamera: Wolfgang Braumann – Schnitt: Helga Wardeck – Ton: Harry Fuchs, Wolfgang Staab – Musik: Johannes Schlecht – Darsteller: Christoph Zeller, Jürgen Watzke, Klaus-Dieter Klebsch, Brigitte Möhring u. a. – Laufzeit: 93 Min. – Farbe – Verleih: Unidoc (35mm)

Frei nach dem in Ost und West bekannten und verlegten Kinderbuch "Kai aus der Kiste" von Wolf Durian hat Günter Meyer ein Kinder-Musical – übrigens das erste in der DDR – inszeniert. Ein Genre, das nicht gerade zum stärksten Metier deutscher Regisseure gehört. Umso beachtlicher, was hier zu sehen und zu hören ist. Günter Meyers Film vermittelt vital, farbig und lebensnah ein Stück Zeitgeschichte, unterstützt von der mitreißenden wie einfühlsamen, im Stil der 20er-Jahre komponierten Musik von Johannes Schlecht. Kinder und Jugendliche (bei den Festivals in Gera und Berlin) reagierten begeistert, Kritiker eher kritisch.

Die Geschichte spielt im Berlin des Inflationsjahres 1923. Hunger regiert, das Geld verliert immer mehr an Wert, Erwachsene und Kinder leiden Not. Doch die Kinder lassen sich von den niederdrückenden Lebensumständen nicht erdrücken. Als Mac Allan, ein offensichtlich reicher Amerikaner, im feinsten Hotel der Stadt absteigt, um für seinen Kaugummi den Reklamekönig zu suchen, hat Kai, ein typischer Berliner Junge – kess, helle und gewitzt – schier unerschöpfliche Ideen. Das beginnt mit seinem Auftritt im Hotel, setzt sich fort im Ausschalten der Erwachsenen-Konkurrenz und im Erfinden von Werbegags, die selbst Profis zum Staunen bringen. Kai mobilisiert seine Freunde, und die gesamte Clique macht sich auf, um die Stadt mit der Kaugummimarke "Bäng" bekanntzumachen. Das geht Schlag auf Schlag, "Bäng" gegen "Bong".

Es macht Spaß, zuzuschauen, wie die Kinder die Werbetrommel rühren, wie sie respektlos Erwachsene austricksen. Doch so erfolgreich der Werbefeldzug der Kinder auch ist, mit dem in Aussicht gestellten Hauptgewinn wird es trotz Punktsieg nichts. Die Berliner Polizei stoppt den Werberummel, dem Amerikaner ist es recht, denn er hat bekommen, was er wollte: auf kostenlose Weise tolle Werbe-Ideen. Die Kinder sind sauer und malen sich aus, wie sie sich rächen können. Der Appetit auf Kaugummi ist ihnen vergangen und auch der Glaube, dass jeder Amerikaner ein reicher und auch "guter Onkel" ist.

Trotz einiger Übertreibungen und Simplifizierungen, was die Werbe-Gags betrifft oder auch die Zeichnung der Erwachsenen, ist "Kai aus der Kiste" ein empfehlenswerter Film, der nicht nur Vergnügen macht, sondern zugleich neugierige Fragen bei den Kindern auslöst, wie zum Beispiel: Hat ein Brot wirklich fünftausend Mark gekostet? Bekamen die Kinder für hundert Dollar Billionen von Mark? Und: Was ist eigentlich Inflation? So wird Kindern, durchaus beabsichtigt vom Regisseur, auch ein Stück deutscher Zeitgeschichte nahe gebracht. Ein (Neben-)Effekt, den die Kinderjury in Gera honoriert hat. "Kai aus der Kiste" erhielt beim Nationalen Kinderfilmfestival der DDR den Preis mit der Begründung: "Die lustigen, aufregenden, aber auch traurigen Erlebnisse Kais haben uns sehr beeindruckt. Der Film ließ uns über die Vergangenheit nachdenken. Die damalige Zeit war für viele Menschen sehr schwer. ... Schön, wie sie sich immer gegenseitig geholfen haben."

Gudrun Lukasz-Aden / Christel Strobel

Zu diesem Film siehe auch:
KJK 38-2/1989 - Interview - Filmmusik als emotionaler Kommentar

 

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