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Ausgabe 38-2/1989

DAS ZAUBERHAFTE LAND

THE WIZARD OF OZ

DAS ZAUBERHAFTE LAND

Produktion: Mervyn LeRoy für MGM, USA 1939 – Regie: Victor Fleming – Drehbuch: Noel Langley, Florence Ryerson, Edgar Allen Woolf, nach dem Märchen von Lyman Frank Baum – Kamera: Harold Rosson – Musik: Herbert Stothart, Harold Arlen – Songtexte: E. Y. Harburg – Ausstattung: Cedric Gibbons – Darsteller: Judy Garland, Frank Morgan, Ray Bolger, Bert Lahr, Jack Haley, Billie Burke, Margaret Hamilton – Laufzeit: 100 Min. – Farbe/schwarzweiß – FSK: ab 12, ffr. – Verleih: UIP (16mm)

Die kleine Dorothy wohnt mit Onkel und Tante auf einer Farm in einem trostlosen Landstrich in Kansas. Ein furchtbarer Wirbelsturm trägt das Mädchen in ein geheimnisvolles Reich hinter dem Regenbogen, das der Zauberer von Oz beherrscht. Nur dieser Magier, so lässt sie sich sagen, kann Dorothy die Rückkehr nach Hause ermöglichen, und so folgt sie einer Straße aus gelben Ziegelsteinen, die sie zur Stadt Oz führen soll. Auf diesem Weg schließen sich ihr ein feiger Löwe, ein blecherner Holzfäller und eine Vogelscheuche an. Auch sie erhoffen sich etwas vom Zauberer: der Löwe Mut, der Blechmann ein menschliches Herz und die Vogelscheuche mit ihrem Kopf aus Stroh Verstand. Der Zauberer, den sie nach vielen Abenteuern finden, will ihnen nur helfen, wenn die vier eine böse Hexe bezwingen, die seine Herrschaft bedroht. Dorothy und ihre Freunde erfüllen die Aufgabe tatsächlich, aber der Zauberer entpuppt sich als Schwindler. Er ist nicht mehr als ein Taschenspieler, der mit seinen Tricks die Zauberkräfte nur vortäuschte. Trotzdem findet Dorothy den Weg zurück nach Kansas. Er ist einfacher, aber auch zauberhafter, als sie es erträumt hätte. Und was ihre Gefährten angeht: Die hatten während der gefährlichen Irrfahrt durch das Zauberreich genügend Gelegenheit zu beweisen, dass sie sowohl Mut und Herz als auch Verstand genug haben.

Victor Flemings Film war vor 50 Jahren eine Sensation. Das mit ungewöhnlich großem Aufwand produzierte Musical setzte Maßstäbe für dieses Genre und begeisterte ein riesiges Publikum aus Kindern und Erwachsenen. Die Rolle der Dorothy machte Judy Garland zum Star, und ihr Name blieb untrennbar mit den Oscar-gekrönten Songs "Somewhere over the Rainbow" und "We're off to see the Wizard" verbunden. Dabei war die damals 16-Jährige nur zweite Wahl auf der Wunschliste des Produzenten Mervyn LeRoy gewesen. Ursprünglich sollte die Königin unter den Kinderstars, Shirley Temple, die Dorothy spielen. Sonst aber stimmte alles bei diesem Projekt: Die Vorlage, der 1900 erschienene Roman von Lyman Frank Baum war bereits ein Klassiker. Baums phantasievolles und eigenwilliges Buch hatte eine amerikanische Tradition des Märchens geschaffen und war bereits mehrmals für den Film aufgegriffen worden. Das Budget, das die Produktionsfirma MGM zur Verfügung stellte, gab dem Ausstatter Cedric Gibbons weitgehende künstlerische Freiheit. Gibbons, bis zu seinem Tod 1956 mit elf Oscars ausgezeichnet, ist neben LeRoy der eigentliche Vater des Films. Er schuf die märchenhafte, geistreiche und phantasievolle Atmosphäre des Films, die Judy Garland zu einer vollendeten Darstellung inspirierte und die das Publikum schlicht mitriss. Als Glücksfall erwies sich sogar, dass Regisseur Victor Fleming die Dreharbeiten vor Abschluss verließ, um "Vom Winde verweht" zu übernehmen. Sein Nachfolger am Set, King Vidor, drehte die legendären Szenen mit Dorothys großen Songs.

Mitten in der Depression erzählte dieser Film den Zuschauern ein Märchen davon, wie durch Mut, Tatkraft und Hilfsbereitschaft alle Unbill beseitigt wird. Er erzählte, dass sogar das ungerechtfertigte Vertrauen in falsche Autoritäten den Aufrechten nicht zu Fall bringen muss, solange sein Vertrauen in sich selbst zu Recht besteht und er nicht allein ist. Er erzählte, dass es zu Hause noch immer am allerbesten ist, auch wenn das Zuhause nur eine schäbige Farm in einem rauen Land sein sollte. Er erzählte dies in aller Naivität so überzeugend, so einnehmend, dass "The Wizard of Oz" seine Zuschauer noch nach Jahrzehnten in Bann schlug, wenn er wieder auf dem Spielplan der Kinos auftauchte oder alljährlich zu Weihnachten im US-Fernsehen gesendet wurde. "Die gelbe Ziegelsteinstraße (The Yellow Brick Road)" wurde zum gebräuchlichen Symbol für Kindheit schlechthin.

Im deutschen Sprachraum erlangten weder Baums Märchen (das jetzt in einer wunderschönen, preiswerten, von Janosch illustrierten Ausgabe im Cecilie Dressier Verlag vorliegt) noch Flemings Verfilmung die Bedeutung, die beide Werke in den USA haben. Und so war "Das zauberhafte Land" lange Zeit in der Bundesrepublik nicht im Kino zu sehen. Nachdem das Märchen-Musical in der Retrospektive des letzten Essener Kinderfilm-Festivals einen überraschenden Erfolg hatte, ist es nun auch im 16mm-Format wieder bei UIP zu haben.

Zum Glück. Es liegen zwar unübersehbar 50 Jahre zwischen diesem Film und uns, aber "The Wizard of Oz" gehört zu den Werken, deren künstlerische Konzeption, deren Stimmigkeit und Harmonie sein Alter vergessen lassen. Was Cedric Gibbons an Atmosphäre schuf, ist auch nach heutigen Maßstäben hervorragend und wirkt zum Beispiel in seiner raffinierten Farb-Dramaturgie weniger verstaubt als viele der neueren, konventionellen Märchenverfilmungen. Großen Anteil daran hat auch die Rolle der Dorothy. Das Mädchen weiß, was es will. Und es hat einerseits genug Tatkraft, das auch durchzusetzen, andererseits genug Einfühlungsvermögen, ihren Traum und ihre Kraft mit anderen Unglücklichen zu teilen. Sie ist es, die die kleine merkwürdige Gruppe von Abenteurern zusammenhält, auch wenn die Gefährten sie von Zeit zu Zeit aus Gefahren erretten müssen.

Mit dem Film "Das zauberhafte Land" ist ein Klassiker des Musicals, ein Klassiker der Märchenverfilmung wieder verfügbar. Und er ist so jung geblieben, wie es das unbarmherzige Publikum immer von seinem Star Judy Garland verlangt hatte. Jung in der (mit Abstrichen) starken Mädchenfigur, jung in der perfiden Idee, im Märchen einen Schwindler auftreten zu lassen, jung auch in der Art, wie Dorothys Gefährten während des Abenteuers zu sich selbst finden. Und jung natürlich auch in der guten Portion Hollywoodschen Zuckergusses, ohne den es ja – wenn auch anders gestylt – auch heute nicht geht.

Albert Schwarzer

 

Bundesverband Jugend und Film e.V.DAS ZAUBERHAFTE LAND im Katalog der BJF-Clubfilmothek unseres Online-Partners Bundesverband Jugend und Film e.V.

 

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