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Ausgabe 51-3/1992

Ein leiser Film zwischen Phantasie und Wirklichkeit

Gespräch mit Rolf Losansky über seinen neuen Film "Zirri – das Wolkenschaf"

(Interview zum Film ZIRRI – DAS WOLKENSCHAF)

KJK: Zunächst einmal möchten wir gerne etwas über die Geschichte, wie es zu diesem Film kam, wissen.
"Der Titel 'Zirri – das Wolkenschaf' kommt von der Wolkenform, der Cyrruswolke. Bei uns gab es ein Bilderbuch von Fred Rodrian, das hieß 'Das Wolkenschaf'. Aber das Gespräch über dieses 'Zirri Wolkenschaf' ist schon länger als zehn Jahre her – Fred Rodrian ist leider schon tot – wir waren beide damals in der Jury beim Kinderfilmfestival in Gera. Ich sagte ihm, dass ich gerne aus seinem Bilderbuch einen Bilderfilm machen würde, und darauf er: Na mach doch – er war ein sehr angenehmer und freundlicher Mensch. Die einzige Hemmung, die ich bei der Filmidee immer hatte, war – das gebe ich ehrlich zu – dass er in den Mittelpunkt einen Polizisten gestellt hatte, und da ich Uniformen nicht so sehr liebe, wollte ich keinen Polizisten haben. So steht in meinem Film im Mittelpunkt die Oma, die ja überall in der Welt und auch bei uns hier in Deutschland zur ganzen Familie beiträgt. Diese Oma spielt Walfriede Schmitt von der Volksbühne, im 'Schulgespenst' spielte sie die nervöse Direktorin, und hier kann sie mal ne liebenswerte Rolle spielen, und die spielt sie mit allem Können: eine relativ junge Oma, auch eine moderne Oma, die Kopfstand kann, die sportlich ist, die aber auch Märchen erzählen kann. Das ist das Schöne bei der Oma."

Worum geht's in dem neuen Film?
"Christine, von allen 'Schiene' genannt, fährt in den Ferien zur Oma, wo sie sich richtig erholen kann; sie kommt aus der Stadt, aus der Baumstraße, die aber keine Bäume hat, nur Betonhäuser. Sie kommt also aufs Land und da entdeckt sie eines Tages ein Schaf, das nur etwas Ähnlichkeit hat mit denen, die ihr Opa, der Schäfer, besitzt. Alle zweifeln daran, bis sie erkennen, sie hat ein Wolkenschaf entdeckt. Alle entdecken es auch nicht gleich, und manche können es gar nicht sehen. Es können nur die Menschen sehen, die dem Wolkenschaf helfen wollen – und darum geht es – dass es wieder an den Himmel zurückkommt. Also der Schornsteinfeger, und der Feuerwehrhauptmann Schiene kümmern sich darum, dass dieses Wolkenschaf wieder da hoch kommt, und alle guten Menschen dieser Welt helfen ihr dabei – mit einer Ausnahme: ein Schnapsfabrikant, der furchtbar raucht und dessen Schornstein furchtbar raucht, und sowohl Zigarre als auch Schornstein produzieren schwarze Schafe, die unser Wolkenschäfchen vom Himmel herunter gestoßen haben. Was ich jetzt erzähle, ist natürlich nicht in der Bildergeschichte von Fred Rodrian, das ist modernisiert im Hinblick auf unsere kranke Umwelt."

"Zirri – das Wolkenschaf" ist auch wieder ein Film zwischen Phantasie und Wirklichkeit, eine Mischung aus Realfilm mit Trickelementen.
"Der Trick ist ähnlich wie beim 'Schulgespenst'. Wenn wir auch von der Flachfigur wieder ausgehen, so hat doch dieses Wolkenschäfchen dreidimensionalen Charakter. Es läuft nicht, es schwebt über der Erde, aber es hat nicht mehr die Kraft, bis zum Himmel hochzukommen. Und die Tricktruppe, die alte bewährte Tricktruppe um Tony Loeser und Heiko Ebert – die die Katze haben Bier saufen lassen, die den Schneemann tanzen lassen, das Schulgespenst haben kämpfen lassen – die lassen jetzt mein Wölkchen fliegen. Und natürlich gibt es ein Happy End: Der Tierarzt – genannt der Viehdoktor – der nimmt allen Mut zusammen und die Feuerwehr schraubt ihre Leiter an der Mühle immer noch höher und immer noch höher, und der Viehdoktor nimmt allen Mut zusammen, weil der Feuerwehrhauptmann sich eigentlich fürchtet, auf seiner langen Leiter hochzugehen; er klettert so nach und nach, Stufe für Stufe die lange Leiter hoch. Diese Rolle spielt übrigens Richter-Reinick, der im 'Schulgespenst' den Vater spielt, den Dachdecker. Ich bin eben fast auf die alte Besetzung zurückgekommen, weil wir so plötzlich anfangen mussten, sonst wäre das Geld weg gewesen."

Was war für die Hauptfigur wichtig?
"Ich brauchte da ein stilleres Mädchen, nicht von dem Temperament des Mädchens aus dem 'Schulgespenst', vielleicht Ähnlichkeiten mit dem Jungen Moritz 'aus der Litfaßsäule'. Ein mehr nachdenkliches Kind, das sich freut, zur Oma zu kommen, das aber sonst mit den Ergebnissen unserer Zeit zu kämpfen hat: dass eben die Eltern keine Zeit haben, dass sie in der Stadt in der Baumstraße ohne Bäume wohnt, und dass sie, obwohl sie dreizehn Mäuse hat, sich manchmal ein bisschen allein fühlt. Und ich musste ein Mädchen haben, das über die Augen erzählt. Das Mädchen, das wir dann genommen haben, war acht und kommt – wie schon die Darstellerin der Carola Huflattich aus dem 'Schulgespenst' – aus ganz normalen Verhältnissen."

Werden bei den Probeaufnahmen bereits kleine Szenen aus dem Film vorgegeben?
"Das macht jeder anders. Ich fange erst mal an und lasse sie erzählen und Geschichten aus dem Erwachsenenmilieu spielen, um ihre Beobachtungskraft zu testen, dann lasse ich gerne Phantasiegeschichten spielen, die noch nichts mit dem Stoff zu tun haben müssen, und schließlich kommt eine Szene aus dem Buch oder aus dem Film. Hier haben wir z. B. eine Szene geprobt – bei uns im Film spielt ein junger Zauberer mit, der noch zu jung ist und nur Kaninchen zaubern kann und dem alles misslingt, der sagt dem Mädchen, als es seinen Zylinder findet, den er im Zirkus verloren hat 'du hast ja richtige Zauberaugen' – und diese Szene haben wir gespielt: Sie kommt nach Hause und guckt in den Handspiegel und sagt 'Zauberaugen???'. Mit dieser Szene lässt sich natürlich – was ich haben wollte mit den Augen – 'ne Menge machen, ob die Augen spielen oder ob da jemand leer in den Spiegel guckt und nichts sieht, denn in Wirklichkeit sehen sie ja auch nichts, sie sehen ja die Kamera im Spiegel, sie sehen sich ja gar nicht."

Bekommen die Kinder die ganze Filmgeschichte erzählt?
"Die gesamte Geschichte eigentlich nur in kurzen Sätzen, wobei ich da gar nicht soviel erzählen musste, weil das Bilderbuch bei uns immer noch bekannt ist, und dann greife ich speziell die Teile daraus, die für unseren Film wichtig sind."

Gibt es auch wieder eine Leitmelodie wie beim Schulgespenst?
"Ja, hier direkt über 'Zirri, das Wolkenschaf'. So gibt's auch ein Motiv, einen Vierzeiler mit Text, der an drei oder vier Stellen ganz unvermittelt einsetzt."

In welcher Gegend wurde gedreht?
"Gedreht haben wir zwischen Leipzig und Berlin, da kommt der Abzweig Niemegk; das ist der Fläming, der noch zu Brandenburg gehört. Dort haben wir die wunderschöne alte Windmühle gefunden. Und dann in der Gegend rund um Potsdam, da sind einige Dörfer mit richtigen Bauernhöfen."

Wie kam die Finanzierung für diesen Film zustande?
"Das Drehbuch habe ich schon im vorigen Jahr geschrieben und auch oft verändert, weil wir für diesen Film erst gar kein und dann wenig Geld bekamen. Der Film wurde dann mit dem Filmfördergeld des Landes Brandenburg und mit allem, was die DEFA noch aus den Ecken hervorfegen konnte, gedreht. Zusagen von einigen Künstlern in Nordrhein-Westfalen und auch in Bayern, an diesem Film mitzuarbeiten, sind schließlich gescheitert, weil die Geldzusagen oder die in Aussicht gestellten Gelder aus Nordrhein-Westfalen und Bayern nicht gekommen sind. Das tut mir sehr leid. Ich hätte gerne noch mit anderen Leuten zusammengearbeitet. Wir waren zwar kein 'Ost-Team', wir hatten Schauspieler aus Ost- und Westberlin und auch Assistenten aus Bielefeld und Aachen, aber mir wäre noch lieber gewesen, wir hätten den Rahmen, auch den Geldrahmen, ein bisschen größer gehabt. Ich hoffe trotzdem, dass dieser kleine Film – es ist wirklich ein kleiner und leiser Film, der passt aber in meine Serie 'Schneemann für Afrika', 'Blumen für den Mann im Mond', 'Moritz in der Lifaßsäule' – wenn 'Zirri' nicht der letzte wäre, wenn ich vielleicht noch einen in der Richtung machen könnte."

Wie viel Geld stand für "Zirri – das Wolkenschaf" zur Verfügung?
"Ich hatte von Brandenburg eine knappe Million, und wenn man jetzt das 'Zusammengefegte' von der DEFA – ich kann es nicht genau sagen – dazurechnet, kostet der Film wohl 1,1 oder 1,15 Mill. Mark, also ein wirklicher Low-Budget-Film. Die länderspezifische Filmförderung halte ich persönlich doch für problematisch. Unter den Umständen der Länderbezogenheit hätte ich eigentlich die Filme 'Weiße Wolke Carolin' oder 'Moritz in der Litfaßsäule' – der eine spielt in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern und der andere in Brandenburg und Thüringen – gar nicht drehen können."

Wann wird "Zirri – das Wolkenschaf" im Kino zu sehen sein?
"Ich hoffe, dass er spätestens zu Weihnachten in die Kinos kommt, und ich hoffe nur, dass er wirklich erst mal dorthin geht, denn ich kämpfe nach wie vor darum, dass die Kinos bestehen bleiben. Ich habe nichts gegen das Fernsehen, ich glaube, Kinder halten das doppelt aus. Ich hatte bei mir mal das Beispiel, dass am Freitag im Fernsehen 'Der lange Ritt zur Schule' lief, am Sonnabend war bei mir um die Ecke im Kino ebenfalls 'Der lange Ritt zur Schule'. Da bin ich mal hingegangen, um zu sehen, ob überhaupt jemand da reingeht. Das Kino war gut halb voll und die Kinder kannten mich nicht. Als ich die fragte, ob sie den Film nicht gestern im Fernsehen gesehen haben, sagten die Kinder 'natürlich' – und warum dann heute – heute wollten sie ihn 'mal richtig sehen'. Das war die ganz einfache Antwort."

Gespräch mit Rolf Losansky: Christel und Hans Strobel

 

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