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Ausgabe 97-1/2004

SOMMER MIT DEN BURGGESPENSTERN

Produktion: ExtraFilm / Les Productions La Fête; Österreich / Kanada 2003 – Regie: Bernd Neuburger – Buch: Nadja Seelich – Kamera: Thomas Vamos – Schnitt: Matthieu Roy-Decarie – Musik: Zdenek Merta – Darsteller: Sarah-Jeanne Labrosse (Caroline), Nikola Culka (Jakob), Karl Merkatz (Otto) u. a. – Länge: 85 Min. – Farbe – FSK: o. A. – Verleih: Progress – Altersempfehlung: ab 8 J.

Auf Burg Finsterstein in den Salzburger Bergen dreht ein kanadischer Regisseur einen Film. Seine neunjährige Tochter Caroline kommt in den Ferien zu Besuch und vertreibt sich die Zeit bei den Dreharbeiten. Eigentlich ist das ziemlich langweilig, denn überall steht sie im Weg und niemand hat richtig Zeit für sie. Bis auf den alten Otto, den Caroline schon ihr Leben lang kennt. Otto ist für die Spezialeffekte beim Film zuständig und wird nur gelegentlich gebraucht. Dann sorgt er für Feuer, Rauch und Knallerei.

Zum Glück gibt es auch noch den ebenfalls neunjährigen Dorfjungen Jakob, der sich jeden Tag auf die Burg schleicht, um von einem Turm aus heimlich die Filmaufnahmen zu beobachten. Als plötzlich Ottos Tricks nicht mehr wie gewohnt funktionieren, droht der ungeduldige Regieassistent, den großväterlichen Pyrotechniker durch einen jüngeren Mitarbeiter zu ersetzen. Jakob vermutet, dass die Burggespenster hinter der seltsamen Pannenserie stecken, weil sie sich durch die Dreharbeiten gestört fühlen. Und so beginnen Caroline und Jakob ihre nächtlichen Ermittlungen, um das Geheimnis um Gespenster, Waldschrate und Wurzelwichte auf der Burg zu lüften. Schon bald finden sie heraus, dass sie einen besonderen Hahn vor den Nachstellungen des verärgerten Regieassistenten retten müssen: Von seinem Krähen hängt das Wohl der Nonnen ab, die in dem Gemäuer herumgeistern.

Die österreichisch-kanadische Koproduktion von Bernd Neuburger setzt auf heitere Ferienstimmung in einer geschönten, realitätsfernen Dirndl-Idylle und will offenkundig nicht mehr und nicht weniger als federleichte Unterhaltung fürs Kinder- und Familienpublikum. Mit Caroline und Jakob erleben die jungen Zuschauer einen Filmsommer voller Abenteuer und Freundschaft, vielen Tricks und phantastischen Erlebnissen. Dabei dürfen auch eine Prise Grusel und ein Hauch von erster Liebe nicht fehlen. Um die 'Kurzen' im Kino mit Kurzweiligem zu versorgen, greift der 1948 in Salzburg geborene Filmemacher in der übersüßten Komödie auch beherzt zu albernen Späßen und kitschigen Gespenster-Tanzszenen am Seeufer.

Neuburger und die Drehbuchautorin Nadja Seelich, die für die Kinderfilme "Jonathan und die Hexe" (1988), "Ferien mit Silvester" (1994) und "Lisa und die Säbelzahntiger" (1996) verantwortlich zeichnen, sorgen nach bewährtem Muster dafür, dass die aufgeweckten Kinder die Erwachsenen mal wieder alt aussehen lassen. So bleibt Carolines Vater merkwürdig blass und bei Jakob erinnert man sich gar nicht, ob er überhaupt Eltern hat. Das aufgeweckte Duo muss nicht nur zwischen den Gespenstern und der Filmcrew vermitteln, auch ihre Freundschaft wird auf eine harte Probe gestellt, als Jakobs Freunde eifersüchtig auf Caroline werden und kräftig dazwischenfunken. Leider verschenkt wird jedoch die wichtige Versöhnungsszene zwischen Caroline und Jakob, die sich nach einem schroffen Missverständnis wie durch ein Wunder wieder verstehen. Die Musik von Zdenek Merta ist meist zweckdienlich, wirkt aber gerade in den Nachtszenen oft zu dick aufgetragen.

Erscheint schon die Erzählweise altmodisch und das Drehbuch aufgrund etlicher Nebenhandlungen überladen, dürfte auch die zu harmlose zentrale Mädchenfigur nicht eben viel Identifikationspotenzial entfalten. So kritisierte die Kinderjury beim Wiener Kinderfilmfestival mit Blick auf die Darstellung von Buben und Mädchen: "Caroline hat zum Beispiel nur rosa, blaue und gelbe Sachen an."

Mit Sarah-Jeanne Labosse hat Neuburger eine charmante Hauptdarstellerin gefunden, die ihren Filmpartner Nikola Culka in Sachen Leinwandpräsenz deutlich in den Schatten stellt. Schade ist jedoch, dass vor allem die Dialogsätze des Mädchens in der deutschsprachigen Fassung steril und aufgesagt klingen. In Karl Merkatz als schrulligem Feuerwerker finden beide einen soliden und altersweisen Gefährten, der ihnen hilfreich zur Seite steht, aber auch gerne Hilfe annimmt, wenn er mit dem eigenen Wissen nicht weiterkommt.

Beim 3. Internationalen Kinderfilmfestival "Kinotavrik" in Sotschi an der Schwarzmeerküste erhielt "Sommer mit den Burggespenstern" im November 2003 eine besondere Erwähnung der Jury.

Reinhard Kleber

 

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