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Ausgabe 103-3/2005

IRGENDWO IN EUROPA

VALAHOL EUROPABAN

Produktion: Mafirt Budapest, Ungarn 1947 – Regie: Géza Radványi – Buch: Béla Balazs, Géza Radványi, Jidit Fejer, Félix Máriássy – Kamera: Barnabás Hegyi – Musik: Dénes Buday Darsteller: Arthur Somlay, Miklós Gábor, Zsuzsa Bánki, Ladislas Horváth, György Bárdi u. a. – Länge: 105 Min. – s/w – Originalfassung mit dt. Untertiteln – FSK: ab 12 – FBW: wertvoll – Altersempfehlung: ab 12 J. – 35mm-Kopie: Collegium Hungaricum, Dr. Kornél Zipernóvszky, Kulturreferent, Hollanstr. 4, A-1020 Wien, Telefon 0043-1-2140581 207, e-mail: k.zipernovszky@collegiumhungaricum.at – Altersempfehlung: ab 12 J.

Im Sommer 1945 – Irgendwo in Europa ... Kinder ziehen über eine endlose Landstraße an der Donau, auf der Suche nach einer Bleibe. Der Zweite Weltkrieg ist zu Ende, die alte Welt liegt in Trümmern. Es werden immer mehr eltern- und heimatlose Kinder, die rast- und ratlos vagabundieren, rauben und stehlen, um nicht zu verhungern. Endlich gelangen sie zu einer halb in Trümmern liegenden Burg, die dem alten Musiker und Dirigenten Peter Simon als Unterkunft dient. Froh über diesen unerwarteten Ort, überwältigen die Kinder den Mann und besetzen das Quartier. Als sie erkennen, dass auch er ein Flüchtling ist, fassen sie langsam Vertrauen zu ihm. Er wird zu ihrem Beschützer, verschafft ihnen Lebensmittel, vermittelt Kameradschaft und legt den Grundstein für ein menschenwürdiges Leben. Doch auch dieses Leben ist gefährdet, denn die "Pfeilkreuzler" genannten Anhänger des zusammenbrechenden faschistischen Regimes werden auf sie aufmerksam. Deren Versuch, die Burg zu stürmen, scheitert am Widerstand der Kinder und Jugendlichen. Dabei wird ein kleiner Junge von den Angreifern getötet. Der alte Simon klagt in einer eindringlichen Rede die Erwachsenen als die Verursacher dieses grausamen Krieges an und appelliert an das Verantwortungsgefühl für die Kinder. Schließlich wird ihnen die Burg als ihr Eigentum überschrieben.

Unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs erschienen in den befreiten europäischen Ländern mehrere Filme, in denen im Stil des Neorealismus die Erinnerungen an das eben vergangene Geschehen Ausdruck fand und die sich gleichwohl mit dem Elend der unmittelbaren Nachkriegszeit beschäftigten. "Irgendwo in Europa", der erste Nachkriegsfilm in Ungarn, rückt das Schicksal von Kindern und Jugendlichen in den Mittelpunkt. Der Film entstand auf Anregung des 1945 aus dem Exil nach Ungarn heimgekehrten Filmtheoretikers und Drehbuchautoren Béla Balázs (1884-1949), den Geza Radvanyi (1907-1986) in Budapest kennen lernte. Gemeinsam schrieben sie das Drehbuch und gaben damit ihrer Hoffnung Ausdruck, mit der Nachkriegsjugend ein neues friedlicheres Europa aufbauen zu können.

Géza Radványi nannte seinen "Film vom Kinde" ein Produkt der Not – im materiellen Sinne wie auch im geistigen. Entwurzelte Kinder und Jugendliche streifen 'irgendwo in Europa' (der Titel des Films kann durchaus wörtlich genommen werden) hungrig und verzweifelt durch zertrümmerte Städte und verwüstete Landschaften, auf der Suche nach einem neuen Zuhause. "Irgendwo in Europa" lässt sich inhaltlich und formal mit dem sowjetischen Film "Der Weg ins Leben" von Nikolaj Ekk aus dem Jahre 1931 vergleichen, der eine ähnliche Situation Anfang der 1920er-Jahre, der Zeit nach der russischen Revolution, beschreibt.

Géza Radványi inszenierte ohne Betulichkeit oder Beschönigung, fast im dokumentarischen Stil, mit Bildern, die vom italienischen Neorealismus geprägt sind, wie eine Gruppe von Kindern und Jugendlichen versucht, die übermächtigen Probleme zu bewältigen. Er macht deutlich, dass es möglich ist, eine scheinbar verlorene Kindlichkeit hervorzuholen und schildert, wie unter extremer Not Solidarität entsteht. Die visuelle Umsetzung ist dabei nie Mittel zum Effekt. Die anfänglichen Stationen des Elends werden umgewandelt und dienen der Hauptaussage des Films: Hoffnung. Dies wird vor allem an der Figur des Musikers Simon deutlich, der an der Veränderung der Kinder großen Anteil hat.

Eindringlich, einfühlsam und für Kinder nachvollziehbar, zeigt "Irgendwo in Europa" die Auswirkungen des Krieges auf junge Menschen. – Ein Plädoyer für Frieden.

Hans Strobel

Zu diesem Film siehe auch:
KJK 100-3/2004 - Kinder-Film-Kritik - Irgendwo in Europa

 

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Interviews

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