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Ausgabe 106-2/2006

DER TRAUM

DRØMMEN

DER TRAUM

Produktion: Zentropa Entertainments Aps / Sigma Film Ltd.; Dänemark / Großbritannien 2005 – Regie: Niels Arden Oplev – Drehbuch: Niels Arden Oplev, Steen Bille – Kamera: Lars Vestergaard – Schnitt: Søren B. Ebbe – Musik: Jacob Groth – Darsteller: Janus Dissing Rathke (Frits), Sarah Juel Werner (Iben), Bent Mejding (Lindum-Svendsen), Anders W. Berthelsen (Freddie Svalve) u. a. – Länge: 105 Min. – Farbe – Weltvertrieb: Trust Film Sales, e-mail: post@trust-film.dk – Altersempfehlung: ab 10 J.

Mit den Worten "Der General kommt!" betritt er die Klasse: der Schuldirektor Lindum-Svendsen. Sein stechender, kalter Blick schweift über die Schüler. Bleibt bei dem 13-jährigen Frits Johansen hängen. Es ist Fritsens "Beatles-Frisur", die Svendsen irritiert. Sofort ist der "Neue" vorgemerkt. Dänemark 1969. Frits lebt auf dem Land. Die Sommerferien hat er vor dem Fernseher verbracht, unentwegt Nachrichten über die Studentendemonstrationen gesehen. Angesteckt von den Ideen der 68er ist er umso erschütterter, als er in seiner neuen Schule feststellt, dass der Direktor seine Schüler prügelt und niemand daran Anstoß nimmt. Frits stellt sich als Einziger auf die Seite der Opfer. Dass Lehrer auch anders sein können, beweist der junge Referendar Freddie Svalve, der aus Kopenhagen an die Schule gekommen ist. Er lässt sich beim Vornamen nennen, trägt lange Haare, bringt sein Schlagzeug mit in den Musikunterricht und studiert mit seinen Schülern Lieder der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung ein. Durch Freddie lernt Frits die Stimme des Bürgerrechtlers Martin Luther King kennen. Immer wieder hört er sich auf der Schallplatte dessen berühmte Rede "I have a dream" an, Martin Luther Kings Vision von einer freiheitlichen und gleichen Gesellschaft. Seine zunehmende Verehrung für den ermordeten Friedensnobelpreisträger bringt Frits sogar dazu, sich von jetzt ab nur noch Martin nennen zu lassen.

Durch einen dummen Streich seiner Mitschüler gerät Frits in die Fänge des Schuldirektors. Lindum-Svendsen, der inzwischen eine Riesenwut ob des autonomen Lebensanspruchs des Jungen aufgestaut hat, misshandelt Frits brutal. Das wollen sich weder er noch seine Eltern gefallen lassen. Doch je offener sie gegen den Schuldirektor vorgehen, desto mehr geraten sie ins Abseits. Die Polizei nimmt die Anzeige gar nicht erst an, Frits wird nun von den meisten seiner Mitschüler gemieden, seine Mutter verliert ihre Stelle als Schulkrankenschwester. Allein Freddie unterstützt die Familie und findet heraus, dass seit zwei Jahren ein Gesetz existiert, das die Prügelstrafe an Schulen verbietet. Mit diesem Trumpf in der Hand können die Eltern eine öffentliche Anhörung erwirken. Doch der "General" ist mächtig, sehr mächtig. Er setzt nicht nur die einflussreichen Leute in der Region unter Druck, sondern auch seine Angestellten und vor allem Freddie Svalve. Bösartig unterstellt er Frits' psychisch angeschlagenen Vater, die Tat selbst begangen zu haben und kommt damit durch. Peder Johansen wird in die Klinik eingeliefert. Erschüttert über die Feigheit seines Lieblingslehrers führt Frits ungebrochen seinen Kampf allein weiter. Vor der gesamten Klasse sagt er dem "General" ins Gesicht, dass er ein Lügner ist. Auch die brutalen Schläge seitens des Direktors können ihn nicht zum Schweigen bringen. Endlich, endlich finden auch Frits' Mitschüler den Mut, sich auf seine Seite zu stellen ...

Dreimal wurde der Film des dänischen Regisseurs Niels Arden Oplev auf dem Kinderfilmfest der Berlinale im ausverkauften Zoopalast gezeigt, jedes Mal mit Szenenapplaus und überwältigendem Beifall am Schluss der Vorführung, so dass man sich schon fragen muss, was erleben Kinder heute in der Schule, die von einer sogenannten "Kuschelpädagogik" wieder befreit werden soll? Geprügelt werden Schüler jetzt, fast 40 Jahre später als die Filmhandlung, garantiert nicht mehr. Mit welchen Methoden aber werden auch sie von den Lehrern bedrängt, unter Druck gesetzt, wird ihre Autonomie untergraben?

"Der Film geht nicht nur unter die Haut, er reißt sie auf", schreibt die 14-jährige Josefine auf der jungejournalisten-Website des Kinderfilmfestes. Dass sich Kinder und Erwachsene mit dieser Geschichte identifizieren können, hat aber sicher nur zum einen etwas mit der Schulproblematik zu tun. Vor allem ist es Frits' Streben nach Gerechtigkeit, sein Mut und seine Stärke, gegen alte, überholte Verhaltensmuster vorzugehen. In seiner Aufrichtigkeit trifft er den Nerv der jüngeren wie älteren Zuschauer. Es ist eben eine starke Geschichte, die hier erzählt wird, dazu ein bis ins kleinste Detail stimmiges Drehbuch, ganz in der Tradition des dänischen Erzählkinos. Die Kamera ruht lange auf den Gesichtern, fängt jede Regung ein, was bei solch hervorragenden Schauspielern wie Anders W. Berthelsen, Bent Mejding, Jens Jorn Spottag oder Gyrd Lofqvist einfach ein Vergnügen ist. Vor allem aber macht das wunderbare Spiel des 13-jährigen Janus Dissing Rathke als Frits diesen Film zu einem ganz besonderen Erlebnis. Bewegt war nicht nur das Publikum, sondern auch die Kinderjury und zeichnete den Film "Der Traum" mit dem Gläsernen Bären aus.

Barbara Felsmann

Zu diesem Film siehe auch:
KJK 106-2/2006 - Interview - "Es ist der persönlichste Film, den ich bisher geschrieben und gedreht habe"

 

Bundesverband Jugend und Film e.V.DER TRAUM im Katalog der BJF-Clubfilmothek unseres Online-Partners Bundesverband Jugend und Film e.V.

 

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Ausgabe 106-2/2006

 

Inhalt der Print-Ausgabe 106-2/2006|

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Interviews

Duve, Sarah - "All das kann nur über die Lehrer funktionieren"| Kedzierzawska, Dorota und Arthur Reinhardt - "Wir wollten von einem Jungen erzählen, der eine schöne Seele hat"| Oplev. Niels Arden - "Es ist der persönlichste Film, den ich bisher geschrieben und gedreht habe"| Schreitmüller, Andreas - Gespräch mit Andreas Schreitmüller| Solito, Auraeus und Raymond Lee - "Ja, wir sind arm, aber nicht im Geist!"|

Hintergrundartikel

... am Anfang hörte es sich wie Krach an ...|

Kinder-Film-Kritiken

Die Wolke|


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