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Ausgabe 109-1/2007

GILLES

BUITENSPEL

Produktion: Menuet Produktion; Belgien 2005 – Regie: Jan Verheyen – Buch: Ed Vanderweyden – Kamera: Danny Elsen – Schnitt: Philippe Ravoet – Musik: Jan Leyers – Darsteller: Ilya Van Malderghem (Gilles), Filip Peeters (Vater Bert), Joke Devynck (Mutter Anne), Kris Piekaerts (Marc), Peter Bulckaen (Joris), Warre Borgmans (Doktor De Vlieger) u. a. – Länge: 90 Minuten – Farbe – Kontakt: Atrix Films GmbH, Beatrix Wesle, Aggensteinstraße 13a, 81545 München, Tel.: 089/642 82 611, Fax: 089/649 57 349, e-mail: beatrix@atrix-films.com – Altersempfehlung: ab 10 J.

Der zwölfjährige Gilles und sein Vater Bert sind ein Team: Gilles träumt von einer Karriere als Profifußballer und davon, zu den "Roten Teufeln", der belgischen Nationalmannschaft, zu gehören, und sein Vater unterstützt ihn dabei, wo es nur geht. Sozusagen als "Personal Trainer" ist er bei jedem Training, bei jedem Spiel dabei und gibt seinem Sohn Extraanweisungen. Dass er damit dessen Trainer auf die Palme bringt, scheint ihn nicht zu stören. Er möchte, dass Gilles einmal so berühmt wird wie der brasilianische Fußballspieler Garrincha, und auch für Gilles ist Garrincha das große Vorbild.

Doch dann, während eines Fußballspiels, regt sich Bert über eine angeblich falsche Entscheidung des Schiedsrichters dermaßen auf, dass er tot umfällt. Niemand kann es fassen, am wenigsten Gilles. Für ihn ist der Vater auch nach der Beerdigung nicht gestorben. Und tatsächlich erscheint er beim Training, beim Kicken auf der Straße oder bei wichtigen Spielen und gibt seinem Sohn weiterhin Anweisungen. Nebenbei erkundigt er sich, wie es zu Hause läuft. Er erfährt, dass sein Laden, von dem Mutter Anne und die ganze Familie lebt, hoch verschuldet ist und streitet jegliche Schuld ab. Als er von Annes neuen Plänen hört, den Laden wieder in Schwung zu bringen, findet er die natürlich albern, über ihren neuen Freund kann er nur verächtlich lachen. Mehr und mehr gerät Gilles in Konflikte mit der Wirklichkeit. Als er sich dann auch noch am Knie verletzt, deshalb das Training unterbrechen soll und Bert ihm rät, unbedingt weiter zu spielen, beginnt Gilles zu begreifen, dass nur er allein für sein Leben verantwortlich ist. Doch zu spät! Als Gilles sich endlich von seinem Vater lösen kann, muss er sich auch von seinen Fußballträumen trennen ...

Als Vorlage für diesen belgischen Familienfilm diente die niederländische Produktion "In Oranje" aus dem Jahr 2004. Drehbuchautor Ed Vanderweyden hat das Szenarium seines niederländischen Kollegen Frank Ketelaar bearbeitet und auf belgische Verhältnisse angepasst, die Grundstruktur der Geschichte dabei aber kaum verändert. Diese Art von Vermarktung wird wohl in Zeiten der Globalisierung immer mehr an Bedeutung gewinnen. Und dagegen ist auch nicht viel zu sagen, wenn dabei solch bewegende Filme wie "Gilles" entstehen. Film- und TV-Regisseur Jan Verheyen, bekannt eigentlich durch Thriller wie "Team Spirit" oder "Alias – Tödliche Liebe", und sein Drehbuchautor legten viel Wert darauf, diese Geschichte sehr ausgewogen zu erzählen und bei aller Trauer die komischen Momente nicht zu vergessen.

Besonders die Figur des Vaters ist nuancenreich gestaltet und dem Schauspieler Filip Peeters wie auf den Leib geschrieben: sympathisch, witzig, lebenslustig und doch liegt in seiner Person auch eine gewisse Tragik. Bert ist eigentlich ein großer Kindskopf und nie so richtig erwachsen geworden. Und so wie Gilles den schweren Weg der Abnabelung vom Vater geht, wird auch dem Zuschauer allmählich klar, dass der Vater eigene unerfüllte Träume auf seinen Sohn projiziert. Dass Gilles sich davon letztendlich befreien kann, ist also ein Schritt, den man dem Jungen nur wünschen kann. Hervorragend auch das Spiel des jungen Darstellers Ilya Van Malderghem. Er gibt dem Gilles genau das richtige Maß an Emotionalität. Seine Wut, seine Trauer, seine Enttäuschung, aber auch seine Unsicherheit – zum Beispiel Mädchen gegenüber – wirken überhaupt nicht gespielt, sondern so echt, dass sich gerade Kinder sofort mit ihm identifizieren. Nicht zufällig hat die Europäische Kinderfilmjury beim 11. Internationalen Filmfestival in Chemnitz ihren Preis für den besten Kinderdarsteller an Ilya Van Malderghem sowie den Europäischen Kinderfilmpreis an "Gilles" vergeben. Ihr gefiel vor allem, dass dieser belgische Film "sehr gut die Gefühle anspricht". Aber auch die Internationale Fachjury entschied sich bei ihrer Preisvergabe für diese "psychologisch einfühlsame Produktion" und betonte außerdem in ihrer Begründung die hervorragende Leistung der Kinderdarsteller und Schauspieler.

"Gilles", der mit einem Budget von 2,3 Millionen Euro aufwändig produziert werden konnte und sich durch eine interessante Montage, schnelle Schnitte und eine hohe Dynamik auszeichnet, ist auch in Belgien mit mehreren Preisen bedacht worden und hat dort ein breites Publikum gefunden. Bleibt wie immer nur zu wünschen übrig, dass dieser gelungene Film bald auch in unseren Kinos zu sehen ist.

Barbara Felsmann

Zu diesem Film siehe auch:
KJK 112-1/2007 - Hintergrund - „Gilles“

 

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Ausgabe 109-1/2007

 

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