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Ausgabe 109-1/2007

HAPPY FEET

HAPPY FEET

Produktion: Kingdom Feature Prod. / Kennedy Miller Prod. / Village Roadshow Pic.; Australien / USA 2006 – Regie: George Miller – Buch: George Miller, Warren Coleman, John Collee, Judy Morris – Musik: John Powell – Länge: 87 Min. – Farbe – FSK: o. A. – Verleih: Warner Bros. – Altersempfehlung: ab 8 J.

Im Reich der Kaiserpinguine in der Antarktis kommt der kleine Mumble schon als Außenseiter auf die Welt. Während seine Eltern Norma Jean und Memphis und alle anderen Artgenossen wunderbar singen können und ihren jeweiligen Lebensgefährten durch ihr "Herzenslied" finden, gibt Mumble nur hässliches Gekrächze von sich. Dafür kann er herrlich steppen. Seine Mutter Norma Jean findet das zwar niedlich, doch sein Vater warnt, so etwas gehöre sich nicht für Pinguine. In dem schönen Pinguinmädchen Gloria, das zu den besten Sängern überhaupt zählt, findet Mumble zwar eine Freundin, doch an sein "seltsames Gehopse" kann sie sich nicht gewöhnen.

Schlimmer noch: Mumbles Tanzbegeisterung ist dem verbohrten Ältesten Noah ein Dorn im Auge. Noah beschuldigt ihn, für das Ausbleiben der lebensnotwendigen Fischschwärme verantwortlich zu sein und verbannt ihn aus der Gemeinschaft. Der traurige Außenseiter trifft in der Ferne eine fünfköpfige Gruppe von Adelie-Pinguinen mit Latino-Akzent. Sie sind begeistert von Mumbles Tanzfähigkeit und laden ihn unter Führung des selbstbewussten Ramon zum Feiern ein. Im Adelie-Land holt sich Mumble Rat beim verehrten Guru Lovelace, einem bunt geschmückten Felsenpinguin, der wie eine Barry White-Parodie aussieht und Antwort auf alle Lebensfragen gibt. Mit Lovelace und Ramons Bande bricht er auf, um die sagenhaften Aliens zu finden, die angeblich für das Pinguin-Unglück verantwortlich sind. Schon bald muss Mumble erkennen, dass es die Menschen sind, die die Ressourcen der Natur rücksichtslos ausbeuten.

1992 und 1995 sind dem Regisseur George Miller mit "Ein Schweinchen Babe" und "Schweinchen Babe in der großen Stadt" zwei Kinohits mit Evergreen-Potenzial für das Kinderfilm-Repertoire gelungen. Nun legt der australische Filmemacher einen exzellenten Animationsfilm vor, der dem führenden Trickfilmstudio Pixar in puncto digitalem Fotorealismus den Kampf ansagt. Die vierjährige Arbeit an Millers Herzensprojekt, das schon in Arbeit war, als der französische Dokumentarfilm "Die Reise der Pinguine" erfolgreich in den Kinos anlief, hat sich gelohnt: Wie die Kamera hier über herrliche Eisformationen hinwegschwebt, wie sie die Bewegungen von Millionen trocknender Pinguinfedern einfängt und die ausgelassene Lebensfreude tausender singender oder tanzender Tiere, das war in dieser Perfektion noch nicht im Kino zu sehen.

Ein Meisterstück der Animationskunst ist Miller mit dem Massensprung der Jungpinguine von einer hohen Eisklippe ins eisig-blaue Meer gelungen: Die an Land unbeholfen herumwatschelnden Tiere verwandeln sich unter Wasser in pfeilschnelle Schwimmkünstler, die sich zum musikalischen Ohrwurm "Do it again" von den Beach Boys zu abwechslungsreichen Stafetten und Pirouetten zusammenfinden. Zur heiter-beschwingten Atmosphäre tragen vor allem Musik und Tanz bei. "Happy Feet" bringt das wohl mitreißendste Potpourri aus den Hits der Popmusikgeschichte zusammen, um die pinguinische Musikalität erlebbar zu machen.

Nach etwa einer Stunde Laufzeit kommt der Haken an der Geschichte zum Vorschein, der sich zuvor in der Erkennungsmarke am Fuß einer Möwe und im gefährlichen Plastikring um den Hals von Lovelace angekündigt hat: Das vermeintliche Pinguinparadies wird von profitgierigen Menschen akut bedroht, die mit riesigen Schiffen ohne Skrupel das Meer leer fischen. Und Mumble ist mit seinem Ausnahmetalent – fast so wie seinerzeit "Schweinchen Babe" – dazu prädestiniert, sein Volk zu retten. Indem er nach einem glücklich überstandenen Abenteuertrip die Menschen später im Zoo-Aquarium mit seinen Step-Künsten verblüfft, kann er sie auf die schädlichen Folgen ihres Tuns aufmerksam machen. So begrüßenswert und sympathisch die Umweltschutzbotschaft des letzten Filmdrittels ist, so abrupt lässt sie die Stimmung des zuvor so kurzweiligen Films kippen, der zunehmend zum "Message Movie" gerät und unterwegs dorthin den kleinen und großen Zuschauern eine Reihe unwahrscheinlicher Wendungen unterjubelt.

Während die Synthese aus Naturschutzappell und spannender Inszenierung am Schluss unausgewogen erscheint, gibt dieser außergewöhnliche Tierfilm nicht zuletzt wegen des Wechsels zur tierischen Sicht auf die menschlichen Hybris jede Menge Denkanstöße und eignet sich gerade wegen der Sperrigkeit der Schlusspassage besonders für ausgiebige Diskussionen in der medienpädagogischen Nachbereitung. Zu beachten ist dabei, dass einige gewalthaltige Szenen, in denen Mumble mit hungrigen Möwen, bedrohlichen Walen und einer gefräßigen Leopardenrobbe aneinander gerät, Vorschulkinder erschrecken können.

Reinhard Kleber

 

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Ausgabe 109-1/2007

 

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