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Ausgabe 109-1/2007

LUCAS, DER AMEISENSCHRECK

THE ANT BULLY

Produktion: Warner Bros. / Playtone / DNA Prod. / Legendary Pic.; USA 2006 – Regie und Buch: John A. Davis, nach dem Kinderbuch "The Ant Bully" von John Nickle – Kamera: Ken Mitchroney – Schnitt: Jon Price – Musik: John Debney – Länge: 89 Min. – Farbe – FSK: o. A. – FBW: wertvoll – Verleih: Warner Bros. – Altersempfehlung: ab 8 J.

Der zehnjährige Lucas Nickle ist vor kurzem umgezogen und hat noch keinen neuen Freund gefunden. Seine ältere Schwester Tiffany macht ihm das Leben schwer, während seine Eltern vor allem mit den Planungen zu einer Mexiko-Reise beschäftigt sind. Und seine schrullige Großmutter Mommo will die Familie ständig vor angeblich aufgetauchten Außerirdischen schützen. Am schlimmsten ist für ihn aber der rüpelhafte Nachbarjunge Steve, der Lucas im Visier hat. Seine Wut lässt Lucas an den Ameisen im Garten aus, die er gerne mit dem Gartenschlauch bespritzt.

Die zunächst wehrlosen Ameisen wollen sich diesen Terror nicht länger bieten lassen. Ihr Zauberer Zoc mixt einen Zaubertrank für "Lucas den Zerstörer", wie sie den Jungen nennen, den die Ameisen ihm verabreichen. Dadurch schrumpft der Junge auf die Größe einer Ameise. In den Tiefen des Ameisenhügels wird Lucas vor Gericht gestellt. Die weise Ameisenkönigin verurteilt ihn, sich dem Leben in der Ameisenkolonie anzupassen, wenn er die Freiheit zurückbekommen will.

Mit großen Augen lernt Lucas einen Mikrokosmos kennen, von dem er nichts geahnt hat. Doch die Insektenwelt birgt auch jede Menge Gefahren. Zum Glück erklärt sich die Ameisenkrankenschwester Hova bereit, Lucas beim Kennen lernen dieser neuen Welt zu helfen. Der Menschenjunge erlebt viele Abenteuer und lernt eine Menge fürs Leben. Vor allem ist Mut gefragt, denn der Kolonie droht die Zerstörung durch den fiesen Kammerjäger Stan Beals. So treten Lucas und seine neuen Freunde gemeinsam an zum Kampf ums Überleben.

Dass Menschen auf phantastische Weise auf Insektengröße geschrumpft werden und allerlei Abenteuer bestehen, ist seit Jack Arnolds Klassiker "Die unglaubliche Geschichte des Mister C." (1957) ein bewährter Filmstoff, wie 2004 der niederländische Kinderfilm "Erik im Land der Insekten" und 1989 die US-Produktion "Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft" gezeigt haben. Geschichten aus Insektenperspektive haben auch schon der französische Dokumentarfilm "Mikrokosmos" und vor acht Jahren die amerikanischen Animationsfilme "Antz" und "Das große Krabbeln" erzählt.

Der Regisseur, Drehbuchautor und Produzent John A. Davis, der für sein quirliges Family-Entertainment-Spektakel "Jimmy Neutron" 2002 eine Oscar-Nominierung in der neu geschaffenen Kategorie Bester Animationsfilm erhielt, schreibt diese Tradition in seinem komplett im Computer erschaffenen Werk "Lucas, der Ameisenschreck" mit zeitgemäßen ästhetischen Mitteln fort. Hier ist es kein Unfall oder märchenhafter Zufall, der die Mutation des Jungen zum Winzling auslöst, sondern eine pädagogisch motivierte Sanktion. Von anderen Beiträgen der aktuellen Animationsfilmwelle mit tierischen Helden wie "Jagdfieber", "Happy Feet" oder "Schweinchen Wilbur" hebt sich "Lucas" insofern ab, als er zwar auch humanistische und ökologische Botschaften verbreitet, diese aber unter Verzicht auf plakative Predigten geschickter in die dramatische Handlung einbaut. John A. Davis hierzu: "Lucas erfährt durch seine Arbeit mit den Ameisen nicht nur, wie wichtig Teamarbeit, Freundschaft, Mut und der Wert der Gemeinschaft sind, sondern er lernt auch den Missbrauch der Macht kennen und versetzt sich erstmals in die Lage eines anderen."

Wichtige Denkanstöße liefert nicht zuletzt der hintersinnige Einfall, Lucas abwechselnd als Täter und Opfer zu zeigen und ihn so eindringlich die weit reichenden Folgen seines Tuns und des Tuns anderer erleben zu lassen. Die Voraussetzung für solche Anteilnahme ist, dass Davis die Ameisen als individuelle Lebewesen darstellt, sobald Lucas ihre Welt betreten hat: Sie haben nicht nur schillernde Panzer und filigrane Flügel, sondern höchst unterschiedliche Gesichter mit ausdrucksstarken Augen. Bei allem Lernstoff kommt das Vergnügen nicht zu kurz: Viele schnelle Verfolgungsjagden und rasche Schnittfolgen sorgen für Augenkitzel und Spannung. Die gefechtsmäßigen Auseinandersetzungen mit kriegerischen Wespen, bulligen Ochsenfröschen und dem gnadenlosen Kammerjäger sind aber streckenweise so gewalthaltig 'inszeniert', dass sie sehr junge Zuschauer zu stark belasten könnten.

Wer genauer hinschaut, wird im Film eine respektvolle Verneigung vor dem Trickfilm-Pionier Ray Harryhausen entdecken, den sowohl Davis als auch der Koproduzent Tom Hanks verehren, der Davis übrigens auf das 1999 erstmals erschienene Kinderbuch "The Ant Bully" von John Nickle aufmerksam gemacht hat: Beim groß angelegten Angriff der Wespen orientierten sich die Filmemacher am berühmten Skelettkampf aus Harryhausens Klassiker "Jason und die Argonauten".

Reinhard Kleber

 

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