Zum Inhalt springen

Ausgabe 134-2/2013

BERLIN – ECKE BUNDESPLATZ

Bild: BERLIN – ECKE BUNDESPLATZ
© Känguruh-Film

Langzeitdokumentation – Produktion: Känguruh-Film Berlin; Deutschland 1986-2012 – Regie: Hans-Georg Ullrich, Detlef Gumm – Kamera: Michael Weihrauch, Patrick Protz, Harald Beckmann, Hans-Georg Ullrich – Schnitt: Simone Klier – Musik: Andreas Brauer – DVD Home-Bereich: absolut Medien GmbH; nichtgewerbliche Rechte: FriJus GmbH – Website: www.kaenguruh-film.de & www.berlin-ecke-bundesplatz.de

1986 begannen die Filmemacher Hans-Georg Ullrich und Detlef Gumm in ihrer Nachbarschaft in Berlin-Wilmersdorf, rund um den Bundesplatz, die Lebensgeschichten ihrer Nachbarn filmisch zu dokumentieren. Zentrum dieser Produktionen war ein früheres Ladengeschäft mit einem kleinen Schaufenster. Ein halbovaler Tisch, nach außen gut sichtbar, lud in diesen Jahren – auch zwischen den Drehphasen – zum Schwatz ein. So waren die Filmemacher immer auf dem neuesten Stand. Die Firma nennt sich bis heute Känguruh-Film Der Name ist eine Hommage an die Pioniere der Kinematografie, die Brüder Skladanowsky, die mit dem von ihnen entwickelten Bioskop im Berliner Wintergarten 1895 einen Film vorführten, der eine Zirkusattraktion zeigte: den Boxkampf eines Känguruhs.

Aber warum nannten die Firmengründer das Unternehmen Firma "Känguruh-Film"?  Dazu schreiben sie selbst. "Weil das Känguruh von Mensch zu Mensch hüpft und dabei immer die Kamera im Beutel parat hält. Das ist alles. Und wo ist dabei der Trick? Da die Menschen einem Känguruh nicht zutrauen, einen Dokumentarfilm zu drehen, verhalten sie sich offen und ohne Misstrauen, als wäre die Kamera eben gar nicht vorhanden." Und nach dieser Devise entstanden nicht zuletzt die Filme "Berlin – Ecke Bundesplatz“. Zu Beginn der Dreharbeiten gab es noch die Mauer und Westberlin hatte noch seinen besonderen Status als "Frontstadt". Als die beiden Autoren mit ihrer Arbeit anfingen, wussten weder sie noch ihre Auftraggeber und Förderer, wie viele Jahre vor ihnen liegen würden.  Dass daraus dann tatsächlich 26 Jahre wurden, ahnte damals keiner.

Neun Filme liegen inzwischen in der endgültigen Fassung vor, die das Leben der Menschen einfangen – viele davon sind inzwischen umgezogen, manche sind gestorben. Kinder wurden geboren, Beziehungen eingegangen und wieder gelöst, schwere Krankheiten überschatteten das Leben, einer der Protagonisten kam sogar wegen Betruges für mehrere Jahre ins Gefängnis. Von der Migrantenfamilie bis zum Star-Anwalt, von den Kriegswitwen bis zu den Handwerkerlehrlingen, von den Ladenbesitzern bis zu den Bohemiens kommen in diesen Filmen vor.

Herausgekommen ist eine liebevoll beobachtete Langzeitdokumentation, die ein Vierteljahrhundert deutschen Lebensalltag und persönliche Schicksale abbildet – zwischen politischen Umbrüchen und gesellschaftlichen Entwicklungen, zwischen schweren Schicksalsschlägen und persönlichen Triumphen. Filme zu Grundfragen des Lebens.

Nachdem in den vergangenen 26 Jahren im Fernsehen immer aktualisierte Zusammenschnitte gezeigt wurden, ist das Projekt inzwischen endgültig abgeschlossen. Ein großes Werk mit insgesamt rund 14 Stunden. Was die Umsetzung angeht, ist es so gut wie einzigartig. Vergleichbar nur die Langzeitdokumentation aus der DDR bzw. dem späteren Osten der Bundesrepublik "Die Kinder von Golzow".

Erfreulich, dass vier der neuen Filme auf der Berlinale 2013 ihre Uraufführung hatten. Dem schloss sich die Ausstrahlung in 3sat und WDR, danach noch rbb, an.

Alle neun  Filme sowie ein Special mit interessanten Szenen, die nicht in den Filmen verwendet wurden, stehen seit Mitte Februar 2013 zur Verfügung:
DVD 1:  Mütter und Töchter / Köpcke Bande
DVD 2:  Die Aussteiger / Der Yilmaz-Clan
DVD 3:  Schön ist die Jugend ... / Feine Leute
DVD 4:  Bäcker im Kiez / Schornsteinfegerglück
DVD 5:  Vater, Mutter, Kind

Auch für Kinoveranstaltungen werden diese Filme angeboten, z. B. als Matinee. Die Kinemathek Berlin hat eine Website erstellt, auf der sowohl die Leistung der Autoren in über 35 Jahren gewürdigt als auch die produzierten Filme und Materialien präsentiert werden. Im be:bra Verlag erschien das von Claudia Lenssen zusammengestellte Buch "Berlin Ecke Bundesplatz" (250 S., ISBN 978-3-8148-0199-5).

Friedemann Schuchardt

 

Permalink für Verlinkungen zu dieser Seite Dauerhafter, direkter Link zu diesem Beitrag


Ausgabe 134-2/2013

 

Inhalt der Print-Ausgabe 134-2/2013|

Filmbesprechungen

BABY BLUES| BELIEVE| BERLIN – ECKE BUNDESPLATZ| CAMERA OBSCURA| CAPTURING DAD| DIE FANTASTISCHE WELT VON OZ| GINGER & ROSA| HANNI & NANNI 3| INUK| JIN| NEMEZ| NORDSTRAND| OSTWIND| PUPPE| DIE RAKETE| STAUDAMM| THE WEIGHT OF ELEPHANTS| TROMMELBAUCH| WEIL ICH SCHÖNER BIN| ZICKZACKKIND|

Interviews

Bal, Vincent - "Es ist wie bei einem Kaleidoskop – es gibt viele Facetten und in jeder Geschichte stecken immer noch andere Geschichten"| Dupont-Geisselmann, Alexandre, und Reno Koppe - "Gegen den Werbedruck der Blockbuster kommen wir nicht an"| Mordaunt, Kim - "Wir waren fasziniert von der Lebensfreude und Energie"| Roslaniec, Kasia - "Menschen sind offensichtlich austauschbar"| Westmeier, Inigo - "Man sieht quasi nur rote Punkte!"|

Hintergrundartikel

Für Egon Schlegel|


KJK-Ausgabe 134/2013

PDF-Download Originalausgabe (PDF)

 

Anzeigen:

Einzelne Ausgaben:

Filmtitel nach Alphabet:

Zusatzmaterialien:

Volltext-Suche:

 

 


Sonderausgaben bestellen!