Produktion: Novoskop / Hochschule für Fernsehen und Film München, BRD 1985 – Drehbuch und Regie: Nico Hofmann – Kamera: Ernst Kubitza – Darsteller: Hans Joachim Grau, Gabriele Badura, Heiner Kollhoff, Mathias Kopfmüller – Laufzeit: 54 Min. – schwarzweiß – FBW: besonders wertvoll – Verleih: Katholisches Filmwerk (16mm)
Beim 21. Internationalen Jugendfilmtest 1986 erhielt der Film "Der Krieg meines Vaters" von Nico Hofmann von der Jury einmütig die Förderprämie der Bundesarbeitsgemeinschaft für Jugendfilmarbeit und Medienerziehung zugesprochen. Das ist angesichts der Fülle guter und interessanter Filme für Jugendliche, die in diesem Jahr zur Diskussion standen, wie ein Signal. Wird es eine dringend notwendige Wiederbelebung einer intensiven Beschäftigung mit dem "Dritten Reich" und seinen Folgen in der Jugendbildungsarbeit geben? Andere Neuerscheinungen deuten darauf ebenfalls hin, wie z. B. "Kolp" von Roland Suso Richter (bei dem übrigens Nico Hofmann im Team mitgearbeitet hat). "Der Krieg meines Vaters" jedenfalls ist ein motivierender Neuanfang zur Vergangenheitsaufarbeitung für eine Generation, die den Zweiten Weltkrieg nicht selbst erlebt hat.
Der junge Regisseur Nico Hofmann erhielt den Anstoß zu seinem Film aus einem Brief seines Vaters. Er enthielt die Mahnung an den Sohn, alles zu tun, damit die furchtbaren Ereignisse des Zweiten Weltkriegs niemals vergessen werden, in die ganze Generationen in Europa verstrickt waren. "Wir müssen uns erinnern, sonst wird sich alles wiederholen", schreibt der Vater, der den Krieg als Heranwachsender miterlebt hat. Nico Hofmann greift die Mahnung und die Erinnerungen des Vaters auf und gibt sie mit seinem Film an seine eigene Generation weiter, die den Krieg nur aus mehr oder weniger authentischen Berichten kennt.
Er bedient sich dabei der Figur des 17-jährigen Hans Witte, über die er sich sozusagen in die Gefühlslage der Bevölkerung 1942, also mitten im Krieg, hineindenkt. Hans lebt bei seiner Mutter in einem kleinen Vorort von Ludwigshafen. Sein Vater ist schon lange im Krieg. Die Mutter steht dem Nationalsozialismus ablehnend gegenüber und versucht, ihre kritische Haltung auf ihren Sohn zu übertragen. Vor Jahren hatte sie den Ausschluss des Jungen aus dem Jungvolk, der staatlichen Jugendorganisation, provoziert, und seitdem wird er von seinen Altersgenossen gemieden. Sehnsüchtig und unsicher zugleich schaut er ihnen nach, wenn sie in ihren Uniformen an ihm vorbeimarschieren und unbefangen singen: "Wir werden weiter marschieren, wenn alles in Scherben fällt", ohne sich der schrecklichen Aktualität dieser Worte bewusst zu sein.
Eines Tages trifft die lakonische Nachricht ein, dass der Vater "im Dienst für Führer und Reich" gefallen ist. Gleichzeitig kommt ein Paket mit seinen letzten Habseligkeiten, darunter ein Tagebuch, das für Hans zur bestimmenden Lektüre wird. Die realistischen Aufzeichnungen des Vaters, die seine Mutlosigkeit und Resignation widerspiegeln, vermitteln Hans ein Bild vom Kriegsgeschehen, das von dem der Nazi-Propaganda völlig verschieden ist. Wie bei vielen Jungen seines Alters hatte sich auch bei ihm eine idealistische, von ideologischer Indoktrination genährte Rollenvorstellung vom "heldenhaften Auftrag" des Soldatenseins festgesetzt, die durch die Worte des Vaters erschüttert wird. Als Hans im Winter 1942 selbst seine Einberufung zur Wehrmacht erhält, versucht die Mutter in ihrer Angst, auch noch den Sohn zu verlieren, vergeblich ein ärztliches Freistellungszeugnis zu erhalten. Hans ist verunsichert. Zwischen dem Hass der Mutter auf das Regime, das ihre Familie zerstört, den desillusionierenden Erlebnisberichten des Vaters von den Kriegsschauplätzen und seiner Sehnsucht nach Integration und Anerkennung findet er keinen eigenen Standpunkt. Auch ein Gespräch mit seinem Lehrer bringt keine Klarheit. Im Gegenteil: Er erfährt dabei, wie viele seiner Schulkameraden bereits im Krieg gefallen sind. Mit einer unbestimmten Angst im Herzen, ohne Mut und Hoffnung verabschiedet sich Hans von seiner Mutter und folgt dem Einberufungsbefehl.
In karger, bedrückender und distanzierter Schwarzweiß-Fotografie erzählt der Film seine einfache, aber authentisch und genau konstruierte Geschichte – ohne Pathos oder aufgesetzte Dramatik, immer hautnah an der kleinen Welt dieser Menschen mit ihrem ohnmächtigen Gefühl des Ausgeliefertseins an einen unmenschlichen Machtapparat. Mit den Fanfaren der Kriegs-Sondermeldungen und mit den seichten Ablenkungsschnulzen ("Kauf dir einen bunten Luftballon") aus dem Radio bedrängt er sie unaufhörlich und allgegenwärtig und lässt sie am Ende verstummen. Der Krieg selber bleibt seltsam fern und wird nur mit wenigen Stehbildern dokumentiert: Sein Grauen ist nicht vorstellbar und nicht nachvollziehbar.
So erzielt der Film mit einfachen Mitteln eine starke Wirkung, die beim Betrachter unmittelbare Betroffenheit auslöst. Er entlässt den Zuschauer mit dem Appell, niemals zu vergessen, was damals in millionenfacher Vervielfältigung des geschilderten Schicksals der Familie Witte geschah und fordert eindringlich zu Erinnerung, Reflexion und konkretem Friedenshandeln auf.
Bernt Lindner
Die Begründung der Jury, die den Film "Der Krieg meines Vaters" beim 21. Internationalen Jugendfilmtest 1986 mit der Förderprämie der Bundesarbeitsgemeinschaft für Jugendfilmarbeit und Medienerziehung in Höhe von 1.000,-- DM auszeichnete, lautet:
"Mit seinem autobiografisch geprägten Film widmet sich Nico Hofmann der Vätergeneration, die Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieg als Jugendliche im Spannungsfeld zwischen Begeisterung und Trostlosigkeit erleben musste. Im Mittelpunkt steht nicht das Kriegsgeschehen an sich, sondern die Vater-Sohn-Beziehung, die häuslichen Erfahrungen aus der Sicht eines Jugendlichen. Die sensible, authentische Gestaltung, der Verzicht auf Schuldzuweisungen und spektakuläre Bilder, die konsequente Ansiedlung im Milieu machen den Film zu einem wichtigen Beitrag, der das Gespräch zwischen den Generationen heute über den Nationalsozialismus zu ermöglichen hilft. Ab 14 Jahren geeignet."
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