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Ausgabe 56-4/1993

GANESH

GANESH

GANESH

Produktion: The Film Works, Kanada 1993 – Regie: Giles Walker – Buch: Jefferson Lewis – Kamera: Paul Sarossy – Schnitt: Ralph Brunjes – Musik: Mychael Danna – Darsteller: Ryan Reynolds, Glenn Headly, David Fox, Heath Lamberts, Paul Anka – Länge: 104 Minuten – Farbe – Weltvertrieb: Revcom International, 15, rue du colonel Pierre Avia, F-75015 Paris, Fax: 46621792 – Altersempfehlung: ab 10 J.

Der junge Kanadier Jeffrey wächst in Indien auf, wohin sein Vater vor vielen Jahren ausgewandert ist. Jeffrey wird dort Ganesh genannt, das bedeutet: "der Hindernisse beseitigt". Ganesh hat erfolgreich Meditationstechniken gelernt und praktiziert Yoga. Als sein Vater stirbt, kehrt der Fünfzehnjährige nach Kanada zurück, wo ihn seine Tante Charlotte aufnimmt. Zunächst hat der Junge einige Schwierigkeiten, sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden. Mit einem fast vierminütigen Unterwasseraufenthalt beeindruckt er allerdings in der Schwimmstunde eine hübsche Mitschülerin. Allmählich gewinnt er auch das Vertrauen des Bürgermeistersohns.

Die Tante kann sich erst nicht viel um Jeffrey kümmern, da sie sich mit einigen persönlichen Problemen herumschlagen muss. Dazu gehört auch ihr idyllisch gelegenes Haus, das für ein Luxushotel abgerissen werden soll. Als Jeffrey davon erfährt, überredet er Charlotte, Einspruch gegen den Enteignungsbescheid zu erheben. Denn er will das Gebäude, das sein Urgroßvater erbaut hat, auf jeden Fall erhalten. Andererseits wollen der Bürgermeister, der früher mit Jeffreys politisch engagiertem Vater befreundet war, und der profitgierige Investor das Projekt um jeden Preis durchziehen. Gegen Polizisten und Bulldozer setzt Jeffrey seine indischen Kenntnisse ein: Wie das große Vorbild Gandhi leistet er gewaltfreien Widerstand. Als sich Jeffrey auf der Terrasse zum Fasten niederlässt und von dort nicht mehr weichen will, schließt sich Charlotte an. Die spektakuläre Aktion lockt nicht nur Fernsehkameras an, sondern auch Schulkameraden und Nachbarn. Mit einer großen Sitzblockade können sie gemeinsam den Abriss des Hauses verhindern.

Der kanadische Spielfilm von Giles Walker erhielt von den Kindern der Jury des diesjährigen Frankfurter Kinderfilmfestivals per Sondervotum einen "Lukas". Den Jury-Kindern gefiel vor allem der gemeinsame erfolgreiche Einsatz der Heranwachsenden "für eine gute Sache". Außerdem lobten sie die "vielen witzigen Stellen und schönen Bilder – vor allem aus Indien". Dieser Erfolg von "Ganesh" beruht nicht allein auf der erfolggekrönten Aktion des Helden und dem Humor des Films, sondern liegt auch in der gefälligen Erzählweise, die sich am "main stream" aus Hollywood orientiert. Dabei kommen aber Anspruch und Ernsthaftigkeit der Fabel keineswegs zu kurz. Der 1946 geborene Regisseur und Dokumentarfilmspezialist Walker kombiniert in geschickter Form sogar drei aktuelle Konfliktstränge: das Spannungsfeld um Heimat und Fremde, die Naturzerstörung durch rücksichtslose Bauplanungen und die Gewalt-Frage.

Während Kinder- und Jugendfilme zum Umweltschutz sich in jüngster Zeit häufen, gewinnt die Integration der Identifikationsfigur Jeffrey/Ganesh in eine ihm fremde Kulturwelt gerade vor dem Hintergrund zunehmender ausländerfeindlicher und rassistischer Haltungen in Deutschland und Europa eine unübersehbare Vorbildfunktion. In einer Zeit allgemein wachsender Gewaltbereitschaft kommt Walkers filmisches Plädoyer für Gewaltfreiheit gerade richtig.

Die Glaubwürdigkeit der Botschaft wird nur unwesentlich dadurch gemindert, dass die Schlusssequenz mit dem absehbaren Happy End allzu rührselig geraten ist. Zwar fällt das mit Paul Anka und Glenn Headly prominent besetzte Jugenddrama zuweilen auch in der Charakterisierung mancher Nebenfiguren (Beispiel: der fiese Bauspekulant) in Rollenklischees zurück, doch entschädigt dafür die ausgezeichnete Leistung des Hauptdarstellers Ryan Reynolds. Erfreulicherweise wird die sonst oft problematische Rückblenden-Montage so souverän gehandhabt, dass auch jüngere Zuschauer wohl ohne große Schwierigkeiten folgen können. Nicht zuletzt wegen der eingängigen Musik, die unter anderem von Cat Stevens stammt, dürfte die Verfilmung eines in Deutschland bereits preisgekrönten Jugendbuches unter den Wettbewerbsbeiträgen in Frankfurt am Main gute Chancen haben, in die deutschen Kinos zu finden.

Reinhard Kleber

Zu diesem Film siehe auch:
KJK 59-4/1994 - Kinder-Film-Kritik - Ganesh

 

Bundesverband Jugend und Film e.V.GANESH im Katalog der BJF-Clubfilmothek unseres Online-Partners Bundesverband Jugend und Film e.V.

 

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