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Ausgabe 52-4/1992

DIE SCHÖNE UND DAS BIEST

BEAUTY AND THE BEAST

Produktion: Walt Disney Pictures / Silver Screen Partners IV, USA 1992 – Regie: Gary Trousdale, Kirk Wise – Buch: Linda Woolverton – Art Direction: Brian McEntee – Schnitt: John Carnochan – Musik: Alan Menken – Lieder: Howard Ashman, Alan Menken – Länge: ca. 90 Min. Farbe – Verleih: Warner Bros. (35mm) – Altersempfehlung: ab 8 J.

Märchen haben den Trickfilmern in den Walt-Disney-Studios schon oft Kassenerfolge beschert: von "Schneewittchen und die sieben Zwerge" (1937) bis "Arielle, die Meerjungfrau" (1989), trotzdem ist "Die Schöne und das Biest" erst die fünfte Adaption eines klassischen Märchenstoffs. Das moralische Kunstmärchen von der Schönen und dem Biest wurde im 18. Jahrhundert durch die Bücher der Autorinnen Madame Le Prince De Beaumont und Madame Gabrielle di Villeneuve berühmt. Die Verfilmungen dieser Geschichte sind zahlreich, sie reichen von der poesievoll-phantastischen Version "La belle et la bête" (1946) von Jean Cocteau bis zur amerikanischen Fernsehserie (bei der die Handlung im New York der 80er-Jahre spielt), vom B-Picture aus den USA ("Die Schönheit und das Ungeheuer", 1961) bis zur russischen Interpretation ("Das scharlachrote Blümchen", 1991).

Walt Disney persönlich wollte vor vierzig Jahren den Stoff in einen Zeichentrickfilm verwandeln, doch seinen Autoren fiel keine befriedigende Lösung für die bedrückende zweite Hälfte der Geschichte ein und so legte man das Projekt auf Eis. Erst die Drehbuchautorin Linda Woolverton fand den richtigen Dreh, diese zeitlose Geschichte für ein Kinopublikum der 90er-Jahre attraktiv zu gestalten. Für dieses Zeichentrickfilm-Musical wurde vieles gegenüber der Vorlage verändert. Die Schöne ist nicht mehr passiv, sondern eine selbstbewusst emanzipierte Heldin, die für die Freilassung ihres Vaters kämpft. Im Zentrum des Films steht das Biest: Zum einen ist es ein Furcht erregendes, schreckliches Tier mit Löwenmähne, Büffelkopf, den Körperausmaßen eines Bären, das gegen Wölfe kämpft, und zum anderen ein liebevoller Mensch mit tiefblauen Augen voller Wärme und Zärtlichkeit, der sein Temperament zügeln muss, um seine Gefühle ausdrücken zu können.

Die kluge Belle wehrt sich gegen den zudringlichen Verehrer Gaston, der überhaupt kein Verständnis dafür hat, dass Belle so gerne in Büchern herumschmökert. Belles Vater gerät in das unheimliche Schloss und wird dort vom Biest in den Kerker geworfen. Belle eilt herbei und bietet sich im Austausch für den kranken Vater an. Als der eifersüchtige und aufgebrachte Gaston gegen das Biest kämpft, erkennt Belle ihre Liebe: Nicht das Aussehen entscheidet, sondern die inneren Werte. Belle liebt das Biest, nicht aus Mitleid für sein schreckliches Aussehen, nicht aus Dankbarkeit, weil es ihr das Leben gerettet hat, sondern ganz und gar aufrichtig, weil sich hinter der hässlichen Schale ein liebenswerter Mann verbirgt.

In seiner Perfektion und der leuchtenden Farbenpracht (die Story wird im Wechsel der Jahreszeiten erzählt) erinnert der neue Disney-Film an die Klassiker von "Bambi" (1942) bis "Dornröschen" (1959), doch er ist ein Produkt der 90er-Jahre, denn manche Szenen sind computeranimiert: So tanzen im Ballsaal die handgezeichneten Figuren vor einem dreidimensionalen Hintergrund und die Kamera bewegt sich auf sie zu – das ergibt Perspektiven und Bewegungsabläufe, wie sie bisher nur in Spielfilmen möglich waren.

Die Schlacht der aufgewiegelten Bürger gegen Schloss und Biest ist ein furioses Feuerwerk aus Farben und Formen, dem der Betrachter kaum noch zu folgen vermag – die Rasanz ist atemberaubend, ganz im Stil von "Roger Rabbit". Der gelungenste Einfall sind allerdings die verzauberten Dienstboten des Schlosses: Ob Teekanne (mit ihrem Sohn Tassilo) oder Kerzenständer, ob Kaminuhr oder Kleiderschrank – sie alle können sprechen und avancieren zu Figuren mit eigenwilligem Charakter, die mit Tellern und Bestecken tanzen und singen. Auch hinter dieser Idee steckt eine Reminiszenz an einen früheren Disney-Film: Bereits in "Alice im Wunderland" (1951) vollführen Dutzende von Teekannen ein verrücktes Ballett. Die Überlegenheit des Genres Trickfilm bleibt verblüffend: Die Gesetze der Realität sind außer Kraft und nichts ist unmöglich, das Gute gewinnt, die Liebe triumphiert und Belle umarmt den Prinzen.

Manfred Hobsch

 

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