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Ausgabe 112-4/2007

ES WAR K'EINMAL IM MÄRCHENLAND

HAPPILY N'EVER AFTER

Produktion: BFA Berlin Animation Film und Vanguard Films; Deutschland / USA 2006 – Regie: Paul J. Bolger – Drehbuch: Rob Moreland – Musik: Paul Buckley – Stimmen: Malte Arkona (Rick), Nina Moghaddam (Ella), Martin Semmelrogge (Rumpelstilzchen) – Länge: 87 Min. – Trickfilm (3D-Animation) – Farbe – FSK: o. A. – Verleih: NFP / Fox – Alterseignung: ab 6 J.

"Es war einmal": So fangen alle Märchen an, und sie gehen stets gut aus. Das ändert sich schlagartig, als der für das Gleichgewicht zwischen Gut und Böse zuständige Zauberer in Urlaub geht und seine beiden chaotischen Gehilfen Munk und Mambo ihn vertreten sollen. Das geht natürlich schief und Cinderellas böse Stiefmutter Frieda reißt Kristallkugel, Zauberstab und Macht übers Märchenland an sich. Fortan sollen die Bösewichte ihr (Un)Happy End haben! Um das zu verhindern und um das eigene Happy End zu retten, macht sich Cinderella, genannt Ella, auf die Suche nach ihrem Prinzen. Sie wird begleitet von Munk und Mambo sowie dem prinzlichen Diener und Tellerwäscher Rick, der schwer für Ella entflammt ist und außerdem weiß, dass der eitle Prinz eine hohle Nuss ist, was Ella ihm jedoch nicht glauben will. Erschwerend kommt hinzu, dass ihnen Rumpelstilzchen mit geraubtem Baby im Arm hinterher spioniert und Frieda sämtliche Trolle, Hexen und bösen Wölfe des Landes auf sie hetzt. Ist im Märchenreich also tatsächlich Schluss mit "Sie lebten glücklich bis an ihr Ende"?

Was wäre, wenn die Gesetze der Märchenwelt auf den Kopf gestellt würden? Wenn Cinderella, Dornröschen, Schneewittchen & Co. ihre Prinzen nicht bekämen oder Hänsel und Gretel die Hexe nicht besiegten? Mit dieser Fragestellung ließe sich aufs Fantasievollste spielen, wie zum Beispiel in den "Shrek"-Filmen geschehen. Liest man dann noch in der vollmundigen Ankündigung zum Film, dass "Shrek"-Produzent John H. Williams produziert, der irische Regisseur Paul Bolger unter anderem mit Don Bluth gearbeitet hat und Deane Taylor ("Tim Burtons Night Before Christmas") mitwirkte, dass "Es war k'einmal im Märchenland" in den USA die besten Einspielergebnisse eines deutschen Films erzielt hat und die bislang größte europäische Animationsproduktion ist, dann sind die Erwartungen so hoch gepusht wie das üppige Dekolleté der bösen Stiefmutter Frieda. Doch leider hält der Film nicht, was die Superlative der Marketing- und PR-Abteilungen versprechen. "Es war k'einmal im Märchenland" entstand ursprünglich als computeranimierter (2D) Zeichentrickfilm, wurde dann jedoch aufgrund des veränderten Marktes in internationaler Zusammenarbeit von der Berliner Film Companie aufwändig und binnen 15 Monaten in 3D konvertiert. Ein enormer Kraftaufwand und eine beeindruckende Leistung, doch bei allen sichtbaren Errungenschaften der deutschen CGI-Technologie fehlt den Figuren noch die Eleganz und Leichtigkeit ihrer berühmten Verwandten aus Hollywood.

Dies allein wäre zu verschmerzen, wenn nicht dabei die großartige Ausgangsidee für den Plot verschenkt worden wäre. "Es war k'einmal im Märchenland" ist als Titel irreführend, weil im Grunde nur Cinderellas (Aschenputtels) Märchen benutzt und mit einigen wenigen Figuren aus anderen Märchen garniert wird (unter anderem mit sieben militärisch herausgeputzten Zwergen inklusive Flak-Abschussvorrichtung). Von diesen tragen einige nichts weiter zur Handlung bei, als kurz über den Bildschirm der Zauberkugel zu flimmern. Statt aus dem reichhaltigen Figurenarsenal der Grimmschen Märchenwelt zu schöpfen, werden neue Figuren hinzuerfunden (der Zauberer und seine Gehilfen, Rick, die drei Köche usw.), die trotz 3D-Computerdesign höchst eindimensional ihre Funktion erfüllen. Obendrein sind einem diese schon in anderen Filmen begegnet, was nicht wie ein augenzwinkerndes Zitat, sondern "abgeguckt" wirkt.

Dass sich ausgerechnet Rumpelstilzchen in die Geschichte verirrt hat oder der Zauberer Golfurlaub macht, ist so beliebig wie die ohne überraschende Wendungen auskommende Handlung vorhersehbar ist. Von Anfang an steht fest, wer Ellas Herz erobern wird. Das war wohl auch den Filmemachern klar, so dass sie gleich darauf verzichtet haben, Ella und Rick eine Entwicklung durchmachen zu lassen. Ella bleibt eigenartig blass, ihr Aufbegehren gegen die böse Stiefmutter im Showdown wird durch nichts vorbereitet.

Nun könnte man dagegenhalten, dass Märchen die plakative Zeichnung von Gut und Böse zueigen ist und Kinder ihr Vergnügen an den lustigen, bunten und wieder erkennbaren Figuren haben werden. "Es war k'einmal im Märchenland" ist tatsächlich wunderbar farbenfroh, besitzt einige liebenswerte Einfälle und die Torte im Gesicht funktioniert zuverlässig. Aber das täuscht nicht darüber hinweg, dass der Film an einem uninspirierten Drehbuch krankt. Es reicht eben nicht, actionreich eine schöne, sexy-böse Stiefmutter mit dem Zauberstab rumfuchteln zu lassen, dass die bombastischen Soundeffekte nur so krachen. Auch ein lärmiger Soundtrack und der sehr aufs erwachsene Publikum abzielende Dialogwitz reihen "Es war k'einmal im Märchenland" unter "ferner liefen" ein. Fazit: Diesen Film kann man sich mal auf Video oder DVD ausleihen, aber im Kino schaut man sich bitteschön lieber unbedingt "Die drei Räuber" an!

Ulrike Seyffarth

 

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