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Ausgabe 45-1/1991

"Hat man die Technik erst einmal erlernt, entdeckt man, dass die eigentliche Herausforderung das Schauspielern der Figur ist"

Gespräch mit Ron Clements

(Interview zum Film ARIELLE – DIE MEERJUNGFRAU)

Ron Clements, Co-Drehbuchautor und -Regisseur von "Arielle – Die Meerjungfrau", begleitete Roy Disney zu den Europapremieren des Films und gab Auskunft über verschiedene Aspekte des Trickfilms im Allgemeinen und im Besonderen.

"Viele Leute sehen Trickfilm ja nur unter dem technischen Aspekt. Sie finden es nahezu magisch, dass man eine Zeichnung dazu bringen kann, sich zu bewegen, weil sie den technischen Vorgang nicht verstehen. Aber wenn man Trickfilmen lernt, kommt man dahinter, dass man die Technik sehr schnell erlernt, und dass es sinnvoll ist, ein gewisses zeichnerisches Talent zu haben. Aber hat man die Technik erst einmal erlernt, entdeckt man, dass die eigentliche Herausforderung das Schauspielern ist, die Bemühung, die Figur so wirken zu lassen als würde sie denken, atmen, leben, real sein und Persönlichkeit haben. Und das ist viel, viel schwieriger als die reine Technik, mit der man eine Figur in lebensechte Bewegung versetzt. Natürlich muss man die Technik perfekt beherrschen, um nicht mehr über sie nachdenken zu müssen."

KJK: Wo haben Sie das Trickfilm-Handwerk gelernt? Im Disney-Studio?
Ron Clements: "Im Disney-Studio. Ich fing dort als Trickzeichner an. Jetzt habe ich natürlich noch viel mit Zeichnern zu tun, zeichne und animiere aber nicht mehr selbst. Ich war 20, als ich vor 17 Jahren Trickfilmen zu lernen begann. Damals waren die Trickfilme seit Jahrzehnten von praktisch immer den gleichen Leuten gemacht worden. Mitarbeiter, die 'Schneewittchen', 'Pinocchio' oder 'Fantasia' gemacht hatten, arbeiteten da am 'Dschungelbuch' oder an 'Bernard und Bianca'. Lange Zeit waren die Tore zu den Disney-Studios verschlossen. Man sagte, neue Leute werden nicht gebraucht, weil ja all diese talentierten Mitarbeiter da waren, die zusammen mit Walt groß geworden waren. Anfang der 70er-Jahre fiel dann allmählich auf, dass diese Mitarbeiter alle schon um die sechzig waren und bald in Pension gehen würden. Einige waren auch schon gestorben. Da erkannte man, dass man Nachwuchs brauchte, um diese Art der klassischen Animation fortzuführen, und richtete ein Nachwuchsförderungsprogramm ein. Und ich hatte das Glück, da hineinzugeraten. Ich wollte schon als Kind immer bei Disney arbeiten und kam nun hin, als gerade junge Talente gesucht wurden, die NICHT aus der Industrie kamen und NICHT bei anderen Studios ausgebildet worden waren. So wollte man sich die Mühe sparen, die Leute das dort Gelernte wieder vergessen zu machen, ehe die eigentliche Ausbildung begann. Ich legte ein Portfolio vor und wurde schließlich genommen. Nach der ersten Anlernphase wurde ich Lehrling bei Frank Thomas, einem der neun großen, alten Männer. Er hat an 'Schneewittchen', 'Pinocchio' und 'Bambi' gearbeitet und von ihm stammt unter anderem die Spaghetti-Szene in 'Susi und Strolch'. Unter ihm arbeitete ich zwei Jahre an 'Bernard und Bianca' und lernte die Animationstechniken. Das war eine echt tolle Sache. Heute bin ich mit 37 einer der ältesten Mitarbeiter der Trickabteilung, während schon die nächste Generation der Zwanzigjährigen am Werk ist."

Sie mögen zwar bei Disney gelernt haben, aber die Studios haben wohl auch von den neuen Mitarbeitern gelernt. "Arielle" ist dafür ja auch ein Beispiel.
"Ja, in gewisser Weise schon. Arielle ist ein modernes Mädchen, und anders als etwa Schneewittchen, die nur auf ihren Prinzen wartet, ist sie aggressiver und hat Eigeninitiative, um zu bekommen, was sie haben will. Vor 30, 40 Jahren wäre solch eine Figur wahrscheinlich nicht denkbar gewesen. Natürlich haben all die jungen Leute ihre Persönlichkeit in die Arbeit eingebracht. Aber wesentlich war auch, die Disney-Methode zu lernen. Die Disney-Spezialität sind ja die Langfilme. Da kommt es darauf an, die Zuschauer 75 Minuten lang bei der Stange zu halten. Der Trick liegt darin, dass die Figuren, Charaktere und Situationen stark genug sein müssen, um die Zuschauer so sehr zu interessieren, dass sie die Filmtechnik allmählich vergessen und sich emotionell so engagieren, dass die Geschichte für sie trotz der Zeichnungen real wird. Wenn das passiert, ist das eine Art magische Erfahrung, eine Art Super-Glaubwürdigkeit, die sogar das Erlebnis eines Realfilms übersteigt."

Die Arbeit an "Arielle" hat in etwa vier Jahre gedauert?
"Ja. Wobei der größte Teil der Arbeit Vorbereitung und Ausarbeitung war. Die eigentliche Trickfilmarbeit belief sich auf rund ein Jahr."

Es heißt ja, die Schurken sind die interessanteren Personen. In "Arielle" haben Sie sich aber auch bemüht, die Guten interessant zu machen.
"Ja. Die realen Figuren sind ohnehin besonders schwierig zu animieren. Viel schwieriger jedenfalls als karikierte Figuren. Um das Problem etwas zu umgehen, haben wir die realen Figuren der Nixe und des Prinzen fast immer mit ihren 'Sidekicks' zusammen im Bild. Das hilft gewaltig."

"Arielle" ist insgesamt schneller geschnitten als frühere Disney-Filme.
"Nun, unter dem Einfluss von MTV ist der Zuschauer schnellere und häufigere Schnitte gewöhnt. Darauf mussten wir uns schon auch ein wenig einstellen. Die Sehgewohnheiten sind heute eben etwas anders als früher."

Hat sich das auch beim Publikum ausgewirkt?
"Ja. Wir produzieren ja nicht von vornherein für Kinder, sondern haben durchaus auch uns selbst als Publikum im Auge. Aber 'Arielle' hat in den USA insbesondere auch Teenager ins Kino gelockt, weil die jungen Mädchen sich in ihr wiederfinden, da sie eine recht eigenwillige Person ist."

Was ist Ihr nächstes Projekt?
"Mein nächster Film, wieder eine Zusammenarbeit mit John Musker, ist die Geschichte von Aladin. Sie wissen schon, mit dem Flaschengeist, fliegenden Teppichen und so."

Interview: Wolfgang J. Fuchs

 

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