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Ausgabe 84-4/2000

"Petterson und Findus"

PETTSON & FINDUS – KATTEN OCH GUBBENS AR

(Hintergrund zum Film PETTERSON UND FINDUS)

Schweden / Deutschland 1999 – Regie: Albert Hanan Kaminski – Buch: Torbjörn Jansson, nach einer Vorlage von Sven Nordqvist – Länge: 74 Min. – Farbe – Originalfassung mit englischen Untertiteln / deutsch eingesprochen – FSK: o. A. – Altersempfehlung: ab 5 J.

Dokumentation der Filmvorführung (30.6.2000) beim 18. Kinderfilmfest München (Auszug)

Inhalt

Die Helden Petterson und Findus aus den beliebten Bilderbüchern des schwedischen Autors Sven Nordqvist erleben ihre Abenteuer nun auf der Leinwand. Der gemütliche alte Mann Petterson und sein gewitzter Kater Findus werden an Silvester auf einem zugefrorenen See beim Eisfischen von einem Schneesturm überrascht. Beide verlieren die Orientierung und sind gezwungen, einen Unterschlupf zu suchen. Petterson baut ihnen zum Schutz ein Iglu. Und damit sie in der Kälte nicht einschlafen und erfrieren, beginnt Petterson die vielen kleinen und großen Abenteuer zu erzählen, die sie beide schon gemeinsam erlebt haben ...

Reaktion der Kinder während der Filmvorführung

Durch die Kinderbücher des schwedischen Autors Sven Nordqvist, in denen ebenfalls Petterson und Findus die Hauptrollen spielen, waren die Figuren bei den Kinobesuchern nicht unbekannt. Selbst einzelne Szenen und Geschichten wurden schon erkannt, bevor sie überhaupt liefen (ein kleiner Junge zu seiner Mutter: "Ich weiß was des is, des is mit dem Stier") oder die Szenen wurden im Nachhinein wieder erkannt: "Des kenn ich." Sogar die kleinen Figuren, die in dem Film neben der Hauptgeschichte ihren Auftritt haben, kannten die Kinder bereits: "Im Buch 'Petterson und Findus' sind auch so witzige Figuren". Die Vorführung wurde von den Kindern mit großer Aufmerksamkeit verfolgt, sie waren in die Geschichte der beiden Helden teilweise sehr vertieft, was an den Reaktionen erkennbar war:
- Manche Szenen wurden sozusagen von den Kindern "erraten", sie versuchten das Geschehen vorherzusehen ("Der fällt rein!" – als Findus tatsächlich in den Brunnen fällt: "Hab ich's doch gesagt.")
- Die Kinder empfanden in schwierigen Situationen großes Mitgefühl mit Petterson und Findus (z. B. als sie sich im Schneesturm verlaufen und erst keinen Unterschlupf finden: "Oh, die Armen", "Oh mein Gott")
- Bei Szenen, die ein Missgeschick zeigten, hielten sich viele die Hand vor den Mund (z. B. als in der Geschichte mit dem Stier die Eier zerbrechen)
- Besonders den kleinen Tieren, die neben der Hauptgeschichte auftauchen, schenkten vor allem die jüngeren Zuschauer große Beachtung. Bestimmte Gesten wurden nachgeahmt, z. B. bläst im Film ein Frosch in die Segel der kleinen Wasserskifahrer – die Kinder ahmten die Geste nach und bliesen in die Luft.
- Die Kinder wiederholten auch gerade gehörte, für sie vielleicht lustige Sätze. Zum Beispiel sagt Petterson zu Findus, als der Schneesturm ausbricht: "Wenn ich hier draußen bleibe, werd ich auch einer" (Geist). Der Satz wurde sogleich von einem kleinen Jungen aufgenommen und unter Gelächter wiederholt. Ebenso riefen viele Kinder "Jussi" (der Name des Hahns) mit, als Petterson den Hahn suchte. Auch das Krähen des Hahns wurde von den jungen Zuschauern nachgeahmt.
- Vor allem bei actionreichen Szenen waren die Kinder aufgeregt und überdreht (z. B. als das Feuerwerk losgeht; als Findus vom Hahn davonrennt und es zu einer Verfolgungsjagd kommt; als Findus mit dem Schlitten durch den Schneemann saust). Die Kinder lachten bei solchen Szenen laut, zappelten auf ihren Plätzen und quietschten vor Freude.

Während des Films lehnten sich viele Kinder weit nach vorne, es schien, als wollten sie so nah wie nur irgendwie möglich an die Leinwand und das Filmgeschehen rücken. Die Kinder in den hinteren Reihen standen auch oft auf, um über die anderen Köpfe hinweg besser auf die Leinwand sehen zu können. Viele Kinder kommentierten das eben Gesehene ("Der Weihnachtsmann kommt!", "Wie in Kästen sind die!" –eingefrorene Fische –, "Des find ich witzig"), deuteten mit den Fingern auf die Leinwand und versuchten ihren Begleitern (meist Eltern) ihre Gefühle zu verdeutlichen. Wenn ein zu großer Geräuschpegel durch Unterhaltungen entstand, forderten sich die Kinder untereinander auf, leiser zu sein.

Was ich mit Erstaunen beobachtete, war, dass eher die Jungen während der Vorführung ihre Gefühle durch Reaktionen zum Ausdruck brachten. Mädchen waren in dieser Hinsicht weitaus zurückhaltender. Am Ende des Films gaben fast alle Kinder begeistert Beifall. Einige äußerten sich auch konkreter: "Oh, schade, schon aus!", "Echt geil der Film!"

Verwendbarkeit des Films für die Kinderkulturarbeit

Mit seinem neuen Film "Petterson und Findus" hat der Regisseur Albert Hanan Kaminski einen heiteren, warmherzigen Zeichentrickfilm geschaffen, der sich ganz ohne die Ãœberdrehtheit vieler neuer kommerzieller Trickfilmproduktionen in die Herzen der Kinder spielt. Dabei kommt er ganz ohne Krawall und Hektik aus.

Der Film ist ein großes Vergnügen für Groß und Klein. Selbst Vorschulkindern bietet er ein unvergessliches Filmerlebnis. Die vielen einzelnen Geschichten in der Hauptgeschichte und die kleinen Auftritte der durch das Bild hüpfenden, schwimmenden und flatternden kleinen Figuren eignen sich gut, um den jüngeren Gästen und ihrem szenischen Verstehen entgegenzukommen. Denn Vorschulkinder greifen sich meist nur einzelne, subjektiv bedeutsame Handlungssequenzen heraus, wohingegen ihnen der eigentliche Filmzusammenhang verschlossen bleibt.

Bei "Petterson und Findus" ist es unbedeutend, wenn eine Geschichte nicht ganz verstanden wurde, der episodenhafte Aufbau des Films ermöglicht den Kindern die Chance, eine Geschichte immer wieder neu zu verfolgen. Die einzelnen Geschichten mit ihren einfachen, streng aufeinander folgenden Abläufen dürften hinreichend von älteren Vorschulkindern verstanden werden, wohingegen der ständige Rückbezug auf die eigentliche Situation, dass Petterson und Findus sich ja eigentlich im Iglu im Wald befinden und die Geschichten nur erzählt werden, die Rezeptionskompetenz überfordern. Doch dies mindert das Filmerlebnis in keinster Weise. Die ruhige Inszenierung lässt auch den jüngeren Zuschauern ausreichend Zeit, das Geschehene in Ruhe zu betrachten und zu verarbeiten. Die Geschichten erzählen Begebenheiten aus dem Alltag der beiden Freunde. So sind die Themen für die jungen Zuschauer nicht neu und überfordernd. Der Film beinhaltet keine zu intensiven Spannungselemente, die jüngere Kinder in Schrecken versetzen könnten, sowie keinerlei Gewalt (z. B. kommt selbst der Fuchs, den sie jagen, mit einem Schrecken davon).

Für die Orientierungssuche der Kinder spielen Helden / Protagonisten (Petterson und vor allem Findus) eine entscheidende Rolle. Ihnen wird natürlich die größte Aufmerksamkeit geschenkt: Charakter, Verhaltensweisen und Handlungen und besonders ihr Umgang mit anderen wird unter die Lupe genommen. An ihnen überprüfen die Kinder ihr Selbstkonzept und ihre bereits entwickelten Vorstellungen. Petterson und Findus vermitteln Werte wie Hilfsbereitschaft (sie beschützen die Hühner vor dem Fuchs), Ehrlichkeit (Findus vertreibt Jussi und lügt Petterson an, später tut es ihm schrecklich leid und beichtet alles) und Zusammenhalt. Das Thema Freundschaft wird äußerst positiv dargestellt.

Der Film wurde von den Kindern durch die Abstimmung mit der Eintrittskarte wie folgt beurteilt: 73 Prozent der Kinder stimmten für sehr gut, 17 Prozent für gut, 5 Prozent für mittelmäßig und 5 Prozent für nicht gefallen. Auch dieses Ergebnis spricht für sich.

Jutta Baumann

 

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Ausgabe 82-4/2000

 

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