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Ausgabe 93-1/2003

DER HERR DER RINGE – DIE ZWEI TÜRME

LORD OF THE RINGS: THE TWO TOWERS

Produktion: New Line Cinema; USA 2002 – Regie: Peter Jackson – Drehbuch: Fran Walsh, Philippa Boyens, Peter Jackson, Stephen Sinclair, nach dem Roman von J.R.R. Tolkien – Kamera: Andrew Lesnie – Visual Effects: Jim Rygiel – Schnitt: Mike Horton, Jabez Olssen – Musik: Howard Shore – Darsteller: Elijah Wood (Frodo Beutlin), Sean Astin (Sam Gamdschie), Ian McKellen (Gandalf), Viggo Mortensen (Aragorn), Orlando Bloom (Legolas), Christopher Lee (Saruman), Liv Tyler (Arwen), Cate Blanchett (Galadriel) u.a. -Länge: 179 Minuten – Farbe, Super 35mm – FSK: ab 12 – Verleih: Warner Bros. – Altersempfehlung: ab 14 J.

Die Kamera fliegt über ein Gebirge, taucht in einen Berg hinein und wir sehen die Fortsetzung einer Schlüsselsequenz aus dem ersten Teil: Gandalfs Fall mit dem Feuerwesen Balrog auf den Grund der Welt / Schnitt / Frodo erwacht, es war der erneute Albtraum vom Verlust des Freundes und Führers in gefährlicher Zeit. So beginnt der zweite Teil von Peter Jacksons monumentaler Tolkien-Verfilmung, in dem die ehemaligen Gefährten nunmehr getrennte Wege gehen. Frodo und Sam begeben sich auf den gefahrvollen Weg nach Mordor, wobei sie von einem absonderlichen Wesen namens Gollum verfolgt werden, das sie nach seinem Versuch, sie zu töten, gefangen nehmen. Gollum und Frodo verbindet der Ring der Macht: Denn einst war Gollum ein Hobbit-ähnliches Wesen namens Smeagol, das den Ring fand und ihn so lange besaß, bis der ihn physisch und psychisch verändert hat. Zwei Seelen wohnen nun in seiner Brust: Der harmlose Smeagol und der tückische Gollum, doch beide wollen sie nur das eine: "Den Schatzsss", wie er den Ring in liebevoller Verzückung nennt. Frodo und Sam zwingen Gollum, sie auf gefährlichen Pfaden zum Schwarzen Tor zu führen, der Pforte nach Mordor. Mit jedem Schritt, den sie sich Mordor nähern, fühlt Frodo die wachsende Macht des Ringes.

Zur gleichen Zeit verfolgen Aragorn, Legolas und Gimli die Ork-Rotte, die die beiden Hobbits Merry und Pippin nach Isengart verschleppen wollen, der Heimat des Zauberers Saruman. Doch bevor sie dort ankommen, werden die Orks am Rande des alten Fangorn-Waldes von den Rohirrim, einem Reitervolk im Kampf gegen Sauron und Saruman, niedergemacht und die Hobbits entkommen unbemerkt in den Wald, wo sie auf die Ents treffen: Baum Wesen, die schon seit Urzeiten Mittelerde bevölkern. Im selben Wald begeben sich die drei restlichen Gefährten auf die Suche nach ihren Freunden, werden jedoch von einem alten Mann aufgehalten: Gandalf ist zurückgekehrt, weiser und mächtiger denn je führt er die drei nach Edoras, der Hauptstadt Rohans, wo sie zunächst den alten König Theoden von Sarumans Bann und seinem Ratgeber Grima Schlangenzunge, der in Sarumans Diensten steht, erlösen. Der Krieg steht vor der Tür; zunächst gegen Saruman, dessen 10.000 Mann starkes Heer sich aufmacht, Rohan dem Erdboden gleichzumachen. Derweil begegnen Frodo, Sam und Gollum auf ihrem Weg Faramir, dem Bruder von Boromir, der die Macht des Ringes erkennt und sie zwingt, ihn nach Gondor im Süden zu begleiten. Doch als er bei einem Kampf gegen einen der Ringgeister Zeuge wird, wie sehr der Ring Frodo verändert, lässt er sie ziehen und sie machen sich auf zur letzten Etappe ihrer Reise nach Mordor. Zur selben Zeit schlagen Eiben und Menschen die siegreiche Schlacht bei Helms Klamm und Merry und Pippin konnten die Ents bewegen, sich direkt gegen Saruman und seinen Turm Orthanc zu wenden, seine Fabriken zu zerstören und ihn in seinem Turm zu isolieren.

Teil zwei der Trilogie kommt deutlich härter daher als die erste Folge: Vor allem die über 20-minütige gigantische Schlacht bei Helms Klamm, einer Bergfestung der Rohirrim, ist nichts für Zartbesaitete und schon gar nicht für Kinder unter 12. Zehntausend Orks und andere Wesen belagern in erdrückender Überzahl eine kleine Schar Menschen und Eiben. Wie an anderer Stelle hat Peter Jackson auch hier weder Kosten noch Mühe gescheut, seine Vision von Tolkiens Fantasy-Welt auf die Leinwand zu bringen und einen exzellenten – per Sounddesign nachhaltigen – Eindruck zu hinterlassen. Doch der eigentliche Höhepunkt des zweiten Teils ist Gollum, diese computeranimierte Figur, die den Bewegungen des Schauspielers Andy Serkis nachempfunden wurde und deren deutsche Stimme Andreas Fröhlich nicht unwesentlich zu der Mischung aus Abscheu und Mitleid beiträgt, die man Gollum gegenüber empfindet. Andreas Fröhlich braucht sich hier nicht vor Dietmar Mues zu verstecken, der den Gollum in der über 12-stündigen Hörspielversion verkörperte (gibt's übrigens für 142,- EUR beim Hörverlag in München). Gollum ist zudem auch ein gutes Beispiel dafür, wie man modernste Tricktechnik im Dienste der Geschichte optimal nutzt und doch nie das Gefühl vermittelt, die Effekte seien hier ausgestellt. Und wenn Gollum/Smeagol seine inneren Monologe führt, die Jackson im Schnitt-Gegenschnitt-Verfahren zeigt, hat man wirklich das Gefühl, hier sprächen zwei verschiedene Figuren, so ausgeprägt ist das Mienenspiel.

Natürlich hat Jackson sich auch diesmal Freiheiten mit der Vorlage erlaubt, zumeist zum Zwecke filmischer Verdichtung und Dramatisierung: Wo die Ents sich bei Tolkien nach einer tagelangen Versammlung zum Eingreifen entscheiden, werden sie hier von Merry und Pippin mit einem Trick zum Kriegszug gegen Saruman veranlasst. Ein Kunstgriff, der nicht nur das Problem löst, dass eine tagelange Ent-Versammlung filmisch einfach nichts hergegeben hätte, sondern auch die Rolle der zwei Hobbits betont. Natürlich kann man sich über die eine oder andere Veränderung streiten: Mir ist etwa Gimli ein wenig zu sehr als komischer Sidekick charakterisiert: Natürlich hat er solche Züge schon bei Tolkien, aber er ist immer auch ein gefährlicher Krieger, der gerade wegen seiner Statur allzu oft unterschätzt wird. Auch dass Faramir Sam und Frodo – im Gegensatz zum Buch – zunächst als Gefangene nach Gondor führen will, ist nicht unproblematisch. Denn diese Sequenz verwässert das Gegensatzpaar Boromir/Faramir; ein Gegensatz, der im letzten Teil eine nicht unwichtige Rolle spielen wird. Nichtsdestotrotz ist Jackson Unterhaltungskino von hohem Schauwert gelungen, dessen Tricks nur der Story dienen und das manchmal mit ganz einfachen Mitteln arbeitet, um die Atmosphäre finsterer Bedrohung zu zeigen, die über seinen Schauplätzen liegt; so im Kampf zwischen Frodo und dem Ringeist: Die Stadt, in der sich die Konfrontation ereignet, liegt in einem fahlen unwirklichen Licht, als habe Mordors Macht bereits alle Farben aus der Welt gewaschen, als seien seine Gegner nur noch Schatten ihrer selbst, zum Untergang verdammt, noch bevor sie es selber wissen.

Wie beim ersten Teil bleibt Howard Shores Soundtrack das größte Problem. In vielen Momenten findet er genau den richtigen Ton, um das Pathos dieser epischen Fantasy zu unterstützen. Doch wenn er übers Ziel hinausschießt, wird aus angemessenem Pathos Kitsch, der in ganz wenigen Momenten sogar unfreiwillig komisch ist. Doch dem Film, der so viele unvergessliche Bilder und Töne zu bieten hat, können diese wenigen Misstöne nicht wirklich etwas anhaben. Zu stark ist Jacksons Vision von Mittelerde als Schlachtfeld zwischen Gut und Böse; zu kongenial seine Umsetzung von Tolkiens Roman. Es bleibt dabei: Ein Muss für alle Fantasy-Freunde und solche, die's werden wollen.

Lutz Gräfe

 

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