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Ausgabe 107-3/2006

BEAUTY AND THE BASTARD

TYTTÖ SINÄ OLET TÄHTY

Produktion: Helsinki-Filmi OY; Finnland 2005 – Regie: Dome Karukoski – Buch: Pekko Pesonen – Kamera: Pini Hellstedt – Schnitt: Harri Ylönen – Musik: Jukka Immonen – Darsteller: Pamela Tola (Nelli), Samuli Vauramo (Sune), Joonas Saartamo (Kondis), Eero Saarinen (Nellis Vater) u. a. – Länge: 105 Min. – Farbe – Altersempfehlung: ab 14 J.

Wie wird man heute ein Superstar, wenn einem nicht gerade ein Dieter Bohlen zur Seite steht? Vielleicht sind es immer noch ein bisschen Talent, ein ausgeprägter Wille und ein paar Freunde, die helfen können. Jedenfalls macht die Abiturientin Nelli solcherlei Erfahrungen und sie findet dabei nicht nur ein Stück zu sich selbst, sondern im gleichaltrigen HipHop-DJ Sune eine erste wirkliche Liebe.

Das Mädchen aus besserem Hause soll nach dem Willen der Eltern eigentlich Medizin studieren. Nelli hat einen festen Freund und ein betuliches bürgerliches Leben scheint ihr vorbestimmt zu sein. Doch sie möchte eigene Entscheidungen treffen und damit ihren innersten Träumen folgen. Mit ihrer im klassischen Gesang ausgebildeten Stimme glaubt sie, sich als Popsängerin durchsetzen zu können. Doch ziemlich schnell merkt sie, dass sie den Regeln dieses Geschäfts nicht gewachsen ist. Nelli hat nicht einmal ein Demo-Tape, das sie möglichen Produzenten vorspielen kann. Da hilft ein Zufall. DJ Sune, der sich mit Leidenschaft und großem Können seiner Profession hingibt, sich aber bei den Mädchen schwer tut, wird von seinen Freunden zu einer Wette verleitet, dass ausgerechnet er die schöne und melancholische Nelli für sich interessieren könne. Was dann seinerseits in einem Club als Annäherungsversuch gedacht ist, wirkt höchst unbeholfen. Doch das Mädchen erkennt nach den ersten Worten des jungen Musikers die unverhoffte Chance, mit seiner Hilfe zu ihrem Tape kommen zu können. Die beiden proben gemeinsam, sie streiten sich um den besten Sound und was als eine unterschiedlich motivierte Zweckgemeinschaft begann, wird ganz dezent und zur Überraschung beider zu einer zarten Liebe.

Dome Karukoski erzählt seine Geschichte mit leichter Hand und taucht dabei tief in die Gefühlswelt junger Leute ein. Dabei werden deren inneren Sehnsüchte genauso sichtbar wie Unsicherheiten im Umgang mit der Liebe und bei der Realisierung der eigenen Lebensansprüche. Die beiden Hauptdarsteller, Pamela Tola und Samuli Vauramo, geben den Figuren eine bemerkenswerte Kraft und Vielschichtigkeit. Sie erscheint äußerlich verspielt und geprägt durch hübsche Koketterie, innerlich ist sie aber von großer Zielstrebigkeit und Ausdauer. Er gibt sich cool und versucht den Perfektionisten herauszukehren, der scheinbar alles unter Kontrolle hat. Dabei spürt man allenthalben, wie er sich nach Wärme und Zuneigung sehnt. Beide Darsteller kommunizieren mit einer hohen Intensität über die Augen. Ganz gleich, was sie aktuell tun, vermittelt durch die Blicke, wird die eigentliche Seelenlage höchst intensiv gespiegelt und über sie wird der Zuschauer in das Geschehen hineingezogen, fühlt sich in suggestiver Weise angesprochen.

Die Geschichte knüpft mit ihrem Rückgriff auf das Milieu der Popmusikszene an ein medial sehr wirkungsvolles Bild jugendlichen Lebens an. Sie verliert sich hier aber nicht in einer unterhaltsamen Beliebigkeit, sondern sie vertieft vor diesem Hintergrund subtil das Thema jugendlicher Emanzipation. Dies ist gerade für Nelli nicht leicht. Sie kommt, anders als in vielen Jugendfilmen unserer Zeit, nicht aus einem Elternhaus, wo alle sozialen Beziehungen zerstört sind, wo es keine Orientierung und materielle Absicherung mehr gibt. Insbesondere Nellis Vater sorgt in jeder Hinsicht für seine Tochter. Das wird besonders deutlich, als für sie und ihren bisherigen Freund eine eigene Wohnung eingerichtet werden soll. Papa ist überall und Papa regelt alles. Nur eines vergisst er dabei: Seine Tochter nach deren eigenen Wünschen zu fragen. Nelli muss um ihrer selbst Willen aus dem warmen Nest springen. Das tut sie, indem sie sich Sune zuwendet.

Der Film verniedlicht nicht die damit verbundenen Konflikte, doch er spitzt sie auch nicht dramatisch zu. Nicht die Brüche sind die entscheidende Frage, sondern der Weg, der dann allein gegangen werden muss. Wird sie die einmal gefundene Selbstständigkeit auch im marktkompatiblen Musikgeschäft durchsetzen können? Passt sie sich an oder folgt sie ihrer eigenen Stimme? Zwei zarte Küsse zum Schluss des Films zeigen, dass das Mädchen offenbar seinen guten Geist gefunden hat. Die Frage nach der eigenen Stimme wird an das Publikum weitergereicht.

Klaus-Dieter Felsmann

 

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Ausgabe 107-3/2006

 

Inhalt der Print-Ausgabe 107-3/2006|

Filmbesprechungen

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Interviews

Gagnon, Claude - "In meinen Filmen spiele ich mit sozialen Vorurteilen und falschen Bildern"| Götz, Maya - Erst mal die Jungs rausschmeißen| Schuhler, Juliane - "Marcel ist antiautoritär aus sich heraus"| Wild, Anne - Den Kindern ihr Märchen geben|


KJK-Ausgabe 107/2006

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