Produktion: Touchstone Pictures, USA 1993 – Regie: Henry Selick – Buch: Caroline Thompson – Kamera: Pete Kozachik – Schnitt: Stan Webb – Musik: Danny Elfman – Deutsche Sprecher: Alexander Goebel (Jack Skellington), Nina Hagen (Sally), Fred Maire (Dr. Finkelstein), Michael Gahr (Bürgermeister), Ron Williams (Oogie Boogie) – Länge: 79 Min. – Farbe – Verleih: Buena Vista – Altersempfehlung: ab 12 J.
Hochmut zahlt sich nicht aus. Diese Lektion muss nach turbulenten Abenteuern auch Jack Skellington einsehen, der Kürbiskönig von Halloween-Town. Gelangweilt von der alljährlichen Verpflichtung, seine Mitbürger zum Gruselfest mit Mummenschanz zu unterhalten, kommt Jack eines Tages auf eine vermessene Idee. Als er zufällig die bezaubernd-bunte Welt von Christmas-Town kennen lernt, beschließt er, den Weihnachtsmann entführen zu lassen und dessen Rolle selbst zu übernehmen. Doch die gut gemeinten Gruselgeschenke verderben den Kindern in Christmas-Town die Weihnachtsstimmung. Zu allem Unglück wird Jack mit seinem Schlittengefährt auch noch abgeschossen. Seine treue Gefährtin, die Lumpenpuppe Sally, eilt ihm zwar zu Hilfe, wird jedoch von ihrem bösen Schöpfer, Dr. Finkelstein, eingesperrt. Jetzt kann nur noch der Weihnachtsmann den Heiligen Abend retten.
Auch in seinem sechsten Langfilm entführt uns Produzent Tim Burton wieder in eine skurril-surreale Welt voller Überraschungen. Rund zwölf Jahre musste der ehemalige Animator in den Disney-Studios warten, bis er dieses bizarre Weihnachtsmärchen realisieren konnte. Zwar hatte Burton mit erfolgreichen phantastischen Filmen wie "Beetle Juice" und "Edward mit den Scherenhänden" sein Talent unter Beweis gestellt, doch für Disney war diese Weihnachtsgeschichte der ganz besonderen Art Anfang der 80er-Jahre noch zu gewagt. Loslegen konnte Burton erst nach den Kassenknüllern "Batman" und "Batmans Rückkehr", die in der All-Times-Hitparade für die besten Einspielergebnisse am ersten Wochenende in den USA Platz zwei und drei belegten.
Burton und der Regisseur Henry Selick, der sich vor diesem Debütfilm vor allem mit Cartoons für den Musikkanal MTV einen Namen gemacht hat, feuern ein furioses Feuerwerk an Einfällen ab. Besonders gelungen ist die Verschmelzung von traditioneller Stop-Motion-Technik und modernen Digitaltrickaufnahmen. Die bizarre Wirkung der agilen Figuren in diesem 79-minütigen Puppentrickfilm wird dadurch erhöht, dass diese sich oft in dreidimensionalen Kulissen bewegen. Der filmische Weihnachtsspuk beeindruckt dabei nicht nur mit der stilistischen Differenzierung der Körpersprache der Hauptfiguren, sondern auch mit der Rasanz ihrer Bewegungen. Das ist insofern kein Wunder, als rund die Hälfte aller Einstellungen Kamerabewegungen enthält. Allein sechs computergesteuerte Kameras wurden eingesetzt, um Schwenks und Kamerafahrten exakt auf die Bewegungen der Puppen abzustimmen. Neue Technologien wurden bei "The Nightmare before Christmas" gleich mehrfach eingesetzt. So sind die Dialogpassagen per Computer an die Gesichtsausdrücke von 400 verschiedenen Puppenköpfen von Jack angepasst. Allein 100 der rund 850 Einstellungen wurden optisch nachbearbeitet.
Für die aufwendige Produktion benötigte das Team (ca. 120 Mitarbeiter) zwei Jahre. Wie viel Arbeit in jeder einzelnen Sequenz steckt, machen folgende Zahlen deutlich. Für eine typische Einstellung von fünf Sekunden Dauer brauchte ein Animator drei Arbeitstage. Selbst in Spitzenzeiten konnten maximal 60 Sekunden Film pro Woche fertig gestellt werden.
Trotz der Schauereffekte fehlt es diesem Trickfilm-Grusical keineswegs an Humor. Wenn etwa drei tollpatschige Unholde statt des Weihnachtsmannes den Osterhasen entführen, ist ein Lacherfolg bei den jüngsten Kinobesuchern garantiert. Die erwachsenen Zuschauer dürften dagegen eher an den liebevollen Ansätzen zur Parodierung des Weihnachtsrummels größeres Vergnügen finden. Cineasten bietet sich darüber hinaus reichlich Gelegenheit, Trivialmythen und höheres Kulturgut zu entschlüsseln. So erinnert etwa Jacks gute Fee Sally zugleich an Frankenstein und an die Wunderpuppe Olympia von E.T.A. Hoffmann.
Burtons Hauskomponist Danny Elfman hat zu dem makaberen Märchen-Musical zehn zeitlos-sentimentale Songs komponiert, die gerade jüngeren Zuschauern ausreichend Gelegenheit zur Entspannung geben, ehe die nächste Action-Szene kommt. Wegen der zahlreichen Bezüge zum Halloween-Brauchtum in den USA dürfte dem deutschen Publikum der Zugang zu diesem doch sehr amerikanischen Weihnachtsspektakel nicht so leicht fallen wie den Zuschauern im Herkunftsland.
Reinhard Kleber
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