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Ausgabe 68-4/1996

DER GANZE MOND

THE WHOLE OF THE MOON

Produktion: CINAR; Kanada / Neuseeland 1995 – Drehbuch: Richard Lymposs, Ian Mune, nach einer Geschichte von Richard Lymposs – Regie: Ian Mune – Kamera: Warwick Attewell – Schnitt: Jean Beaudoin – Musik: Daniel Scott – Darsteller: Toby Fisher (Kirk Mead), Nikki Si'Ulepa (Marty), Pascale Bussieres (Sarah), Paul Gittins (Alec Mead), Jane Thomas (Maureen Mead) u. a. – Länge: 90 Min. – Farbe – 35mm – Vertrieb: CINAR, 105 René Levesque Est, Montréal, H2L 4S5 Canada, Tel. 00514-843-7070, Fax 00514-843-7080; Deutschsprachige Rechte: Wörthersee Filmprod.GmbH, Klagenfurter Str. 5, A-9229 Velden, Tel. 0043-4274-52220, Fax 0043-4274-5222020 – Altersempfehlung: ab 12 J.

Ein Wettrennen auf Rollerskates, Tempo, Schnitte, Super-Boys und Lover-Girls: Der Film beginnt wie eine flotte amerikanische Teenie-Komödie um Sportskanonen, männliches Imponiergehabe und erste Liebe. Dann baut der 17-jährige Kirk mit seinen Rollerskates einen Unfall – und damit fängt der eigentliche Film an, der in Neuseeland spielt. Im Krankenhaus stellt sich heraus, dass Kirk unter Knochenkrebs leidet – nichts ist mehr mit seiner heiß geliebten Freizeitbeschäftigung. Während der Bestrahlungstherapie entdeckt er, dass er zu seinen Eltern eigentlich gar keinen Bezug mehr hat, und auch die Freunde können ihm in seinem Selbstmitleid und in seiner Misere nicht helfen. Er betrachtet sein Leben für beendet. Das ändert sich, als er die geheimnisvolle, glatzköpfige Marty kennen lernt, eine junge Maori, die an Leukämie erkrankt ist. Dank ihrer Hilfe schöpft Kirk wieder Mut und ist bereit, gegen die Vorurteile und Konventionen seiner Umwelt anzugehen und den Kampf um sein Leben aufzunehmen. Unterdessen erkennt Marty, dass sie nur noch wenige Tage zu leben hat. Die beiden reißen aus, verbringen eine Nacht gemeinsam in der Stadt und fahren mit dem Motorboot von Kirks Vater auf eine abgelegene Insel, wo sie ihre Zuneigung füreinander entdecken. Als Marty immer schwächer wird, bringt Kirk sie zurück ins Krankenhaus und weicht bis zu ihrem Tod nicht mehr von ihrer Seite.

Wie häufig, wenn vom Tod die Rede ist, geht es auch im Film "Der ganze Mond" viel mehr um Lebensfreude und den Mut zum Leben nach eigenen, maßgeschneiderten Lebensentwürfen. Trotz des an sich ernsten Themas und fehlendem Happy End (für Marty), ist der dritte Spielfilm des früheren Theaterschauspielers Ian Mune kein anstrengendes Melodram, das Jugendliche wie einen Giftschrank meiden sollten – im Gegenteil! Auf dem Internationalen Filmfestival in Giffoni gab es dafür von den 200 jugendlichen Jurymitgliedern immer wieder Szenenapplaus und sämtliche Hauptpreise, die das Festival zu vergeben hat, einschließlich der beiden Darstellerpreise. Toby Fisher und die junge Maori Nikki Si'Ulepa spielen ihre Rollen absolut glaubwürdig und differenziert, haben eine unglaubliche physische Präsenz auf der Leinwand. In ihrer Krankheit zu Außenseitern geworden (beiden sind durch die Therapie die Haare ausgefallen), wecken sie auf ihrer Suche nach ihrem neuen Selbstverständnis auch Verständnis für das Fremde, für andere Kulturen und für alles, was nicht gleich erklärbar und vordefiniert ist.

Vor allem hat Mune seine Geschichte in Bildern erzählt, die nicht nur den Oberflächenreiz bedienen, sondern die Situation und das Lebensgefühl der beiden Protagonisten treffen, das sich in ihren Ängsten und Sehnsüchten vermutlich gar nicht so sehr von dem anderer Jugendlicher unterscheidet. Wenn sich Marty und Kirk, erstmals Hand in Hand und mit einem aufgespannten Tuch hinter ihrem Rücken, auf dem Flachdach des Krankenhauses über den Abgrund beugen und nur durch die warmen Aufwinde, die sich in dem Tuch fangen, vor dem sicheren Absturz bewahrt werden, dann sind das Bilder, die im Kopf hängen bleiben, die man nicht mehr vergisst.

Holger Twele

Zu diesem Film siehe auch:
KJK 71-4/1997 - Interview - "Das Thema ist die Konfrontation mit dem Tod"

 

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Ausgabe 68-4/1996

 

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