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Ausgabe 68-4/1996

"Kinder lieben Fantasy-Elemente"

Gespräch mit Steve Barron, Regisseur des Films "Die Legende von Pinocchio"

(Interview zum Film DIE LEGENDE VON PINOCCHIO)

KJK: Wie kam es zur Verfilmung dieses legendären Kinderbuch-Klassikers von Carlo Collodi?
Steve Barron: "Ich liebe Märchen, das Buch fiel mir mit sechs Jahren in die Hände und hat mich seitdem nicht mehr losgelassen. 'Pinocchio' halte ich für einen der spannendsten Charaktere der Kinder-Literatur. Die Geschichte ist weltberühmt, und die Figur spricht die Seele an, so wie 'E.T.'. Alle Kinder lieben Fantasy-Elemente. Überall auf der Welt spielen Kinder mit Puppen oder Soldaten, die Figuren werden für sie lebendig. Die Idee zu dem Film hatte ich schon vor zehn Jahren."

Warum dauerte es so lange bis zur Realisierung?
"Ein Realfilm mit einer Puppe, da winkten alle Studios ab. Es war eine frustrierende Erfahrung. Mit einem eigenen Projekt, das man liebt, hat man kaum Chancen. Die meisten Studios entwickeln ihre eigenen Projekte und Vorstellungen. Inzwischen entscheiden sie, welcher Film gemacht wird, nicht mehr die Regisseure. Jim Henson und ich boten das Projekt jahrelang an wie Sauerbier. Nach seinem Tod habe ich dann den Gedanken daran aufgegeben. Und dann geschah das Unfassbare. Meinem Agenten wurde das Script angeboten. Bevor ich es gelesen hatte, habe ich schon zugesagt."

Wie haben Sie den Film vorbereitet?
"Wir haben viel geprobt und mit Unmengen von Storyboards gearbeitet, um uns die Wirkung vorstellen zu können. Die größte Herausforderung lag darin, die Puppe lebendig und echt erscheinen zu lassen. Damit steht und fällt der Erfolg des Films. Die Arbeit an 'Coneheads' und 'Turtles' war eine gute Vorbereitung. So war ich schon an Spezialeffekte gewöhnt. Sie machen mir unheimlich Spaß. Ich probiere gerne immer wieder etwas Neues aus."

Waren Martin Landau als Geppetto und Udo Kier als Bösewicht Lorenzini Ihre erste Wahl?
"Beim Casting war auch Gerard Depardieu als Geppetto im Gespräch. Aber nach dem Film 'Ed Wood' gab es für mich nur noch Martin Landau. Er verfügt über die nötige Menschlichkeit und Ausstrahlung für diese Rolle. Das Studio wollte Al Pacino. Aber nach dem Oscar stieg natürlich auch der Kurswert von Landau beim Studio. Udo Kier hatte ich in 'My Private Idaho' gesehen, er ist der geborene Böse."

Aus welchen Gründen drehten Sie in den Barrandov-Studios?
"Es war vor allem eine ökonomische Entscheidung. Große Fantasyfilme sind teuer. Durch die niedrigeren Kosten verfügten wir über mehr Drehzeit. Insgesamt benötigten wir 14 Wochen, davon drei Tage auf der kroatischen Insel Krk und zwei Wochen für Außenaufnahmen in Cesky Krumlov, einem Barockstädtchen nahe der österreichischen Grenze. Die Hallen in Barrandov sind phantastisch, die tschechischen Mitarbeiter einfach großartig. Die 180 Mitarbeiter aus fünf Nationen fühlten sich wie eine große Familie."

Gab es auch Schwierigkeiten?
"Die Arbeit war manchmal härter als in England oder Amerika, wo Spezialeffekte an der Tagesordnung sind. Bei einem 30 Millionen-Dollar-Projekt darf man kein Risiko eingehen. Wir mussten alles von London oder Paris heranschaffen lassen, das ganze Licht-Equipment, die Kameras, die Kräne kamen aus Deutschland. Noch nicht einmal Latex gab es. Wir mussten exakt im Voraus planen, was wir brauchten. Andererseits herrscht hier eine Tradition, mit Marionetten zu arbeiten, von der wir nur träumen können."

Und die Animatronic-Technik?
"Die animatronische Puppe stammt aus Jim Henson's Creature Shop. Alle Bewegungen werden elektronisch gesteuert mit einem Joy-Stick wie am Computer. Ein ganzes Expertenteam kümmerte sich um die Bewegungsabläufe für Arme, Beine oder Augen. Jede Unit hatte eine eigene Puppe, die von jeweils zehn Leuten animiert wurde. Chef-Operator Mac Wilson kontrollierte über Videomonitor den Gesichtsausdruck. Fünf Leute gehörten allein zur Service-Crew, um die Figur zu unterhalten, sie anzumalen oder die Haut zu ändern."

Arbeiteten Sie viel im Blue-Screen-Verfahren?
"Relativ wenig, vielleicht zwei Wochen. Ich wollte keinen 'Roger Rabbit' machen, sondern etwas Persönliches schaffen. Es geht mir weniger um Spezialeffekte als um Emotionen, ich möchte, dass der Zuschauer plötzlich gerührt ist und ein Tränchen vergießt."

Interview: Margret Köhler

 

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