Produktion: DEFA-Studio für Trickfilme Dresden, DDR 1983 – Buch, Regie, Gestaltung: Lutz Dammbek – Dramaturgie: M. Rasche – Animation: I. Gubisch, L. Dammbek – Kamera: H. Schöne – Musik: Th. Hertel – Laufzeit: ca. 20 Min.
Entdeckungen macht man meist da, wo sie nicht zu erwarten sind. So auch auf dem Leipziger Dokumentar- und Kurzfilmfestival, wo der Kinderfilm normalerweise keinen eigenen Platz hat. Fundgrube: Box III der Tradeshow, 32 Plätze wenn keiner steht, kaum Luft zum Atmen und die Filmmusik aus der Nachbarbox manchmal lauter als der eigene Ton. Hier werden die Geheimtipps gehandelt, und an einem Spätnachmittag zeigte das Dresdener DEFA-Trickfilmstudio eine Reihe von Produktionen aus dem letzten Jahr, u. a. Lutz Dammbeks "Die Hummel und der Frosch", ein Kinderfilm, wie man sich ihn schöner kaum vorstellen kann; eine einfache, klare Geschichte, in ebenso einfachen Bildern erzählt, und doch von einer Qualität, die selten geworden ist im Kino: der der Poesie.
Die Geschichte des im Flachtrick gezeichneten Films ist kurz und leicht nacherzählt. Protagonisten sind eine Hummel und ein Frosch (übrigens alle Tiere im Film ohne "vermenschlichende" Eigennamen), die unter dem gleichen Problem leiden: der Langeweile. Denn die restlichen Hummeln und Frösche pflegen vor allem ihre Ruhe. Alleine machen ihnen ihre Unternehmungen keinen Spaß, und so gehen beide nach einiger Zeit auf Entdeckungsreise: die Hummel angezogen vom fernen See, der Frosch vom fernen Wald. Sie treffen aufeinander und nach einigen "Schrecksekunden" entdecken sie sich und was man gemeinsam alles anstellen kann. Am Ende ist man nicht überrascht, wenn beide aus der linken oberen Bildecke davon fliegen.
"Die Hummel und der Frosch" ist Lutz Dammbeks erster Kinderfilm. Der 35-jährige Leipziger ist von Haus aus Grafiker und arbeitet nach seinem Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig seit 1974 freischaffend. Seine Produktion ist vielfältig: Grafiken, Plakate, Collagen, daneben aber auch eine Reihe von Trick- und Animationsfilmen. Alle seine Filme haben mit dem Traum vom Fliegen zu tun: "Der Schneider von Ulm" wie der experimentelle "Einmart". Bei dem DEFA-Spielfilm "Das Luftschiff" führte Dammbek die direkt auf den Film gezeichneten (Non-Camera Animation) Visionen aus.
Was diesen Film so herausragend macht – trotz einiger kleiner technischer Schwächen in der Animation – ist die Dichte der Figuren. Sie sind einfach und witzig, ohne dabei so süßlich oder gar kitschig zu sein wie Disneys Tierfiguren es so häufig sind. Ironische Untertöne sind nicht zu überhören. Man muss sich allerdings davor hüten, es auf ein bestimmtes politisches System zu münzen, wenn die Hummeln – "Ruhe, möglichst viel Ruhe" – ihre gelb-schwarzen Ringelhosen über den Kopf stülpen und den Tag verdösen. Der Traum vom Fliegen ist ein Kindertraum, der sich den Wachen, Neugierigen erfüllt.
Von der Fabel her ähnelt Dammbeks Film auf den ersten Blick Friedrich Karl Wächters Kinderbuch 'Wir können noch viel zusammen machen'. Doch bei Wächter stehen Schwein Inge und seine Freunde in ganz konkreten Kindersituationen mit Eltern und Verwandten. Dammbeks Film ist eher eine Parabel: Die beiden Neugierigen suchen die Abenteuer, die die Mehrzahl verschläft. Die Fabel, unangestrengt und naiv, ohne verklärend zu sein, ist auch schon für kleine Kinder nachvollziehbar. Auch ohne es zu wissen, spürt man, dass der Film für ein Kind gemacht wurde, nämlich für Sophie, zwei Jahre alt und Tochter des Grafikers.
Jan Schütte
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