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Ausgabe 46-2/1991

DIE KLEINEN STROLCHE

OUR GANG

Produktion: Hal Roach Studios, USA 1922-1928 – Regie: Robert F. McGowan – Drehbuch: Hal Roach – Kamera: Art Lloyd – Darsteller: Mickey Daniels, Mary Kornmann, Joe "Fatty" Cobb, Jacky Condon, Allen "Farina" Hoskins u. a. – Laufzeit: 85 Min. – s/w – Verleih: Mega Film (35mm) – Altersempfehlung: ab 8 J.

In den 20er-Jahren fürs Stummfilmkino geboren, bis in die 40er fortgesetzt, vom Fernsehen entdeckt – bei uns machten sie in den 60er-Jahren am Sonntagnachmittag Furore – sind "Die kleinen Strolche" auf die Leinwand zurückgekehrt. Der neue Berliner Mega-Filmverleih hat sieben der insgesamt 220 zwischen 1922 und 1944 produzierten Folgen (alle aus der Stummfilmzeit) zu einem abend- (bzw. nachmittag-)füllenden Kinoprogramm zusammengefügt. Dem Film sind die Jahre anzusehen, auch wenn sich der Verleih bei der Rekonstruktion des Filmmaterials moderner Technik bedient hat. Zu sehen bzw. zu hören ist die seinerzeit vom ZDF hergestellte Wortfassung von und mit Jürgen Scheller, der gnadenlos kommentiert, was die kleinen Strolche tun oder lassen. Was in den betulichen Sechzigern üblich und vielleicht sogar erheiternd war, wirkt heute antiquiert und überflüssig. Für die Streiche der kleinen Strolche braucht es keine wortreichen Erklärungen, die Bilder sprechen für sich. Bilder voller burlesker Szenen, slapstickhafter Einfälle, übermütiger Spielfreude.

Die einzelnen Folgen ("Das große Abenteuer", "Der Boxkampf", "Hollywood, U.S.A.", "Sparky in voller Fahrt", "Der Schönheitssalon", "Kleine Helden", "Die Geburtstagstorte") sind von unterschiedlicher Qualität. Höhepunkt: "Hollywood, U.S.A.", wo die kleinen Strolche durch die Hal-Roach-Studios toben, jene berühmten Studios, in denen sie – nach Harold Lloyd und noch vor Stan Laurel & Oliver Hardy – ihre Geburtsstunde hatten. In dieser "Film im Film"-Episode wirkt auch ein entnervter Regisseur mit, der ganz so aussieht wie Harold Lloyd.

Das Geheimnis der lang anhaltenden Ausstrahlung der kleinen Strolche, ihres unverwüstlichen Charmes, liegt in der Konzeption der einzelnen Figuren und des Zusammenspiels. Ob Junge, ob Mädchen, ob arm, ob reich, ob dick, ob dünn, ob schwarz, ob weiß – die kleinen Strolche sind alle gleich. Vorurteile kennen sie nicht, Schichtprobleme "überspielen" sie. Sie pfeifen auf Konventionen und Ambitionen der Erwachsenen, in deren Welt sie sich zwar bewegen, aber mit eigenen Spielregeln. Anarchistische Tendenzen sind sichtbar, die sich später in den Laurel & Hardy-Slapsticks zum bestimmenden Element entwickeln werden.

Die Kinderdarsteller der in zwei Jahrzehnten entstandenen Kurzfilme (keiner länger als 15 Minuten) haben natürlich gewechselt. Die erste Generation der "Gang" ist sicher die originellste, unverbraucht und unvollkommen, jeder der Darsteller eine Kinderpersönlichkeit für sich, vom Regisseur Robert McGowan, der in den Anfangsjahren die meisten Filme inszenierte, zum freien Spiel ermuntert.

So sehr die Rückkehr der kleinen Strolche zu begrüßen ist, sie zur "Sternstunde des Kinos" zu küren – wie in den Printmedien geschehen – weckt allerdings zu hohe Erwartungen. Die Episoden haben durchaus auch ihre Schwächen, die in der Aneinanderreihung sichtbar werden. "Die kleinen Strolche" sind witzig und unterhaltend, komisch und kurios, zudem ein Dokument der Filmgeschichte. Nicht mehr und nicht weniger.

Gudrun Lukasz-Aden / Christel Strobel

 

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Ausgabe 46-2/1991

 

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