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Ausgabe 49-1/1992

BOYZ'N THE HOOD

Produktion: Columbia Pictures, USA 1990 – Regie und Drehbuch: John Singleton – Kamera: Charles Mills – Musik: Stanley Clarke – Darsteller: Cuba Gooding jr. (Tre Styles), Larry Fishburne (Furious Style), Ice-Cube (Doughboy), Morris Chestnut (Ricky Baker), Tyra Ferrell (Mrs. Baker) u. a. – Laufzeit: 90 Min. -Farbe – Verleih: Columbia (35mm) – Altersempfehlung: ab 16 J.

South Central L.A., der Name dieses Viertels steht für Kriminalität, Mord, Gewalt und Drogen, einer der gefährlichsten Plätze der Westküsten-Metropole. Wer nun nur eine heruntergekommene Slum-Gegend erwartet, wird enttäuscht: Propere Reihenhäuser mit Vorgärten gibt es genauso wie Abbruchhäuser. Die schwarze Mittelschicht ist ebenso vertreten wie die Schwarzen, die ihr Leben mit Diebereien und Dealen verdienen. Im Mittelpunkt der Geschichte stehen drei Jungen: Tre Styles, der bei seinem Vater lebt, Doughboy und Ricky, zwei Brüder aus der Nachbarschaft, die bei ihrer alleinerziehenden Mutter wohnen. Während Tres Vater Funous sich intensiv um seinen Sohn kümmert und ihm beibringt, dass ein Schulabschluss für das Weiterkommen wichtig ist und auch Fleiß und Ordnung Tugenden sind, die sich lohnen, streunen Doughboy und Ricky auf den Straßen herum, versucht vor allem Doughboy krumme Touren und landet im Knast. Dann folgt ein Zeitsprung, aus den Kindern sind Teenager geworden. Ricky, der Liebling und die Hoffnung seiner Mutter, hat mit seiner Frau schon Nachwuchs, der vernachlässigte Doughboy versucht, die Aufmerksamkeit und Zuneigung seiner Mutter zu bekommen. Tre macht erste, schüchterne Liebeserfahrungen. Die drei Freunde geraten in einen Streit mit einer Jugendbande, Ricky wird von der bewaffneten Gang ermordet. Tre entschließt sich, erstmals in seinem Leben Gewalt mit Gewalt zu beantworten, will gemeinsam mit Doughboy und einem Kumpel Rickys Tod rächen. Doch vor der letzten Konsequenz scheut er zurück, kehrt nach Hause zurück, während die anderen die Täter gnadenlos liquidieren.

John Singletons Film trägt autobiografische Züge. Der 23-Jährige wuchs selbst im Schwarzen-Viertel von South L.A. auf. Als moralische Instanz erscheint Tres Vater, der aufgrund seiner Lebenserfahrung weiß, dass nur eine gute Bildung aus dem Teufelskreis von Drogen, Armut und Kriminalität herausführt. Aber schon von klein auf werden die Kinder mit Gewalt konfrontiert, sie gehört zu ihrem Alltag. "Boyz'n the Hood" erklärt, warum so viele Schwarze an ihrem sozialen Umfeld scheitern, beispielsweise wenn Tre nachts die Fenster schließen muss, um nicht die Sirenen der Polizei oder die Schüsse zu hören, wenn die Droge Crack auf offener Straße gehandelt wird, bewaffnete Banden um den Block fahren. Er zeigt aber auch die Missachtung der Schwarzen untereinander, wenn ein schwarzer Polizist Tres Vater nach einem Einbruch in sein Haus mit "Nigger" anspricht und demütigt.

Der Film spielt ganz in der Welt der Farbigen, beschreibt die urbane Gewalt aus der Perspektive der Jugendlichen, denen der soziale Aufstieg verwehrt bleibt. Nicht zuletzt durch seine Akteure, vor allem den in den USA beliebten Rapper Ice-Cube, spricht er Jugendliche an. Geschickt mischt er verschiedene Formen der Populär-Kultur, der Rap-Rhythmus vermittelt Atmosphäre. Die unterschiedlichen Möglichkeiten eines Schwarzen aus dem Ghetto symbolisieren die drei Charaktere: Ricky, dem exzellenten Baseballspieler, steht trotz geistiger Schlichtheit eine Karriere als Sportler offen, Doughboys Werdegang als Krimineller ist vorgezeichnet, Tre repräsentiert den sensiblen Aufsteiger, der mehr leisten muss als andere, der durch eine bessere Ausbildung sein Leben verändern möchte. Gerade diese differenziert gezeichnete Figur kann als Vorbild dienen.

Der junge Regisseur versteht seinen Film als Aufforderung zum Frieden und war entsetzt über die Ausschreitungen bei der Premiere, die Schießereien vor den Kinos, die Verletzten und einen Toten, die er mehr als ein "Indiz für den degenerierten Zustand Amerikas" sieht, denn als Reaktion auf seinen Film. Sein Anliegen definiert er wie folgt: "Es gibt schon so viele Filme, in denen wir Schwarzen nur tanzen und gut drauf sind und Leute zum Lachen bringen. Ich möchte gerne Filme machen, in denen was drinsteckt, möchte etwas sozial Relevantes sagen." Der Film, eine Gratwanderung zwischen Didaktik, Unterhaltung und Action, überzeugt durch dezidierte soziale und politische Stellungnahme, setzt auf leise Töne. Seine Protagonisten müssen kämpfen, um die starren gesellschaftlichen Strukturen zu überwinden, auch wenn das Scheitern vorprogrammiert ist, nur wenige den Teufelskreis überwinden können. Dass es aber doch manchmal geht, beweist Singleton in seinem Debütfilm auf eindrucksvolle Weise.

Margret Köhler

 

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Ausgabe 49-1/1992

 

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